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Brokkoli als Erfindung?

Am 20. Juli will das Europäische Patentamt entscheiden, ob Brokkoli patentierbar ist. Umweltschützer und Bauernorganisationen sprechen sich dagegen aus - die großen Pflanzenzüchter sehen das anders: Sie haben fast 1000 Anträge auf Patentierung eingereicht.

Von Susanne Lettenbauer | 28.06.2010
    Christoph Then schüttelt nur noch den Kopf. Der langjährige Münchner Berater von Greenpeace kämpft seit Jahren gegen die Patentierung von jahrhundertealten Züchtungsmethoden und daraus entstehende Lebewesen. Dass eine konventionell gezüchtete Pflanze Privateigentum einer Firma werden kann, findet er unverständlich:

    "Die Patente im Bereich der konventionellen Züchtung sind eigentlich wesentlich problematischer noch als die der Gentechnik, weil damit alle Lebensmittel betroffen sein können. Gemüsesorten, Salatpflanzen werden patentiert. Der Brokkoli ist patentiert worden, Tomaten werden patentiert."

    Während im Bereich Gentechnik zweifelsfrei technische Hilfsmittel zur Züchtung der Pflanzen verwendet werden und damit nach der EU-Richtlinie von 1998 patentierbar sind, gilt dies ausdrücklich nicht für natürliche, im wesentlichen biologische Verfahren wie Kreuzung, Züchtung und Selektion. Auch eine Sorte darf laut Sortenschutz nicht patentiert werden. Wenn nun ein Züchter eine neue Brokkoli-Sorte im wesentlichen auf traditionellem Wege wie Generationen vor ihm züchtet, dürfte er doch kein Patent auf eine Erfindung erhalten, sagt Ruth Tippe von "Kein Patent auf Leben!":

    "Der Brokkoli ist konventionell gezüchtet. Es ist überhaupt keine Gentechnik damit verbunden. Trotzdem konnte dieser Brokkoli - sowohl die konventionelle Züchtung als auch die Pflanze - patentiert werden."

    Rainer Osterwalder, Sprecher vom Europäischen Patentamt kennt die Vorwürfe der Patentgegner zur Genüge. Der Antrag auf das Brokkolipatent musste aber positiv entschieden werden aufgrund der EU-Biopatent-Richtlinie von 1998:

    "Es soll diese Patente geben. Das ist diese Biopatentrichtlinie, die von der EU, sprich vom Ministerrat und vom Parlament 1998 nach zehnjähriger Verhandlung verabschiedet worden ist. Das ist die Rechtsgrundlage, die in Europa gilt und die wir anzuwenden haben, ob wir es wollen oder nicht."

    Da es trotz Europäischem Patentamt aber kein europäisches Patenrecht gibt, sind die Entscheidungen nur national gültig. Deshalb fühlen sich beide Seiten vom Gesetzgeber allein gelassen. Ein Vorstoß, wie heute von der Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner veröffentlicht, nämlich auf EU-Ebene gegen Patente auf Pflanzen und Tier vorzugehen, ginge nur, so Osterwalder, wenn die EU-Richtlinie von 1998 von allen Unterzeichnern gekippt würde.

    Diese besagt: Grundsätzlich können alle Lebewesen, ob Pflanzen oder Tiere, die von einer Firma zuerst im Wesentlichen mit technischen Hilfsmitteln gefunden, beschrieben und untersucht wurden, patentierbar sein. Was dieses "im Wesentlichen" nun bedeutet, soll die Große Beschwerdekammer des Europäischen Gerichtshofes klären, sagt Osterwalder:

    "Wir sollten ganz klar festhalten, dass die große Beschwerdekammer des Europäischen Patentamtes nicht darüber entscheidet, ob Pflanzen oder Tiere als solche im Grundsatz patentfähig sind. Diese Entscheidung wurde lang getroffen und dieser Fall hier betrifft ausschließlich die Frage: Wie muss der Begriff 'im Wesentlichen biologische Verfahren' definiert werden und sonst nichts."

    Der Verbraucher merkt vom Patent vorerst nur wenig. Außer, dass die Vielfalt im Angebot an unterschiedlichem Gemüse zurückgeht und die Hochleistungsware meist teurer wird. Konkurrenten aus dem Ausland würden verdrängt. Saatgut gäbe es nur beim Patentinhaber, befürchtet Greenpeace. Es könnte sogar soweit gehen, dass Inhaber eines Sonnenblumenpatents auch über die Verwendung des Öls als Lebensmittel oder Biodiesel bestimmen können. Eine klare Behinderung des freien Warenverkehrs, meint Then. Die Entscheidung zum Brokkolipatent soll nun eine Grundsatzentscheidung werden, fordert Ruth Tippe:

    "Wir fordern, dass sowohl das Brokkolipatent als auch ein ähnlicher Fall zur Tomate widerrufen werden, weil sie nicht konform gehen mit der EU-Richtlinie. Also Züchtungsverfahren sind nicht patentierbar und auch die Produkte aus ihnen. Das ist unsere Forderung."

    Am 20. Juli soll die Entscheidung fallen. Bis zu sechs Wochen kann sich das Europäische Patentamt Zeit lassen. Wie auch immer die Entscheidung ausfällt, die Patentgegner werden weiterkämpfen, sagt Christoph Then von Greenpeace.