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''Britten - The Canticles''

Ganz anders liegt der Fall bei der Britten-CD, die Ian Bostridge für Virgin produziert hat. Da macht er Ernst. Überschrieben ist diese Scheibe mit "Britten - The Canticles", und richtig finden sich alle fünf Canticles dieses Komponisten darauf versammelt. Sie sind in sehr verschiedenen Zeiten entstanden und für ausgesprochen aparte Besetzungen geschrieben, nicht nur für Sologesang und Klavier, sondern für Countertenor und Tenor mit Piano, für Counter, Tenor, Bariton und Piano, für Gesang, Klavier und Horn sowie für Tenor und Harfe. Die Instrumentation hat mit den Inhalten und Texten zu tun, insofern sind die "Canticles" wirklich kleine Dramen, die natürlich von Britten für seinen Freund und Lebensgefährten Peter Pears geschrieben wurden. Und entsprechend dem großen Vorbild Pears entwickelt der Tenor von Ian Bostridge hier auch immer wieder wirklich einen gewissen Kern; die Texte werden ungleich genauer prononciert als etwa die Schubert-Lieder, die poetischen Nuancen präziser realisiert. Das wird nicht zuletzt im kraftvollen Englisch der Bibelübersetzung deutlich, in der Geschichte von Abraham und Isaak nach dem Chester Miracle Play. Der vierte Cantus entstand nach einem Gedicht von T.S.Eliot über die Reise der drei Magier, vulgo der Heiligen Drei Könige. In diesem Text bergen sich Wildheit so gut wie Ironie, analytische Reflexion wie mystisches Erleben. Und da gelingt Ian Bostridge zusammen mit dem Counter David Daniels, dem Bariton Christopher Maltman und dem Pianisten Julius Drake eine ungemein packendes Stück christlichen Existenzialismus’. * Musikbeispiel: B. Britten - aus: Canticle IV: Journey of the Magi Eine leicht sentimentale Beigabe sind die sieben Folksong-Arrangements von Britten, die auch das unvergleichliche und unvergängliche "Greensleeves" umfassen, wo Julius Drake auf seinem Flügel endgültig englische Laute spielt, nicht etwa ordinäre Gitarre. Was einen an dieser CD begeistern kann, ist nicht zuletzt die Intelligenz, mit der hier allenthalben zu Werke gegangen wird.

Norbert Ely |
    Zum Schluss dieser Ausgabe der "Neuen Platte" im Deutschlandfunk noch einmal die Kurzangaben zu den beiden CDs, auf die ich Sie aufmerksam machen wollte: Franz Schubert, Sonate A-dur und anderes, gespielt von Leif Ove Andsnes, erschienen bei EMI Classics. Und "Benjamin Britten - Canticles" mit Ian Bostridge, herausgekommen bei Virgin Classics.