Elke Durak: Am Telefon begrüße ich jetzt Rainer Brüderle, FDP, Mitglied des Bundestages, stellvertretender Vorsitzender der Partei und der Bundestagsfraktion und wirtschafts- wie finanzpolitischer Sprecher. Guten Morgen, Herr Brüderle!
Rainer Brüderle: Guten Morgen, Frau Durak!
Durak: Der EADS-Co-Vorstandsvorsitzende und Airbus-Chef Gallois hatte gestern gesagt, es müsse eine schnelle Lösung gefunden werden, die nationale Interessen ausblende. Worauf lässt das schließen?
Brüderle: Ja gut, das Unternehmen versucht sich anzupassen. Der Konkurrent Boeing, USA, hat bei einer vergleichbaren Krise Konsequenzen gezogen und ist jetzt in Gefahr davonzulaufen gegenüber Airbus. Und die Grundproblematik bei Airbus ist von Anfang an, dass es als ein deutsch-französisches Gemeinschaftsprojekt angelegt war, mit starkem staatlichen Einfluss, gerade in Frankreich. Da tobt der Präsidentschaftswahlkampf, so dass eben politische Erwägungen die unternehmensstrategischen Erwägungen stark überlagern. In dem Dilemma befindet sich das Unternehmen. Es muss sich anpassen. Es hat große Fehler gemacht beim A380, es hat Managementfehler gemacht, es hat erhebliche Kostenmehrbelastungen. Es muss schlanker werden, es muss effizienter werden und ist gleichzeitig gelähmt durch eine politisch dominierte Eigentümerstruktur, die sie am richtigen Handeln dabei hindert. Und zwischen diesen beiden Polen versucht die Unternehmensleitung jetzt zu operieren.
Ganz offensichtlich hat die wechselseitige Blockade deutscher und französischer Interessen dazu geführt, dass man jetzt die für heute angekündigten Anpassungsmaßnahmen nicht verabschieden konnte und damit das Konzept weiter aussteht, eine Hängepartie für die Mitarbeiter ist, für die Öffentlichkeit da ist. Und solange es eben so stark ist, dass insbesondere der französische Staatseinfluss die Entscheidungen stark dominiert, wird man in diesem Grundproblem drin bleiben. Es wäre eine vernünftige Strategie, mittelfristig in Schritten dafür zu sorgen, dass Frankreich sich analog zu dem in Deutschland ja eigentlich beabsichtigten Ausstieg des Großaktionärs Daimler, ja leider ist jetzt auch wieder ein Konsortium, staatlich mitgeprägt, eingestiegen, damit man sagt, man kann gegenüber Frankreich nicht einseitig benachteiligt werden. Man müsste aus dem Grunddilemma staatlicher Einfluss auf Unternehmensentscheidungen sich verabschieden in Schritten, damit das Unternehmen wie ein normales Unternehmen auch seine Anpassungsprozesse vernünftig durchführen kann.
Durak: Ganz anders interpretiere ich den Arbeitsminister, Bundesarbeitsminister Müntefering, der im Zusammenhang mit Airbus gesagt hat, wir brauchen in Deutschland eine andere Industriepolitik, stärker auf eigene, auf nationale Interessen orientiert. Ist das also richtig oder falsch?
Brüderle: Ich halte es für falsch. Wir sind in der Vergangenheit damit gut gefahren, dass wir weniger staatliche Industriepolitik betrieben haben, sondern stärker den Marktentwicklungen die Entscheidungen überlassen haben und dezentrale Unternehmensentscheidungen geführt haben. Das hat uns auch gegenüber Frankreich in vielen Bereichen in der Vergangenheit erfolgreicher gemacht. Hier ist ein Sonderfall, wie ich angesprochen habe. Hier ist bereits der Staatseinfluss Frankreichs sehr stark drin, und da es angelegt war von Anfang an als deutsch-französisches Gemeinschaftsprojekt, kann man dann nicht, wenn ein Partner da sehr stark staatlich engagiert ist, sich einseitig völlig rausziehen, den anderen voll drin lassen. Dann ist die Gefahr groß, dass jenseits der ökonomischen Überlegung die deutschen Standorte - das haben verschiedene Untersuchungen deutlich belegt und der "Focus" etwa darüber berichtet -, sind ja ganz vorn, Hamburg und Bremen sind extrem wirtschaftlich produktiv und innovativ, die könnten dann notleiden, schlechter behandelt werden als sie bei freiem Spiel der Entscheidungen da stünden, weil Frankreich vor dem Präsidentschaftswahlkampf mit dem starken staatlichen Einfluss, sehr einseitig zu sein, Standorten zu sein, nationale Interessen hin Unternehmensentscheidungen prägt. Deshalb: Solange die Franzosen so stark staatlich eingeprägt sind in der Entscheidung drin, kann Deutschland nicht völlig auf seine Interessenswahrnehmung verzichten. Eine Strategie, beide Staatseinflüsse raus, der stärkere französische insbesondere, wäre der richtige Weg, um Airbus und EADS als Muttergesellschaft langfristig weiter zu einer Erfolgstory zu führen.
