Zwei Kinder sind gestorben, im Abstand von ein paar Jahren, in derselben Familie. Das Schlimmste, was einem passieren kann. Tragisch erstickt das eine, plötzlicher Kindstod das andere. Oder war es doch ganz anders? Hat die Mutter die Kinder umgebracht? Ein ziemlich ordinärer Boulevard-Reporter wittert eine Geschichte, zumal die Großmutter der toten Kinder eine vor Ort bekannte Politikerin ist. Es gibt, hintereinander, zwei Gerichts-Urteile: zuerst lebenslänglich für Donna, die Mutter; dann einen Freispruch. Und es gibt diese völlig zerstörte, in die Armut abgerutschte Frau, die selbst nicht mehr weiß, was mit ihren Kindern geschehen ist. Auch der Zuschauer wird das bis zum Ende nicht erfahren.
Was ist die Wahrheit? Was kann man von einem Menschen wissen, was von ihm erzählen? Dennis Kelly lässt die Beteiligten selber ihre Sache vertreten, eine lange Folge von Monologen zum Publikum hin, die kunstvoll miteinander verschränkt werden. Aber was erleben wir da eigentlich? Ist es ein Interview, ein Verhör? Eine Talkshow? Eine Recherche? Das angeblich Authentische dieser Berichte wird im Lauf des Abends immer mehr in Frage gestellt; die mediale oder auch theatralische Aufbereitung selber verhindert die Wahrheitsfindung. Denn die Interviewten verhalten sich taktisch, immer neue Widersprüche tauchen auf; das alles in der Schwebe zu lassen und auf eine groteske Pointe hinzuführen, ist die größte Qualität dieses sehr englischen, sehr lakonischen Stücks.
Das Publikum wird ständig in die Irre geleitet: Lynn, etwa Ende 50, die Großmutter, wird zunächst als patente, selbstkritische Politikerin vorgestellt, die zu ihrer auf Abwege geratenen Tochter steht. Erst allmählich zeigt sich, dass Lynn eine rückgratlose Karrieristin ist, die sich um diese missratene Tochter nicht viel geschert hat. "Taking care of baby", sich um die Kinder kümmern: das bezieht sich nicht nur auf die toten Kleinkinder, die möglicherweise von der überforderten Donna umgebracht wurden; es bezieht sich, als heimliche Forderung, auch auf Lynn, die ihre mittlerweile erwachsene Tochter leider nur als Objekt für sich selbst benutzt.
Diese von Hassliebe durchtränkte Mutter-Tochter-Beziehung wird in der Basler Inszenierung von Caro Thum ganz filigran analysiert - wenngleich die Inszenierung eher behäbig anfängt, quasi mit Handbremse, und erst ganz am Ende gläserne Härte zeigt. Englische Regisseure haben ohne Scheu auch die boulevardeske Ebene des Stücks bedient; in deutschen Sprachraum ist man eher moralisch. Nikola Weisse als Lynn spielt die nette joviale Tante von nebenan, die als Politikerin freundlich an Türen klopft und später dann die Krallen zeigt. Die eigentliche Entdeckung aber ist Inga Eickemeier als Donna: eine ganz junge Schauspielerin, die sich die Tics und Grimassen, das schmallippige verunsicherte Drucksen und aggressive Hibbeln, das abgehackte Sprechen einer zutiefst gestörten Person virtuos angeeignet hat. Die Abgründe einer Figur, die keinen Halt mehr findet. War sie die drogenkonsumierende, paranoide, aus der Spur geratene junge Mutter, die ihre Kinder umgebrachte? Oder ist ihre Störung eher die Folge des plötzlichen, tragischen Tods zweier Kinder, an dem sie nur periphere Schuld trägt? Anyway, die Frau ist ein Wrack.
Ein schmieriger Psychiater, dem in Basel etwas zu viel Raum gegeben wird, wartet mit einer dubiosen Theorie auf: Donna leide an dem "Leeman-Heatley-Syndrom", einer Überempfindlichkeit gegen die Übel der globalisierten Welt - das führe im Extremfall zur Kindstötung. Ist auch er nur ein Wichtigtuer? Wir wissen es nicht. Das einzig Greifbare bleibt die liebessehnsüchtige und doch hassgeladene Beziehung zwischen Lynn und Donna, zwischen Mutter und Tochter, die im Wunsch nach Selbstmord kulminiert.
