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Brom in Seefischen

Chemie. Hohenheimer Wissenschaftler haben Bromverbindungen in Seefischen entdeckt. Auch wenn sie keine Folge von Verschmutzungen sind, sondern natürliche Ursachen haben, ist nicht ausgeschlossen, dass von ihnen einen Gefahr ausgeht.

Von Carl-Josef Kutzbach |
    Weil einige Bromverbindungen verschiedene Organe und Gene schädigen, ja sogar Krebs auslösen können, wurden sie verboten. Deswegen prüfen Lebensmittelforscher regelmäßig, ob solche Stoffe in Lebensmittel gelangen. Professor Walter Vetter vom Institut für Lebensmittelchemie der Universität Hohenheim:

    "Bei unseren Untersuchungen war es nun so, dass wir auf Signale gestoßen sind, die wir nicht zuordnen konnten. Das heißt, die entsprachen keinem bekannten Schadstoff, sondern mussten etwas Neues sein."

    Die unbekannten Bromverbindungen entpuppten sich nicht als Spuren illegal beseitigter Abfälle, sondern als Erzeugnisse der Natur, und zwar von weit verbreiteten Arten, die diese Stoffe selbst herstellen:

    "Oh, das machen viele Lebewesen, das machen Algen, das machen Schwämme, das machen Sedimentbakterien. Diese Stoffe werden zum Beispiel von den Organismen benutzt, um sich vor Räubern zu schützen."

    Und so fand Professor Walter Vetter die höchsten Werte von natürlichen Bromverbindungen in Zuchtfischen aus Fischfarmen im Meer.

    "Dafür können wir eigentlich zwei Erklärungen geben: Die eine Erklärung ist der Ort. Die Fischzuchten sind genau dort angesiedelt, wo der Lebensraum der Algen und Schwämme ist, das heißt, sie sind in näherem Kontakt zu den jeweiligen Schadstoffen. Der zweite Grund ist, der dazu kommt, dass Zuchtfische normalerweise fettreicher sind. Und weil sie die Stoffe im Fett anreichern, hat man dort dann auch höhere Gehalte in Zuchtfischen."

    Da diese Bromverbindungen den verbotenen nur ähneln, ist noch unklar, ob und wie giftig sie sind. Die entsprechende Forschung der Lebensmittelchemiker wird noch eine ganze Weile dauern, einmal, weil die Zusammensetzung der Bromverbindungen in verschiedenen Meeren so unterschiedlich ist, dass man mit ihrer Hilfe sagen kann, wo ein Fisch gelebt hat, und zweitens wegen der Stoffe selbst:

    "Diese Stoffe sind äußerst komplex in der Struktur. Das heißt die Synthese ist nicht ganz einfach. Diese Mengen, die wir in den Fischen feststellen, reichen nicht aus, um die Stoffe zu isolieren und dann toxikologisch zu untersuchen. Das heißt, um jetzt eine abschließende Bewertung zu machen, müsste man eine chemische Synthese machen der Strukturen. Und das ist sehr langwierig. Das sind natürlich Dinge, die wir planen, die gemacht werden müssen, um eben endgültig entscheiden zu können, wie diese Stoffe zu bewerten sind."

    Wie groß die Gefahr durch natürliche Bromverbindungen bei Seefisch, Krabben und Muscheln, aber auch Nahrungsergänzungsprodukten wie Haileberöl und Algentabletten wirklich ist, lässt sich zurzeit nur schätzen. Am ehesten müssten sich Schäden bei denen zeigen, die sehr viel Fisch essen:

    "Dass natürlich diejenigen, wie zum Beispiel die Eisbären oder die Eskimos mit der höchsten Belastung zu rechnen haben, das ist ganz klar. Wenn sie jetzt den normalen Konsumenten anschauen, würde ich sagen, dass bei normalem Konsumverhalten nicht mit einer Gesundheitsgefahr zu rechnen ist, ausschließlich von diesen Stoffen ausgehend. Aber diese Stoffe könne eben immer noch das Zünglein an der Waage sein, wenn man viele Schadstoffe hat. Deshalb muss es das Bestreben sein, möglichst wenig Schadstoffe in Nahrung zu haben."

    Wer sicher gehen will, wird Wildfisch und gesammelte Krabben und Muscheln bevorzugen. Damit trägt er dann aber zum Überfischen der Meere bei. Andererseits kritisieren Umweltschützer Fischfarmen im Meer unter anderem wegen der eingesetzten Medikamente und, weil sie meist dort angelegt werden, wo normalerweise Jungfische aufwachsen würden. Der Verbraucher hat also nur die Wahl zwischen zwei Übeln, wenn er dem Rat der Ernährungsexperten folgt und regelmäßig Fisch ist.

    Vorläufig bleibt auf Grund der neuen Forschungsergebnisse nur die Vorbeugung und die wäre gar nicht so schwierig, erklärt Professor Walter Vetter:

    "Wenn man die Fischfarmen zum Beispiel an eine Stelle setzt, wo weniger Algen, wo weniger Schwämme vorkommen, könnte man das Problem schon eingrenzen."