1979 erschien das erste Album von Joe Jackson, seitdem sind 19 weitere Studio-Alben dazugekommen. Jedes davon ist schon in sich musikalisch außergewöhnlich vielseitig. Und wenn man die einzelnen Alben stilistisch miteinander vergleicht, stellt man fest, dass sich Joe Jackson immer wieder neu erfunden hat, sich immer wieder neu inspirieren ließ. Man entdeckt bei ihm harten Rock, Jazz, klassische Elemente, eingängige Pop-Klänge, schräge Experimentalsounds. Von Geradlinigkeit und Eintönigkeit keine Spur. Auch sein aktuelles Album "Fast Forward", im Oktober 2015 erschienen, folgt diesem Muster.
Interview mit Startschwierigkeiten
Die passende Gelegenheit den vielseitigen Sänger und Songschreiber Joe Jackson zu einem Gespräch über sich und seine Musik zu treffen, ergibt sich während seiner Europatournee Anfang des Jahres, in Essen, in der Lichtburg, einem denkmalgeschützten Gebäude. Hinter seinen Mauern befindet sich der größte Kinosaal Deutschlands. Und wohl einer der schönsten dazu. Ein Theater mit riesiger Bühne, rotem Vorhang, bequemen roten Sitzen im Hauptraum und auf den Emporen. Platz für weit über tausend Besucher. Der passende Ort für einen außergewöhnlichen Künstler wie Joe Jackson. Das Interview findet im Barbereich, gleich neben der Halle statt. Schwere braune Ledergarnituren. Um diese Uhrzeit natürlich alles noch menschenleer. Nach einigen Minuten Wartezeit kommt Joe Jackson. Ein schlaksiger Typ. Groß, schlank, blass. Die die dünnen hellen Haare nach hinten gekämmt. Trotz seiner 61 Jahre hat er ein außergewöhnlich jungenhaftes Gesicht. Die erste Frage gilt der Lichtburg als Ort des Konzertes.
"It’s very nice!”
Joe Jackson gibt sich wortkarg. Zweiter Anlauf! Zweite Frage! Wie er denn gedenke, sein Konzert am Abend zu eröffnen? Im Vorfeld war zu vernehmen, dass da etwas Besonderes geplant sei. Mit ein paar Solonummern soll es losgehen. Nur er, seine Stimme und ein Keyboard. Erst danach kommen die restlichen Musiker auf die Bühne und ins Spiel.
"I’m doing a few songs solo.”
Auch diese Antwort nicht gerade ein Wortschwall. Und auch die nächsten Sätze des Musikers machen wenig Hoffnung auf ein ausgiebiges Gespräch.
"Ich denke eigentlich nur an meinen Auftritt heute Abend. Das ist das Einzige, was für mich im Moment zählt."
Das klingt wie der finale Satz eines sehr kurzen Interviews. Doch Joe Jackson holt noch einmal Luft und knüpft an die erste Frage nach diesem wunderbaren Konzertsaal an.
"Wir versuchen immer die schönsten Orte für unsere Auftritte zu finden. Und es ist natürlich um Einiges besser, in so einem alten Theater zu spielen, als in einem Kasten, der eigentlich für Basketball oder so etwas Ähnliches gebaut worden ist."
Geigenunterricht statt Fußball
Mit Sport hat Joe Jackson nichts am Hut. Das hört man deutlich heraus. Schon als Schüler hatte er sich vor dem Sportunterricht gedrückt. Joe war ein schwächliches Kind. Dünn, ungelenk, asthmakrank. Seine Welt waren die Bücher. Er verkroch sich lieber auf sein Zimmer und las, als mit den anderen Jungs aus der Nachbarschaft Fußball zu spielen. Außerdem hätten die oft genug lieber ihn, als den Ball getreten, erinnert sich Jackson an seine Kindheit. Geboren im August 1954, wuchs der Musiker in der englischen Hafenstadt Portsmouth auf. Mit richtigem Namen heißt er David Ian Jackson. Seinen Spitznamen Joe machte er später zu seinem Künstlernamen. 1979 kam seine erste Langspielplatte mit dem Titel "Look Sharp!" auf den Markt. Als er sein Debut-Album "Look Sharp!" aufnahm, war Joe Jackson 24 Jahre alt. Alle Songs darauf hatte er selbst geschrieben und arrangiert. Diese wichtige Gestaltungsmöglichkeit wollte er sich nicht aus den Händen nehmen lassen. Mit ihm waren damals die Mitglieder seiner festen Begleitband im Eden-Studio im Londoner Westen an der Aufnahme beteiligt. Der Gitarrist Gary Sanford, der Bassist Graham Maby und der Schlagzeuger Dave Houghton. Joe Jackson selbst sang, spielte Piano und Mundharmonika. Jackson hatte sein Handwerk von der Pike auf gelernt. Mit elf Jahren meldete er sich zum Geigen-Unterricht an. Und zwar aus einem profanen Grund.
