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Brückenschlag im Wellenbad

Technologie.- Bevor eine Brücke über eine Meerenge gebaut wird, werden die Modelle davon ausgiebig getestet. Der "Große Wellenkanal" am Forschungszentrum Küste in Hannover ist darauf spezialisiert. Bald rauschen die Wogen dort sogar von allen Seiten heran.

Von Michael Engel |
    "Großer Wellenkanal" im "Forschungszentrum Küste". Ein tonnenschweres Eisentor – fünf mal sieben Meter in den Abmaßen – schiebt das Wasser hin und her und macht dabei mächtige Wellen. Sogar "freak waves" – drei Meter hohe Monster – sind kein Problem. Am Ende des 300 Meter langen Kanals stehen dann die Versuchsmodelle. Momentan – so Betriebsleiter Dr. Stefan Schimmels – werden Brückenpfeiler getestet.

    "Durch den Hurrikan "Katrina" sind sehr viele Brücken zerstört worden. Und da geht es jetzt halt darum, die Kräfte abzuschätzen, die durch Wellenschlag, wenn die Welle unter so ein Bauwerk schlägt, die Bauwerke dann besser bemessen und konstruieren zu können."

    Nur leider kommen die Wellen immer nur aus einer Richtung – geradeaus geführt im Schacht des Wellenkanals. Auf dem Meer hingegen, oder in Hafenanlagen, kommen die Wellen aus verschiedenen Richtungen gleichzeitig und strömen am Bauwerk entlang. Solche komplexen Situationen ließen sich – bislang jedenfalls - kaum simulieren.

    "Wenn Sie an der Küste stehen, jeder kennt das, im Urlaub am Strand. Die Wellen laufen immer auf uns zu. Wenn Sie aber in tiefere Gewässer gehen, Hafenmauern oder Hafengelände, dort haben Sie ganz klar dreidimensionale Wellenstrukturen. Genau das kann ich in dem Wellenbecken mit dieser neuen Maschine zum ersten Mal in Deutschland, also einzigartig in Deutschland, simulieren."

    Prof. Torsten Schlurmann, der das "Forschungszentrum Küste" leitet, freut sich auf die neue 3D-Wellenmaschine. Um die Bedingungen auf dem Meer authentisch simulieren zu können, soll ein schon vorhandenes 25 mal 40 Meter großes Wellenbecken mit der 3D-Wellenmaschine nachgerüstet werden. Kostenpunkt: 2,1 Millionen Euro.

    "Die Maschine besteht aus insgesamt 80 Einzelwellenblättern, die individuell angesteuert werden können und dementsprechend dann ein Seegangsszenario generieren können und damit die Wasseroberfläche in Bewegung versetzen und zusätzlich dann in diesem Wellenbecken Wellen ausbreiten."

    Das Wellenbecken ist zwar nur einen Meter tief, und die Wellen, die nun kreuz und quer über das Becken laufen können, erreichen dabei eine maximale Höhe von nur 40 Zentimetern. Jedoch, so Prof. Torsten Schlurmann, können nun ganz neue Fragestellungen bearbeitet werden. Beispiel: Offschore-Windenergieanlagen, die wie bei "alpha ventus" auf hoher See entstehen:

    "Die Bemessungsansätze, die derzeit dort gefahren werden, basieren ausschließlich immer auf zweidimensionalen Analysen. Wir wissen aber aus vorangegangenen Untersuchungen theoretischer Natur natürlich, dass die Dreidimensionalität des Seegangs bei der Bemessung von Offshore-Windenergieanlagen eine entscheidende Rolle spielen kann. Wir vermuten nämlich, dass die Effekte, die wir im Wellenbecken später untersuchen können, deutliche Reduzierungen der bisherigen Bemessungspraxis mit sich bringen können. Da erhoffen wir uns viele neue Erkenntnisse."

    Mehr Effizienz auch im Deichbau: So lässt sich der sogenannte "schräge Wellenauflauf" – eine Besonderheit bei Sturmfluten – mit einer 3D-Wellenmaschine besser simulieren. Dadurch können die Deichanlagen je nach Ort präziser angepasst werden, statt – wie bisher - alle Deiche gleichmäßig zu erhöhen. Mehr Sicherheit – weniger Kosten. Vor allem diese Wirkung erhoffen sich die Wissenschaftler von der neuen Anlage. Ende dieses Jahres kann es mit den Versuchen losgehen.