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Brüder oder doch eher Cousins?

Biologie. - In der Evolutionsforschung gilt heute als sicher, dass der Mensch zwar nicht direkt vom Affen abstammt, doch beide Arten gemeinsame Vorfahren hatten. Um jetzt herauszufinden, welche genetischen Unterschiede und Gemeinsamkeiten das verwandtschaftliche Verhältnis bestimmen, verglichen Wissenschaftler des Max-Planck-Institutes für Evolutionsforschung die Genaktivität in unterschiedlichen Geweben, vor allem im Gehirn. Anlässlich der Jahreskonferenz des Human Genome Meeting wurden gestern in Edinburgh erste Ergebnisse vorgestellt.

    Noch vor wenigen Jahren undenkbar, doch mit modernen Chiptechnologien heute dennoch durchführbar, verglichen Leipziger Wissenschaftler in nur sechs Monaten 20.000 Gene beim Menschen mit seinem genetisch engsten Verwandten, dem Schimpansen. Um eine weitere Referenz zu erhalten, bezogen die Forscher auch den Rhesusaffen in die Versuchsreihe mit ein. Erstes Resultat der Analysen: Allein beim Menschen studierten die Biologen so rund 50 Prozent des Erbgutes, die sich überwiegend auch bei Schimpansen und Rhesusaffen wiederfinden.

    Besonderes Augenmerk legten die Evolutionsforscher auf die aktiven Gene in Blut, Leber und Gehirn, denn zwar enthält jede Zelle des Körpers den vollständigen Erbschatz, doch je nach Aufgabe des Gewebes sind nur bestimmte Gene im Einsatz und können somit besonders gut beobachtet werden. "Wie erwartet sind sich Schimpanse und Mensch in Blut- und Lebermerkmalen sehr ähnlich, während der Altweltaffe starke Abweichungen dabei aufweist", konstatiert Professor Swante Pääbo vom Max-Planck-Institut für Evolutionsforschung und Anthropologie in Leipzig. Damit spiegelten die genetischen Merkmale von Blut und Leber den gemeinsamen evolutionären Gang von Schimpanse und Mensch, während der Rhesusaffe, die Linie früh verlassen habe.

    Völlig anders sehe die Situation dagegen beim Gehirn aus, erklärt Pääbo: "Hinsichtlich der Gehirnrinde ähneln sich Schimpanse und Altweltaffe stärker, während sich besonders in der menschlichen Gehirnrinde eine beschleunigte Entwicklung auch auf genetischer Ebene nachweisen lässt." Die Genaktivitäten zeigen, dass sich das menschliche Gehirn in seiner Funktion stark verändert hat. Doch dass damit allein die größere Intelligenz beim Menschen erklärt werden kann, will Swante Pääbo nicht bestätigen: "Rund 60 Gene weisen beim Menschen eine stärkere oder schwächere Veränderung im Vergleich zum Schimpansen auf. Im nächsten Schritt untersuchen wir daher, welche Gene davon funktionell besonders bedeutsam sind." Dabei zeichne sich jedoch bereits ab, dass nicht allein die Zahl an neuen Genen eine entscheidende Rolle spiele, sondern vor allem die Regulationsmechanismen, die diese Informationen koordiniert umsetzten.

    [Quelle: Ellen Norten]