Durak: Das ist ein Fernziel sozusagen, Herr Brüderle. Nun versuchen ja deutsche Politiker sozusagen aktuell akut zu helfen. Noch vor der Entscheidung zur Verschiebung hatte zum Beispiel Niedersachsens Ministerpräsident Wulff Airbus Hilfen des Landes angeboten, damit die norddeutschen Standorte im Verbund bleiben können, nicht ausgelagert oder verkauft werden. Er meinte, auch EU-Hilfen könnten ins Auge gefasst werden, weil es sich um strukturschwache Regionen handelt. Ist das die richtige Verwendung von Steuergeldern, einem Unternehmen zu helfen, was eigentlich sanieren muss und kann?
Brüderle: Es sind zwei Aspekte dabei: Einerseits gibt es Regionalförderung in der Europäischen Union, die notifiziert, sprich genehmigt ist in Brüssel, indem man strukturschwachen Räumen Zuschüssen geben kann. Die gibt es in Deutschland, die gibt es in anderen Ländern dabei. Wenn man davon Gebrauch macht, von den europäisch abgestimmten Fördermitteln, ist das eine Standortpolitik, die durchaus legitim ist. Wenn man aber über das hinausgeht und andere Mittel versucht zu poolen, indem man Forschungsschwerpunkte staatlich finanziert, dann wird es sehr problematisch, weil man dann jenseits der ökonomischen Vernunft aus Konservierungsüberlegungen heraus und aus der schiefen Struktur bei EADS heraus staatliche Mittel verwendet, ohne damit die Effizienz und damit auch die wirtschaftliche Lösung bewerkstelligt zu haben. Es kommt sehr darauf an, was Herr Wulff damit gemeint hat. Er hat sich ja sehr unscharf ausgedrückt, deshalb kann man auch schlecht beurteilen, ob es den Richtlinien Europas entspricht oder ob er versucht, in der Grauzone etwas anzubieten. Das lässt sich derzeit schwer bewerten.
Durak: Ein letztes Wort zu Airbus, Herr Brüderle: So verfahren, wie diese Situation zu sein scheint, wäre es Zeit zu einem Spitzengespräch zwischen dem Präsidenten und der Bundeskanzlerin in dieser Sache?
Brüderle: Das wird wohl so kommen, aber es macht deutlich das Grunddilemma des Unternehmens, das hier politisch determiniert wird, politisch bestimmt wird, und nicht nach wirtschaftlichen Kriterien. Und diese Grundkonstruktionsfehler von EADS muss man in Schritten beseitigen, damit es nicht Spielball von politischen Wahlkämpfen, von Richtungsentscheidungen dabei ist, sondern als erfolgreiches Unternehmen am Markt operieren kann, wie wir das in normalen Fällen eben auch haben. Deshalb muss dieser Konstruktionsfehler beseitigt werden, damit hier nicht Interessen, die jenseits von Unternehmens- und Branchenüberlegungen stehen, die einfach rein politisch determiniert sind, die wahlkampfabhängig sind, ein Unternehmen dermaßen belasten, wie es hier geschieht. Das Grundproblem ist: Der politische Einfluss hat das Unternehmen entscheidend in die Krise geführt.
Durak: Dankeschön, das war Rainer Brüderle, stellvertretender Bundesvorsitzender der FDP und wirtschaftspolitischer Sprecher seiner Partei. Dankeschön, Herr Brüderle, für das Gespräch.
