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Brüssel gegen das deutsche Gentechnik-Gesetz

Ein Ökobauer und seine konventionell wirtschaftenden Kollegen haben benachbarte Felder. Wie schützt der Ökobauer seine Äcker, wenn einer dieser Kollegen gentechnisch veränderte Pflanzen anbaut? Mit Sicherheitsabstand? Oder mit höheren Grenzwerten für Lebensmittel? Und wer haftet, falls mal etwas schief geht? Fragen wie diese hat das Verbraucherschutzministerium in seinem Entwurf für ein neues Gentechnikgesetz beantwortet. Allerdings nicht zur Zufriedenheit der Europäischen Kommission in Brüssel. Die hat gerade überprüft, ob der deutsche Entwurf mit EU-Recht vereinbar ist. Ist er nicht, finden die Brüsseler Beamten und kritisieren gerade die zentralen Regelungen zur Koexistenz und Haftung. Im Oktober soll das neue Gesetz in Kraft treten.

Autor: Michael Schlag |
    Kaum ein gutes Haar lässt die EU-Kommission in ihrer zehnseitigen Stellungnahme am neuen deutschen Gentechnikrecht. Ob Entschädigung für ausgekreuzte Gen-Pollen, Abstandsregeln für Gen-Äcker und Festsetzen eines niedrigeren Schwellenwertes in Lebensmitteln - fast alle neu eingeführten Bestimmungen verstoßen nach Auffassung der EU-Kommission gegen das europäische Gemeinschaftsrecht.

    Die Kritik beginnt mit den Vorsorgemaßnahmen im Ackerbau, wie Barrieren und Mindestabständen zu Nachbarfeldern, um Einträge von Gen-Pollen in andere Äcker zu unterbinden. Warum wird das grundsätzlich beim Anbau von Gen-Saaten verlangt, so fragt die EU-Kommission - man könne sich doch auch vorstellen, dass in einer Region alle Bauern Genpflanzen anbauen und niemand den anderen stört - also müsse man hier auch niemanden verpflichten, Abstände einzuhalten. Das Gesetz solle nur dann einen Schutz verlangen, wenn tatsächlich Bedarf besteht.

    Auch dem Vorhaben der Bundesregierung, etwa zum Schutz von Biobauern, einen niedrigeren Schwellenwert für die Einstufung als "gentechnikfrei" einzuführen, erteilt die Kommission eine Absage. In der EU gilt 0,9 Prozent, festgehalten in einer EU-Verordnung, die unmittelbar in allen Ländern gilt; kein Mitgliedsstaat dürfe sich darüber hinwegsetzen und eigene Werte aufstellen.

    Die EU-Kommission spricht in ihrer ausführlichen Stellungnahme klar von "Unvereinbarkeiten" zwischen dem deutschen Gesetz und den europäischen Verordnungen. Der Pressesprecher des Verbraucherministeriums, Andreas Schulz, gibt sich darüber gelassen. Die Kommission habe nur deshalb ungewöhnlich viele Fragen, weil Deutschland, neben Dänemark, als erstes Land seine Vorstellung von Koexistenz in Brüssel präsentiert habe.


    Das EU-Recht überlasse es aber den Mitgliedstaaten, wie sie die Koexistenz von Gen-Bauern und konventionellen organisieren und die Haftung für Schäden sei ohnehin nationales Recht.
    Gerade an der deutschen Haftungsregel stört sich die EU-Kommission aber ganz besonders, denn hier werde die gesamte Last der Koexistenz dem Gen-Bauern auferlegt. Vor allem eine Regel könne so nicht stehen bleiben: dass etwa ein Biobauer alle seine Nachbarn mit Gen-Äckern zu Schadensersatz verpflichten kann, falls er in seinen Produkten gentechnisch verändertes Erbgut findet, aber nicht nachzuweisen ist, von wem genau es kam. "Nicht akzeptabel", befindet die EU-Kommission. Denn diese Haftungsregel führe zu einem unkalkulierbaren Risiko für Landwirte, die Gen-Saaten verwenden - selbst dann, wenn sie alle Regeln der so genannten "Guten fachlichen Praxis" eingehalten haben. Und das verstößt erneut gegen europäisches Recht, denn die Mitgliedsstaaten dürfen den Anbau von in der EU zugelassenen Gen-Sorten nicht "verbieten, einschränken oder behindern".

    Andreas Schulz vom Verbraucherministerium betont dagegen, der Brief aus Brüssel sei ein ganz normaler Vorgang, das Gentechnikgesetz stehe deswegen jedenfalls nicht in Frage. "Das wird jetzt beantwortet und fertig," so der Pressesprecher, und das Gesetz werde dann wie geplant Mitte Oktober unverändert in Kraft treten. Für diesen Fall allerdings droht die EU-Kommission bereits mit einem Mahnschreiben wegen Verletzung des EG-Vertrages.