"Eigentlich wollte ich gar nicht Geige spielen lernen, aber es war nun Mal die einzige Möglichkeit, mich vor Sport zu drücken."
Was als Fluchtversuch begonnen hatte, entwickelte sich zur Leidenschaft. Joe Jackson zeigte großes musikalisches Talent. Mit viel Fleiß und Ehrgeiz übte er auf seiner Violine die Kompositionen der Klassik-Meister ein und interessierte sich auch für Musiktheorie und Musikgeschichte.
"Ich fand das wirklich toll. Mit so jungen Jahren ein Instrument erlernt zu haben, bot mir nicht nur eine gute Ausgangsbasis für meine Musikkarriere. Es gibt mir auch heute noch eine gewisse Sicherheit."
Joe Jackson stammt aus einfachen Verhältnissen. Weder seine Mutter noch sein Vater spielten ein Instrument. Sie waren nicht in der Lage die Ambitionen ihres musikalisch begabten Sohnes zu fördern. Sie hätten sie es vermutlich lieber gehabt, wenn er sich nicht für die brotlose Kunst, sondern für eine sichere Zukunft in einem seriösen Beruf interessiert hätte. Unterstützung hatte Joe Jackson von ihrer Seite nicht erhalten.
"Vielleicht war aber genau das ausschlaggebend. Die meisten Musiker, die ich über die Jahre kennengelernt habe, waren durch ihre Eltern musikalisch beeinflusst worden. Bei mir war das nicht der Fall und vielleicht war das sogar ganz gut so. Die Musik war für mich als Teenager meine eigene Welt, in die sich niemand einmischen konnte. Keiner half mir, keiner konnte mir sagen, was ich zu tun und lassen hatte. Die Musik war meine Art der Rebellion gegen die Erwachsen. Ich konnte durch die Musik meine eigene Persönlichkeit ausbilden. Und je mehr meine Eltern sagten, deine Musik ist lächerlich, damit kann man kein Geld verdienen, desto mehr stieg in mir das Verlangen, mit meiner Musik weiterzumachen. Ich denke manchmal, wenn meine Eltern Musiker gewesen wären, wäre ich alles andere als auch ein Musiker geworden."
Beethoven als Vorbild
Mit vierzehn, fünfzehn hatte Joe Jackson genug vom Violine spielen. Er wechselte zum Piano, weil ihm dieses Instrument mehr musikalische Ausdrucksmöglichkeiten bot und die Chance, seinem Idol nahe zu kommen.
"Damals war Beethoven mein Held. Er war für mich eine heldenhafte Figur. Im Vergleich zu ihm war Mozart jemand, der vom Himmel gefallen war. Beethoven war dagegen ein Mensch aus Fleisch und Blut. Der hatte große Probleme, machte Fehler, musste sich durchboxen und schuf dennoch eine Musik, die in der ganzen Welt große Bedeutung erlangte."
"Damals war Beethoven mein Held. Er war für mich eine heldenhafte Figur. Im Vergleich zu ihm war Mozart jemand, der vom Himmel gefallen war. Beethoven war dagegen ein Mensch aus Fleisch und Blut. Der hatte große Probleme, machte Fehler, musste sich durchboxen und schuf dennoch eine Musik, die in der ganzen Welt große Bedeutung erlangte."
Wenn Joe Jackson auf seine Anfangsjahre als Musiker zurückblickt, entdeckt er einige Parallelen zu seinem großen Idol Beethoven.
"Genau wie er, musste ich mich ganz schön durchkämpfen. Ich bin zwar davon verschont geblieben, taub zu werden, aber es gab wohl kaum ein Problem, durch das ich mich nicht hätte durchbeißen müssen. Doch ich war entschlossen, meinen Weg zu gehen. Wenn nicht auf die eine, dann auf die andere Art und Weise. Ich hatte aber auch ansonsten keine andere wirklich gute Alternative."
