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Brot und Spiele

Vier Millionen Menschen besuchen jährlich das Kolosseum. Zur Zeit zeigt die Arena in ihren prächtigen Innenräumen eine Ausstellung über Gladiatoren. Deren blutige Kämpfe gehörten in Alten Rom zum Unterhaltungsprogramm - und auch heute locken sie die Massen an.

Von Thomas Migge |
    Falls sie Helden waren, dann Helden eines brutalen Alltags - nicht auf dem Schlachtfeld der imperialen Ehren, sondern in den Arenen des Römischen Reiches, von denen jede noch so kleine Stadt mindestens eine hatte. Dort sollten sie durch Schaukämpfe die Bevölkerung unterhalten.

    Roms Gladiatoren waren das Thema zahlloser Film. In ihnen wurde häufig auch das Kolosseum in Rom virtuell rekonstruiert: ein Arenenoval, in dem Zehntausende von blutrünstigen Zuschauern Platz fanden, und sich am gegenseitigen Abschlachten der professionellen Kämpfer ergötzten. Unvorstellbar für uns heute aber auch ungemein faszinierend. Im echten Kolosseum wird jetzt die spannende Ausstellung zu den "gladiatores" gezeigt.

    Vom Eingang aus geht es durch einen Korridor im Erdgeschoss und dann über eine breite Treppe nach oben. In die erste Etage der Arena. Treppe, Wände und die mächtigen Deckengewölbe sind komplett erhalten. Hier, von wo aus vor über 1.500 Jahren Adel und reiches Bürgertum ihre Tribünenplätze erreichten, hat die Historikerin Rosella Rea die Ausstellung aufgebaut:

    "Hier werden zum ersten Mal in Italien in einer Ausstellung zur Antike originale und neue Objekte nebeneinander gezeigt. Es handelt sich also nicht um eine traditionelle Ausstellung von antiken Gegenständen, sondern um eine ganz gezielt didaktische Schau, die im Sinn der experimentellen Archäologie Roms Gladiatoren vorstellt."
    Sie zeigt nicht nur Originale. Archäologen rümpfen deshalb ihre Nasen, wenn sie neben den erstaunlich gut erhaltenen Bronzehelmen zweier in der Antike berühmter Gladiatorengruppen, den Murmillo und den Provocator auch Kopien vorfinden. Zu sehen sind beispielsweise nachgemachte Kopfbedeckungen, reich mit Reliefs und Löwenmäulern verzierte Kunstwerke. Bei einem dieser Helme erinnert das Augengitter an erste Tauchhelme aus dem frühen 19. Jahrhundert.

    Die Replikate aus Bronze erstrahlen hell im Licht der Lampenstrahler. Verziert sind sie mit farbigen Federn, bis zu 30 Zentimeter hoch, die den hinteren Teil der nachgemachten Helme schmücken. Mit den Federn, die beim Kämpfen hin und her wippten, trat der Gladiator in die Arena. Geschützt von seinem Helm, von Knie- und Armrüstungen: die blankpolierten Bronzerüstungen funkelten in der Sonne und blendeten die Augen der Zuschauer und vor allem den gegnerischen Kämpfer.

    "Die original getrau nachgemachten Waffen und die Rüstungen wurden von speziellen Handwerkern geschaffen, nach den Entwürfen von Archäologen, die sich seit Jahren mit solchen Rekonstruktionen beschäftigen und dafür nicht nur die antiken Originale sondern auch antike Schriften studiert haben. Zum Nachbau wurden auch Darstellungen auf Vasen und Graffiti herangezogen, nahezu allesamt aus Pompeji."

    Neben den im Kolosseum augestellten Originalfresken und Wandmalereien, die kämpfende Gladiatoren darstellen, Rüstungsgegenständen, wie Schulter- und Knieschützer, allesamt reich- und aufwendig zerziert, erfährt der Besucher Hintergründiges über die altrömische und damals recht lukrative Unterhaltungsindustrie, die das Business der Gladiatorenkämpfe betrieb. Viele der Texte geben erst das nötige Hintergrundwissen zu den ausgestellten Artefakten: Die bei den Rüstungen prominenter Gladiatoren dominierenden Farben etwa hatten wie ihre Federn eine konkrete Bedeutung: Ohne sie hätten jene Zuschauer, je höher sie im Kolosseum saßen, nicht mehr einzelne Kämpfer erkannt , sondern nur noch eine kämpfende Masse, in dem sich die Stars nur schwer auseinander halten ließen.

    Die Ausstellung in den ehemaligen Wandelhallen der Kampfarena stellt auch die "auctorati" vor. Eine besondere Gladiatorengattung, vergleichbar den in den vor allem USA beliebten Kämpfern, die in so genannten Kampfkäfigen gegeneinander antreten und so lange auf sich einschlagen, bis einer der Gegner am Boden bleibt.
    "Das waren freie römische Bürger, die nicht wie Kriegsgefangene oder Sklaven zu Gladiatoren wurden, die entweder aus Armut oder aus Wagemut ihr Leben bei diesen Kämpfen aufs Spiel setzten. Sie unterzeichneten einen Vertrag mit dem Besitzer einer Gladiatorenschule. Dabei verzichteten sie bis Vertragsende auf ihre römischen Bürgerrechte gegen die Zahlung von 2000 Sesterzen. Überlebten sie die ersten Kämpfe und erneuerten ihren Vertrag, gab es 12000 Sesterzen."