Brüderle: Danke Ihnen.
Rainer Brüderle: Guten Morgen, Frau Durak!
Durak: Der EADS-Co-Vorstandsvorsitzende und Airbus-Chef Gallois hatte gestern gesagt, es müsse eine schnelle Lösung gefunden werden, die nationale Interessen ausblende. Worauf lässt das schließen?
Brüderle: Ja gut, das Unternehmen versucht sich anzupassen. Der Konkurrent Boeing, USA, hat bei einer vergleichbaren Krise Konsequenzen gezogen und ist jetzt in Gefahr davonzulaufen gegenüber Airbus. Und die Grundproblematik bei Airbus ist von Anfang an, dass es als ein deutsch-französisches Gemeinschaftsprojekt angelegt war, mit starkem staatlichen Einfluss, gerade in Frankreich. Da tobt der Präsidentschaftswahlkampf, so dass eben politische Erwägungen die unternehmensstrategischen Erwägungen stark überlagern. In dem Dilemma befindet sich das Unternehmen. Es muss sich anpassen. Es hat große Fehler gemacht beim A380, es hat Managementfehler gemacht, es hat erhebliche Kostenmehrbelastungen. Es muss schlanker werden, es muss effizienter werden und ist gleichzeitig gelähmt durch eine politisch dominierte Eigentümerstruktur, die sie am richtigen Handeln dabei hindert. Und zwischen diesen beiden Polen versucht die Unternehmensleitung jetzt zu operieren.
Ganz offensichtlich hat die wechselseitige Blockade deutscher und französischer Interessen dazu geführt, dass man jetzt die für heute angekündigten Anpassungsmaßnahmen nicht verabschieden konnte und damit das Konzept weiter aussteht, eine Hängepartie für die Mitarbeiter ist, für die Öffentlichkeit da ist. Und solange es eben so stark ist, dass insbesondere der französische Staatseinfluss die Entscheidungen stark dominiert, wird man in diesem Grundproblem drin bleiben. Es wäre eine vernünftige Strategie, mittelfristig in Schritten dafür zu sorgen, dass Frankreich sich analog zu dem in Deutschland ja eigentlich beabsichtigten Ausstieg des Großaktionärs Daimler, ja leider ist jetzt auch wieder ein Konsortium, staatlich mitgeprägt, eingestiegen, damit man sagt, man kann gegenüber Frankreich nicht einseitig benachteiligt werden. Man müsste aus dem Grunddilemma staatlicher Einfluss auf Unternehmensentscheidungen sich verabschieden in Schritten, damit das Unternehmen wie ein normales Unternehmen auch seine Anpassungsprozesse vernünftig durchführen kann.
Durak: Ganz anders interpretiere ich den Arbeitsminister, Bundesarbeitsminister Müntefering, der im Zusammenhang mit Airbus gesagt hat, wir brauchen in Deutschland eine andere Industriepolitik, stärker auf eigene, auf nationale Interessen orientiert. Ist das also richtig oder falsch?
Brüderle: Ich halte es für falsch. Wir sind in der Vergangenheit damit gut gefahren, dass wir weniger staatliche Industriepolitik betrieben haben, sondern stärker den Marktentwicklungen die Entscheidungen überlassen haben und dezentrale Unternehmensentscheidungen geführt haben. Das hat uns auch gegenüber Frankreich in vielen Bereichen in der Vergangenheit erfolgreicher gemacht. Hier ist ein Sonderfall, wie ich angesprochen habe. Hier ist bereits der Staatseinfluss Frankreichs sehr stark drin, und da es angelegt war von Anfang an als deutsch-französisches Gemeinschaftsprojekt, kann man dann nicht, wenn ein Partner da sehr stark staatlich engagiert ist, sich einseitig völlig rausziehen, den anderen voll drin lassen. Dann ist die Gefahr groß, dass jenseits der ökonomischen Überlegung die deutschen Standorte - das haben verschiedene Untersuchungen deutlich belegt und der "Focus" etwa darüber berichtet -, sind ja ganz vorn, Hamburg und Bremen sind extrem wirtschaftlich produktiv und innovativ, die könnten dann notleiden, schlechter behandelt werden als sie bei freiem Spiel der Entscheidungen da stünden, weil Frankreich vor dem Präsidentschaftswahlkampf mit dem starken staatlichen Einfluss, sehr einseitig zu sein, Standorten zu sein, nationale Interessen hin Unternehmensentscheidungen prägt. Deshalb: Solange die Franzosen so stark staatlich eingeprägt sind in der Entscheidung drin, kann Deutschland nicht völlig auf seine Interessenswahrnehmung verzichten. Eine Strategie, beide Staatseinflüsse raus, der stärkere französische insbesondere, wäre der richtige Weg, um Airbus und EADS als Muttergesellschaft langfristig weiter zu einer Erfolgstory zu führen.
