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Brisanter US-Report
Frontlinie des Klimawandels

Dürren, Überschwemmungen, zerstörte Dörfer: In einem neuen Bericht schildern Wissenschaftler die drastischen Folgen der Erderwärmung für die USA. Nun muss US-Präsident Donald Trump den staatlichen Report freigeben. Doch der glaubt nicht an den Klimawandel. Wird er die Veröffentlichung also blockieren?

Von Voker Mrasek | 09.08.2017
    Schräg ragt eine Holzhütte am Wasserrand in die Höhe (undatierte Aufnahme). Das auf einer Insel im Norden Alaskas gelegene Eskimo-Dorf Shishmaref wird vom steigenden Atlantik ausgehöhlt. Einige der knapp 50 Häuser fielen dem Wasser bereits zum Opfer, andere der Inupiat-Familien räumten freiwillig ihren Platz am Meer.
    Opfer des Klimawandels: Das Dorf Shishmaref in Alaska wird vom steigenden Atlantik ausgehöhlt. (dpa / SBCGlobal)
    Knapp 550 Seiten umfasst der Bericht im Moment. 44 Autoren haben daran mitgeschrieben. Der Report wurde mehrfach begutachtet, unter anderem von der Nationalen Akademie der Wissenschaften in den USA. Was jetzt vorliegt, ist der dritte und finale Entwurf der Wissenschaftler.
    Was drin steht, wird der neuen Regierung in Washington ganz sicher nicht gefallen. Denn vom Klimawandel will US-Präsident Donald Trump bekanntlich nichts wissen.
    "Die Beweise sind eindeutig: Das Klima ändert sich, und die Folgen sind in den USA schon heute zu spüren. Das unterstreicht der Bericht. Er macht auch klar, dass der Klimawandel weiter fortschreitet, wenn wir den Ausstoß von Treibhausgasen nicht dramatisch reduzieren", sagt Christopher Field, Professor für Umweltstudien an der Stanford University in Kalifornien und einer der Gutachter des Berichtes.
    Extremwetter-Ereignisse werden häufiger
    Kalifornien litt zuletzt unter einer Rekorddürre, die mehrere Jahre anhielt. In Texas und Louisiana an der US-Golfküste kam es zu beispiellosen Überschwemmungen. Derartige Extremwetter-Ereignisse häufen sich, wie es in dem neuen Klimabericht heißt und wie auch Richard Alley betont. Er ist Professor für Geowissenschaften an der Staatsuniversität von Pennsylvania und einer der Autoren.
    "Es ist ziemlich klar, dass einige dieser Wetterextreme durch den Einfluss des Menschen so intensiv geworden sind. Wir erkennen unseren Fingerabdruck bei starken Hitzewellen, die häufiger geworden sind. Wir erkennen ihn beim Anstieg des Meeresspiegels, der dafür sorgt, dass Dämme häufiger überspült werden und Sturmfluten so mehr Zerstörungskraft entwickeln. Es wird immer deutlicher, dass wir das Klima beeinflussen."
    Aufrütteln sollte auch der Ausblick der US-Wissenschaftler.
    Dazu heißt es in ihrem Bericht: "Für die Vereinigten Staaten ist in den nächsten Jahrzehnten eine Temperaturzunahme von mindestens 1,4 Grad Celsius zu erwarten - selbst bei starker Verminderung der künftigen Treibhausgas-Emissionen. Das bedeutet: Jahre mit Rekord-Extremen wie zuletzt, werden in naher Zukunft relativ häufig auftreten."
    Temperaturen in Alaska steigen rasant
    Von allen US-Bundestaaten erwärmt sich Alaska am stärksten. Auch darauf geht der neue Klimareport ein.
    "Die Bewohner von Alaska befinden sich an der Frontlinie des Klimawandels. Die Oberflächen- und Lufttemperaturen in Alaska und in der Arktis steigen mehr als doppelt so schnell wie im globalen Durchschnitt. Bröckelnde Häuser, Straßen, Brücken und Küstenabschnitte sind alltäglich."
    Das Pikante an dem Report: Der US-Kongress und die neue Administration unter Donald Trump segnen ihn am Ende ab. Denn es handelt sich um einen staatlichen Bericht, in Auftrag gegeben von 13 Ministerien und Fachbehörden. Ganz einkassieren kann die Regierung den 500-Seiten-Wälzer wohl nicht, folgt man Christopher Field.
    "Die US-Regierung und die Wissenschaftsgemeinde sind durch ein Gesetz von 1990 dazu verpflichtet, regelmäßig Updates über den Klimawandel und seine Folgen für die USA vorzulegen. Der neue Bericht gehört in diese Reihe."
    Originalbericht der Presse zugespielt
    Doch die Trump-Administration könnte bewirken, dass der neue Klimareport stark abgeschwächt oder sogar umgeschrieben wird. Das dürfte zumindest jener Autor oder Gutachter befürchtet haben, der den Entwurf jetzt der "New York Times" zuspielte. Ein ungewöhnlicher Schritt, der zeigt, wie sehr Wissenschaftler den neuen Machthabern in Washington misstrauen.
    Christopher Field kann diesen Schritt nachvollziehen. Auch wenn er selbst niemals einen vertraulichen Berichtsentwurf weitergeben würde, wie er sagt.
    "Wir wissen nicht wirklich, wie stark der Report in seiner Schlussfassung verändert sein wird. Aber jetzt, da der Entwurf durchgesickert ist, kann die breite Öffentlichkeit sehen, was am Ende gestrichen wird und was nicht. Es gibt zurzeit große Sorgen, dass auf wissenschaftliche Exaktheit nicht mehr viel gegeben wird. Da ist es nützlich, wenn man sich die Veränderungen im Report genau anschauen kann. Das ist im öffentlichen Interesse."
    Noch in diesem Monat soll die US-Regierung den neuen Klima-Report abzeichnen. Das ist zumindest der geplante Termin. Dann wird sich zeigen, wie sehr sich die Schlussfassung vom jetzt durchgesickerten Entwurf der Klimaexperten unterscheidet. Und ob die Trump-Administration damit fortfährt, das Problem der globalen Erwärmung kleinzureden.