In Clubs vor betrunkenen Gästen
Und so blieb Joe Jackson nur die Musik, die zu seinem Lebensinhalt und zu seiner Zukunftsperspektive wurde. Neben der Klassik entdeckte er Rock, Pop und Jazz als neue Spielwiesen. Um seine Leidenschaft zu finanzieren, tingelte er durch die Clubs und Bars seiner Heimatstadt Portsmouth und spielte vor betrunkenen Gästen, die nicht selten mit Bierflaschen nach ihm warfen, wenn ihnen seine Musik nicht gefiel. Mit 18 erhielt Joe Jackson ein dreijähriges Stipendium an der renommierten Londoner Royal Academy of Music. Er studierte Komposition, Klavier und Perkussion.
Er mischte aber auch in einer Theatergruppe mit, nahm Unterricht beim berühmten britischen Jazzmusiker John Dankworth und wurde Mitglied in verschiedenen Pop-Bands. Nebenbei schrieb er an eigenen Songs.
Er mischte aber auch in einer Theatergruppe mit, nahm Unterricht beim berühmten britischen Jazzmusiker John Dankworth und wurde Mitglied in verschiedenen Pop-Bands. Nebenbei schrieb er an eigenen Songs.
"Meine ersten Songs waren schrecklich. Weil ich mich nicht für einen guten Sänger hielt, habe ich sie von anderen singen lassen. Aber das brachte nichts. Meine Songs wurde erst besser, als ich mich dazu entschloss, sie auch selbst zu singen, obwohl ich von meiner Stimme nicht überzeugt war. Aber auf diese Weise begann ich, die Stücke auch wirklich aus meinem Blickwinkel heraus zu schreiben und nicht die üblichen Popklischees zu bedienen."
Der Weg ins Profilager
1978 gründete Joe Jackson seine eigene Band, nahm Demos seiner Stücke auf und hatte Glück. Der Musik-Produzent David Kershenbaum war zu jener Zeit in London unterwegs, um im Auftrag einer großen US-amerikanischen Plattenfirma nach nach neuen Talenten und frischen Sounds zu suchen. Er wurde auf Joe Jackson aufmerksam und bot ihm einen Vertrag an und wurde sein Produzent.
Mit dem Debut "Look Sharp" hatte sich Joe Jackson stilistisch längst noch nicht ausgetobt. Noch im selben Jahr 1979 erschien sein zweites Album "I’m the Man". 1980 kam "Beat Crazy" auf den Markt. Doch dann wollte Joe Jackson etwas Neues ausprobieren und besann sich auf seinen Jazz-Lehrmeister Johnny Dankworth. Der hatte ihm die Swing-Stücke der 1940er nahegebracht. Und denen wollte sich nun auch Joe Jackson widmen und nahm einige der Klassiker neu auf. Das Album nannte er Joe Jackson’s Jumpin’ Jive. Für dieses Projekt stellte er eine fast komplett neue Band zusammen. Nur sein Bassist Graham Maby war auch diesmal wieder mit dabei, als Jackson Stücke von Cab Calloway, Louis Armstrong oder Louis Jordan in einem Studio in London aufnahm. Auf das Album-Cover schrieb der damals 27-jährige Joe Jackson:
"Als mein Vater so alt war, wie ich heute, war Jazz keine salonfähige Musik. Sie wurde in Bordellen gespielt und nicht in der Carnegie Hall. Die Stücke auf diesem Album sind Jump-, Jive- und Swing-Klassiker der 1940er Jahre. Wir haben sie wie live eingespielt und ließen uns dabei von Louis Jordan inspirieren, dem König der Juke- Boxen, der so viele Musiker beeinflusst hat, aber nur von wenigen Anerkennung erhielt. Wie wir, machte auch er seine Musik nicht für die Puristen oder die eingefleischten Jazz-Fans, sondern für die, die einfach nur zuhören und ihren Spaß haben wollten."
New York als Inspiration
Nach seinem Ausflug in die Welt der amerikanischen Swinggrößen wollte Joe Jackson auch die Heimat dieser Musiker kennenlernen und ging 1982 für die nächste Produktion nach New York. Dort ließ er sich für die Arbeit an seinem Album "Night and Day" inspirieren.
"Ich suchte in New York nach Freiheit und Nervenkitzel. Beides verspürte ich in London nicht mehr. Außerdem kam die Musik, die mich am meisten interessierte aus New York: Jazz und dieser Latinosound. Auch die New Yorker New Wave-Szene faszinierte mich. Schon in den 1970er Jahren war ich ein großer Fan der Talking Heads und Songs von ihnen wie "Television" gewesen. Damals hätte ich im Traum nicht daran gedacht, dass ich eines Tages selbst einmal in New York leben würde."