Durak: Das ist ein Fernziel sozusagen, Herr Brüderle. Nun versuchen ja deutsche Politiker sozusagen aktuell akut zu helfen. Noch vor der Entscheidung zur Verschiebung hatte zum Beispiel Niedersachsens Ministerpräsident Wulff Airbus Hilfen des Landes angeboten, damit die norddeutschen Standorte im Verbund bleiben können, nicht ausgelagert oder verkauft werden. Er meinte, auch EU-Hilfen könnten ins Auge gefasst werden, weil es sich um strukturschwache Regionen handelt. Ist das die richtige Verwendung von Steuergeldern, einem Unternehmen zu helfen, was eigentlich sanieren muss und kann?
Brüderle: Es sind zwei Aspekte dabei: Einerseits gibt es Regionalförderung in der Europäischen Union, die notifiziert, sprich genehmigt ist in Brüssel, indem man strukturschwachen Räumen Zuschüssen geben kann. Die gibt es in Deutschland, die gibt es in anderen Ländern dabei. Wenn man davon Gebrauch macht, von den europäisch abgestimmten Fördermitteln, ist das eine Standortpolitik, die durchaus legitim ist. Wenn man aber über das hinausgeht und andere Mittel versucht zu poolen, indem man Forschungsschwerpunkte staatlich finanziert, dann wird es sehr problematisch, weil man dann jenseits der ökonomischen Vernunft aus Konservierungsüberlegungen heraus und aus der schiefen Struktur bei EADS heraus staatliche Mittel verwendet, ohne damit die Effizienz und damit auch die wirtschaftliche Lösung bewerkstelligt zu haben. Es kommt sehr darauf an, was Herr Wulff damit gemeint hat. Er hat sich ja sehr unscharf ausgedrückt, deshalb kann man auch schlecht beurteilen, ob es den Richtlinien Europas entspricht oder ob er versucht, in der Grauzone etwas anzubieten. Das lässt sich derzeit schwer bewerten.
Durak: Ein letztes Wort zu Airbus, Herr Brüderle: So verfahren, wie diese Situation zu sein scheint, wäre es Zeit zu einem Spitzengespräch zwischen dem Präsidenten und der Bundeskanzlerin in dieser Sache?
Brüderle: Das wird wohl so kommen, aber es macht deutlich das Grunddilemma des Unternehmens, das hier politisch determiniert wird, politisch bestimmt wird, und nicht nach wirtschaftlichen Kriterien. Und diese Grundkonstruktionsfehler von EADS muss man in Schritten beseitigen, damit es nicht Spielball von politischen Wahlkämpfen, von Richtungsentscheidungen dabei ist, sondern als erfolgreiches Unternehmen am Markt operieren kann, wie wir das in normalen Fällen eben auch haben. Deshalb muss dieser Konstruktionsfehler beseitigt werden, damit hier nicht Interessen, die jenseits von Unternehmens- und Branchenüberlegungen stehen, die einfach rein politisch determiniert sind, die wahlkampfabhängig sind, ein Unternehmen dermaßen belasten, wie es hier geschieht. Das Grundproblem ist: Der politische Einfluss hat das Unternehmen entscheidend in die Krise geführt.
Durak: Dankeschön, das war Rainer Brüderle, stellvertretender Bundesvorsitzender der FDP und wirtschaftspolitischer Sprecher seiner Partei. Dankeschön, Herr Brüderle, für das Gespräch.
Brüderle: Danke Ihnen.