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Brücken für Bachen

Wildunfälle sind gerade in dünn besiedelten Landstrichen häufig. Der Deutsche Jagdschutzverband setzt sich für mehr Grünbrücken ein. Sie sollen den Tieren ein gefahrloses Überqueren stark befahrener Verkehrswege ermöglichen.

Von Tonia Koch | 14.06.2007
    In Deutschland werden pro Tag annähernd 100 Hektar Landschaft verbraucht. Das entspricht etwa 100 Fußballfeldern. Darauf entstehen neue Siedlungen, neue Gewerbegebiete, neue Straßen. Vor allem das Netz von Land-, Bundesstraßen und Autobahnen wird in Deutschland immer engmaschiger. Immer mehr Tieren geraten die gut ausgebauten Verkehrswege zur tödlichen Falle:

    "Man sagt, dass in Deutschland etwa 200.000 Stück Rehwild pro Jahr überfahren werden."

    Heiner Kausch ist Kreisjägermeister im Stadtverband Saarbrücken. Dazu zählt die saarländische Landeshauptstadt und die angrenzenden Gemeinden:

    "Wir haben hier im Stadtverband den Warndt als großes Waldgebiet, und da passieren relativ viele Wildunfälle. Und von der Rehwildstrecke, die wir hier haben, werden etwa 10 bis 15 Prozent auf der Straße oder auf der Bahnlinie überfahren."

    Etwa 80 von 600 Tieren werden allein im Stadtverband Saarbrücken alljährlich Opfer menschlichen Mobilitätsstrebens. Der deutsche Jagdschutzverband unterstützt daher die Forderung nach einem so genannten Bundeswildwegeplan, wie er vom Nabu, vom Naturschutzbund Deutschland konzipiert wurde. In diesem Plan hat der Nabu deutschlandweit 125 Gefahrenstellen markiert, die für Wildtiere unüberwindbare Barrieren darstellen. An diesen neuralgischen Punkten, die zumeist an bundesdeutschen Autobahnen liegen, sollten begrünte Brücken oder andere Formen von Querungshilfen geschaffen werden, damit die Tiere wieder wandern können. Denn dass sie wandern müssen, sei zum Erhalt der Art lebensnotwendig. Paul Maurer im Präsidium des deutschen Jagdverbandes zuständig für Natur- und Artenschutz:

    "Die Wissenschaft sagt uns, dass sich bei fehlendem genetischen Austausch über Generationen hinweg eine Veränderung einstellen wird. Das heißt, die Tiere werden anfälliger beispielsweise für Krankheiten, und das kann dazu führen, dass für die gesamte Population eine Gefahr entsteht."!"

    Im Saarland hat die Universität Göttingen die Wanderungsbewegungen des im nördlichen Saarland beheimateten Rotwildes unersucht. Paul Maurer:

    ""Die Studie ist zu dem Ergebnis gekommen, dass wir Wechsel haben, also Wechsel sind die Wege, die das Rotwild seit Generationen zieht. Wir könnten, wenn diese Wechsel wieder aufgenommen werden, erreichen, dass sich unser Rotwild, das hier im Saarland inselartig lebt. mit dem Rotwild des angrenzenden Rheinland-Pfalz im Hochwald, dass es sich genetisch austauscht mit anderen Populationen im nahen Frankreich."

    Aber die Wege über den Pfälzer Wald ins nahe Elsass sind durch Autobahnen versperrt. Wie die grünen Brücken über die mehrspurigen Hindernisse aussehen müssen, damit die Tiere diese auch annehmen, ist inzwischen hinreichend erforscht. Nur wenn diese nachträglich eingeschoben werden müssen, sind sie teuer. Paul Maurer:

    "Wenn sie an einer vorhandenen Straße eine neue Brücke bauen, ist das ein Millionenbauwerk, denn diese Grünbrücken müssen mindestens 30 bis 40 Meter an Breite haben. Das kostet richtig Geld, und deshalb ist es sinnvoll, dass man sich zunächst auf ein Konzept verständigt, um dann eine Sache nach der anderen zu verwirklichen."

    Frankreich oder die Niederlande könnten als Vorbilder dienen, wie großräumige Wildtierbewegungen ermöglicht werden können. Auch Österreich hat im vergangenen Jahr verfügt, dass Autobahnen mit 20 Grünbrücken nachgerüstet werden. Mindestens eine soll pro Jahr entstehen. In Deutschland fehlt bislang ein Gesamtkonzept. Die Vorschläge des Nabu für Querungshilfen würden jährlich etwa 30 Millionen Euro verschlingen. Damit könnten jeweils zehn Grünbrücken gebaut werden.