Atemberaubendes Tempo
Das Album "Night and Day" verkaufte sich über eine Million Mal und wurde zum größten kommerziellen Erfolg für den Musiker aus England. Es war eine Verbeugung vor dieser Metropole, ihrer Musikszene und ihren Musikern. Vor allem war sie eine Hommage an den "Night and Day"-Komponisten Cole Porter, der so viele Stücke für den Broadway geschrieben hatte. Aber es war nicht nur New Yorks weltberühmte Musical-Meile, die Joe Jackson faszinierte. Es war einfach alles an dieser Stadt, was er mochte. Im Song "Steppin’ out" wollte Jackson das atemberaubende Tempo in den Straßen dieser Metropole einfangen, die besonders in der Nacht auf den Englishman in New York einen ganz besonderen Zauber ausübte.
"Ich lebte damals im East-Village, in Manhattan und ging wahnsinnig oft in den berühmten Musikklub CBGB. Ich sah mir gerne Auftritte von Latinobands an. Da war ich manchmal der einzige hellhäutige Besucher. Ich liebte diese Atmosphäre. Ich war auch häufig bei Jazzkonzerten. Das war eine aufregende Zeit, die ich sehr vermisse."
Was die musikalische Kreativität anging, waren die Jahre in New York wohl die wichtigsten in der Karriere von Joe Jackson. Gleich nach der Veröffentlichung von "Night and Day" bekam er den Auftrag die Musik für den US-Kinofilm "Mike’s Murder" mit Debra Winger in der Hauptrolle zu komponieren. Das amerikanische Filmgeschäft war für Joe Jackson eine neue Herausforderung, die er nur zu gerne annahm. Es sollte auch nicht der einzige Film bleiben, für den er die Musik lieferte. 1988 wurde er von Regisseur Francis Ford Coppola als Komponist für "Tucker – the Man and his Dream" engagiert.
Studio am Broadway
Auch das nächste reguläre Album "Body and Soul" nahm Jackson wieder in New York auf. Für den Gesang ging er in ein Studio am Broadway, für die Arbeit mit den Musikern hatte er sich eine spezielle Halle ausgesucht, die ansonsten für klassische Aufnahmen genutzt wurde. Die Klang-Atmosphäre des riesigen Raumes kann man bei dem Stück "The Verdict" deutlich spüren. "Body and Soul" erschien 1984 und Joe Jackson spielte darauf erstmals Saxophon.
"Saxophon habe ich nur für ein paar Jahre gespielt. Ich kann das auch nicht sehr gut. Ich habe dann auch bald damit aufgehört, weil ich mir sagte: "Hey! Stop! Du machst ein bisschen viel auf einmal!". Außerdem denke ich, gibt es schon genug schlechte Saxophon-Spieler auf der Welt."
Für die Aufnahmen zu "Body and Soul" hatte sich Joe Jackson überwiegend Musiker aus der New Yorker Szene ins Studio geholt, nur Bassist Graham Maby war wieder mit dabei. Joe Jackson zog auf diesem Album wieder einmal alle Register. Jedes Stück ein eigenes kleines Kunstwerk. Mal waren es Latino-Rhythmen, mal war es Jazz, mal Funk, mal Motown-Soul oder ein Instrumentalstück von epischer Länge, bei dem sich Joe Jackson als klassisch geschulter Pianist präsentierte. Eine Klangvielfalt und eine Palette an Stilen, die den Ideenreichtum und die musikalische Genialität von Joe Jackson deutlich machen. Vielseitigkeit ist sein Programm.
"Ich glaube nicht, dass ich jemals etwas gemacht habe, was einem puren Musikstil entsprochen hat. Ich habe immer Mischungen kreiert, die ich sehr intuitiv zusammengestellt habe. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, morgens mit dem festen Entschluss aufzustehen zum Beispiel ein reines Jazz-Album zu machen. Gibt es überhaupt Musiker, die bei ihrer Arbeit so vorgehen?! Na, ja vielleicht schon, aber ich gehöre mit Sicherheit nicht dazu."