Autor Dennis Kelly setzt dann noch einen drauf, indem er eine notdürftig therapierte Donna am Ende verkünden lässt: Ich bin wieder schwanger! Bitte, nur dies nicht, denkt man im Publikum. Aber so ist der englische Psychorealismus: Er lässt uns ratlos - und ziemlich beeindruckt - zurück.
Was ist die Wahrheit? Was kann man von einem Menschen wissen, was von ihm erzählen? Dennis Kelly lässt die Beteiligten selber ihre Sache vertreten, eine lange Folge von Monologen zum Publikum hin, die kunstvoll miteinander verschränkt werden. Aber was erleben wir da eigentlich? Ist es ein Interview, ein Verhör? Eine Talkshow? Eine Recherche? Das angeblich Authentische dieser Berichte wird im Lauf des Abends immer mehr in Frage gestellt; die mediale oder auch theatralische Aufbereitung selber verhindert die Wahrheitsfindung. Denn die Interviewten verhalten sich taktisch, immer neue Widersprüche tauchen auf; das alles in der Schwebe zu lassen und auf eine groteske Pointe hinzuführen, ist die größte Qualität dieses sehr englischen, sehr lakonischen Stücks.
Das Publikum wird ständig in die Irre geleitet: Lynn, etwa Ende 50, die Großmutter, wird zunächst als patente, selbstkritische Politikerin vorgestellt, die zu ihrer auf Abwege geratenen Tochter steht. Erst allmählich zeigt sich, dass Lynn eine rückgratlose Karrieristin ist, die sich um diese missratene Tochter nicht viel geschert hat. "Taking care of baby", sich um die Kinder kümmern: das bezieht sich nicht nur auf die toten Kleinkinder, die möglicherweise von der überforderten Donna umgebracht wurden; es bezieht sich, als heimliche Forderung, auch auf Lynn, die ihre mittlerweile erwachsene Tochter leider nur als Objekt für sich selbst benutzt.
Diese von Hassliebe durchtränkte Mutter-Tochter-Beziehung wird in der Basler Inszenierung von Caro Thum ganz filigran analysiert - wenngleich die Inszenierung eher behäbig anfängt, quasi mit Handbremse, und erst ganz am Ende gläserne Härte zeigt. Englische Regisseure haben ohne Scheu auch die boulevardeske Ebene des Stücks bedient; in deutschen Sprachraum ist man eher moralisch. Nikola Weisse als Lynn spielt die nette joviale Tante von nebenan, die als Politikerin freundlich an Türen klopft und später dann die Krallen zeigt. Die eigentliche Entdeckung aber ist Inga Eickemeier als Donna: eine ganz junge Schauspielerin, die sich die Tics und Grimassen, das schmallippige verunsicherte Drucksen und aggressive Hibbeln, das abgehackte Sprechen einer zutiefst gestörten Person virtuos angeeignet hat. Die Abgründe einer Figur, die keinen Halt mehr findet. War sie die drogenkonsumierende, paranoide, aus der Spur geratene junge Mutter, die ihre Kinder umgebrachte? Oder ist ihre Störung eher die Folge des plötzlichen, tragischen Tods zweier Kinder, an dem sie nur periphere Schuld trägt? Anyway, die Frau ist ein Wrack.
Ein schmieriger Psychiater, dem in Basel etwas zu viel Raum gegeben wird, wartet mit einer dubiosen Theorie auf: Donna leide an dem "Leeman-Heatley-Syndrom", einer Überempfindlichkeit gegen die Übel der globalisierten Welt - das führe im Extremfall zur Kindstötung. Ist auch er nur ein Wichtigtuer? Wir wissen es nicht. Das einzig Greifbare bleibt die liebessehnsüchtige und doch hassgeladene Beziehung zwischen Lynn und Donna, zwischen Mutter und Tochter, die im Wunsch nach Selbstmord kulminiert.
Autor Dennis Kelly setzt dann noch einen drauf, indem er eine notdürftig therapierte Donna am Ende verkünden lässt: Ich bin wieder schwanger! Bitte, nur dies nicht, denkt man im Publikum. Aber so ist der englische Psychorealismus: Er lässt uns ratlos - und ziemlich beeindruckt - zurück.