Musik, die in keine Schublade passt
Es ist wohl diese ausufernde Kreativität, die schließlich zum Bruch mit der Schallplattenfirma führt, bei der Joe Jackson vom Beginn seiner Karriere an unter Vertrag ist. Die für Jackson verantwortlichen Manager können oder wollen seine Musik nicht vermarkten. Sie will in keine Schublade passen. Nach dem Album "Blaze of Glory", das Jackson im Winter 1988 mit einem Großaufgebot an Musikern wieder in New York aufnimmt, wird der Vertrag gekündigt. Aber es dauert nicht lange, da kommt der umtriebige Künstler woanders unter Vertrag. Das Album "Laughter and Lust" erscheint zwei Jahre später und gerät ungewohnt rockig und poppig. Mit "Night Music" folgt 1994 ein Album, auf dem Joe Jackson seiner Leidenschaft für klassisch inspirierte Musik frönt. Seitdem werden die Abstände zwischen seinen einzelnen Alben immer länger. Konzerte werden zu seinem Schwerpunkt. Und wenn Jackson ins Studio geht, muss auch etwas ganz besonderes dabei herauskommen. So zum Beispiel 2011, als Joe Jackson "The Duke" aufnimmt, ein Album, das seinem Jazz-Idol Duke Ellington gewidmet ist.
"Es gibt nichts, was dieser Mann nicht hatte. Er vereinte Genialität und Originalität. Er war für die Musik von größter Bedeutung. Er kreierte seinen eigenen neuen Sound, zu einer Zeit, als die meisten Leute noch nicht einmal wussten, was Jazz war. Es gab für ihn keine Regeln. Als er in den späten 1920er Jahren seinen Sound schuf, war das etwas vollkommen Neues. Selbst heute klingt seine Musik noch frisch und auf interessante Weise fremd. Ich bewundere ihn auch dafür, dass er es geschafft hat, seine Band fünfzig Jahre lang am Laufen zu halten. Dabei ist er nie musikalische Kompromisse eingegangen, hat all die Jahre seine Würde behalten. Er hatte Klasse. Die Art und Weise, wie er sein altes Material immer wieder neu arrangiert hat, ist für mich beispielhaft."
Buchautor und Bloger
Neben der Musik hat Jackson seit einigen Jahren noch andere Möglichkeiten entdeckt, sich kreativ zu entfalten. Den Anfang machte 1999 sein Buch "A Cure For Gravity – A Musical Pilgramage", das in der deutschen Version "Ein Mittel gegen die Schwerkraft – Musikalische Wanderjahre" heißt.
"In dem Buch erzähle ich, wie ich Musiker geworden bin. Das war schon eine ziemlich verrückte Phase. Da habe ich jeden Tag etwas Neues über das Leben und über die Musik entdeckt. Es war wie eine Entdeckungsreise. Von meinem ersten Lebensjahr bis zu meinem 24. Geburtstag ist so viel mehr passiert, als in all den Jahren danach. Daher endet mein Buch auch genau dort, an dem Zeitpunkt, als ich mein erstes Album auf den Markt brachte. Danach beginnt ein neuer Lebensabschnitt, über den eigentlich alles in der Öffentlichkeit bekannt ist. Daher habe ich auch nicht das Bedürfnis, darüber ein neues Buch machen zu müssen. Über das, was mich heute bewegt, schreibe ich in einem Blog auf meinen Internetseiten. Meistens schreibe ich über meine Musik und da ist es für mich das Größte, auf Tournee zu sein und Konzerte zu geben."
In seiner monatlichen Kolumne schreibt Jackson seit Dezember 2013 sehr lesenswerte Artikel. Er kommentiert darin die aktuelle Musikszene. Im aktuellen April-Blog geht es um die Notwendigkeit von Plattenläden. Der Cosmopolit Jackson gibt auch Tipps, wo auf der Welt noch gute zu finden sind. Außerdem sagt er, welche Künstler ihm besonders gut gefallen und warum. Dabei geht es wirklich quer durch alle Musikstile. Sehr sympathisch auch der Eintrag vom Februar. Da beklagt er den Tod von David Bowie. Nicht überschwänglich pathetisch, sondern mit nur ganz wenigen Worten der aufrichtigen Anerkennung und Trauer. Und gerade das macht den Blog-Eintrag sehr bewegend.
Neue Heimat Berlin
Seit einigen Jahren lebt Joe Jackson in Berlin und sucht dort, wie sein verstorbener Kollege David Bowie in den 1970ern, nach neuer Inspiration.
"Ich kam nach Berlin, weil ich aus New York fliehen wollte. Dort hat sich einfach zu viel verändert. Allerdings schaffe ich es nicht, New York für immer den Rücken zu kehren. Ich muss zwischendurch immer mal wieder dorthin zurück. Die Freiheit, die ich in den 1980ern in New York verspürte, habe ich auch in Berlin gefunden."
In einem Berliner Studio nahm Joe Jackson auch einige Stücke seines aktuellen Albums "Fast Forward" auf. Neben einigen deutschen Akteuren, wie dem Gitarristen Dirk Berger oder dem Saxophonisten Markus Ehrlich, waren auch der in Los Angeles geborene Jazz-Bassist Greg Cohen und der aus New York stammende Jazz-Schlagzeuger und Perkussionist Earl Harvin mit von der Partie, die beide seit einigen Jahre in Berlin leben und arbeiten. "Junkie Diva" ist eines der neuen Stücke, das in Berlin eingespielt wurde. Doch nur ein Viertel der Songs entstand in der deutschen Hauptstadt. Den Rest nahm Joe Jackson in Amsterdam, in New York und in New Orleans auf.
"Die einzelnen Städte waren für mich nicht so wichtig. Es ging mir vielmehr um die Musiker, mit denen ich dort arbeiten konnte. Manche von ihnen standen schon lange auf meiner Wunschliste. Ich habe sie angfragt und als sie tatsächlich zugesagt haben, dachte ich bei mir: "Scheiße – jetzt wird es ernst. Jetzt muss Du das Projekt auch durchziehen. Das hat eine Menge Planungsarbeit gekostet. Aber ich glaube, es hat sich gelohnt."
Reisender in Sachen Musik
Für die New Yorker Aufnahmen hebt Jackson besonders den Schlagzeuger Brian Blade und den Gitarristen Bill Frisell und die Geigerin Regina Carter hervor. Allesamt Künstler aus dem Jazz-Bereich. Nach New Orleans ging er, um dort Songs mit den Mitgliedern der Jazz- und Blues-Fusionband Galactic aufzunehmen. In Amsterdam wollte er Songs mit dem Big Band-Schlagzeuger Stefan Kruger, einer Bläsersektion und einem Streicherensemble einspielen. Das aktuelle Album ist das Projekt eines leidenschaftlich Reisenden in Sachen Musik. Doch so sehr Jackson die Arbeit im Studio mag, die Konzertbühne ist sein Lieblingsplatz.
Biotop Konzertbühne
"Meine Musik live zu spielen ist das, was ich am meisten mag. Es ist für mich das Wichtigste. Nur bei einem Konzert spüre ich die Reaktionen des Publikums. Tausende von Leuten hören sich meine CDs an, aber ich kenne diese Menschen nicht, kann sie nicht sehen, kann ihren Applaus nicht hören."
Den Applaus und den Kontakt zum Publikum braucht Joe Jackson wie die Luft zum atmen. Beides kostet er auf seiner aktuellen Tournee erst einmal alleine aus. Im Kegel des Spotlights, an seinen Keyboards sitzend, eröffnet Jackson seine Konzerte mit einigen Solo-Nummern. Er fungiert dabei als seine eigene Vorband, wie er es gerne nennt, bringt das Publikum in Stimmung. Erst nach vier, fünf Songs, wird die rechte Bühnenseite beleuchtet, treten Bassist, Gitarrist und Schlagzeuger in Aktion.
Mutation zum charmanten Showmaster
Jackson ist kein Freund von überaktivem Bühnengehabe. Er bleibt lieber den ganzen Abend hinter seinen Keyboards sitzen, gibt aber dennoch den perfekten Entertainer. Der sonst zurückhaltende Musiker mutiert zum charmanten Showmaster. Humorvoll und schlagfertig reagiert er auf Zwischenrufe, kündigt seine Songs mit kleinen Anekdoten an und verbreitet gute Laune. Besonderen Spaß macht es ihm, das Publikum mit den Songs anderer Bands zu überraschen.
"Am meisten Spaß macht es mir, wenn ich einen Song vollkommen neu und anders interpretieren kann. Bei der Auswahl dieser Stücke ist es unwichtig, ob ich sie persönlich toll finde oder nicht. Hauptsache, ich kann etwas Neues aus ihnen herausholen. Einige Songs stelle ich total auf den Kopf, aber manchal möchte ich das Publikum auch schocken und spiele die Stück wie im Original. Und genau das mache ich auch bei der laufenden Tournee."