Sie glauben, Brüssel sei ein Moloch? Ein gigantischer Verwaltungsapparat, in dem faule und überbezahlte Beamte sitzen und sich Gedanken über den Krümmungsgrad der Salatgurke machen? (...) Dann geht dieses Buch Sie etwas an.
Die Journalistin Jeanne Rubner will den Leser dort abholen, wo sie ihn vermutet: Bei den üblichen Vorurteilen. Brüssel, das sei eben für viele Menschen ein schwarzes Loch, in dem Geld und Anstand verschwinden, schreibt Rubner. Die Autorin teilt diese Ansicht nicht, wie sie betont.
Dieses Buch wird vermutlich manch lieb gewonnenen Vorurteile nicht bestätigen.
Es ist also ein grundsätzlich wohlwollendes Buch, das sich die Politik-Redakteurin der Süddeutschen Zeitung vorgenommen hat. Wir brauchen die Europäische Union, meint die Autorin, aber wir brauchen ein Europa, das glaubwürdig ist.
Brüsseler Beamte sind mit Sicherheit nicht korrupter als die anderer Verwaltungen. Trotzdem muss die Europäische Kommission besonders transparent wirtschaften, transparenter als Regierungen oder Behörden von Mitgliedstaaten, damit sie das Vertrauen zurückgewinnt.
Doch was die Autorin auch unter die Lupe nimmt, überall findet sie Korruption, Verschwendung und falsch gesetzte Prioritäten.
Muss Europa tatsächlich den Anbau von Rotwein in Spanien und Italien subventionieren und dann ein zweites Mal Beihilfen zahlen, damit dieser Rotwein zu Alkohol destilliert wird, weil in Europa zu viel Wein auf den Markt kommt? Braucht Portugal in seinen dünn besiedelten Landstrichen vierspurige Autobahnen?
Warum das so gekommen ist, darüber erfährt man so gut wie nichts, auch nicht über das komplizierte Zusammenspiel der 27 Länder oder über die Reformen, mit denen sich die EU seit Jahrzehnten herumschlägt. Jeanne Rubner geht von einem Europa aus, wie man es heute auf dem Reißbrett entwerfen würde. Die EU investiere in die falschen Projekte, kritisiert die promovierte Biophysikerin. Statt auf Forschung zu setzen, subventioniere die EU Kuhställe und sinnlose Regionalvorhaben wie beispielsweise eine Skipiste auf der Ostseeinsel Bornholm. Immerhin präsentiert Jeanne Rubner die Haupt-Verantwortlichen der Misere: Die Regierungen der Mitgliedsländer sind schuld, weil ihnen nationale Interessen wichtiger sind als das europäische Gesamtwohl.
Denn wenn es ums Geld geht, sind nationale Politiker nicht zimperlich. Da mögen sie noch so sehr auf Brüssel schimpfen, die Taschen halten sie trotzdem auf.
Beispiel Edmund Stoiber: Als bayerischer Ministerpräsident geißelte er die Verschwendungssucht der EU und sorgte gleichzeitig dafür, dass die Stadt Passau für die Neugestaltung des Klostergartens zwei Millionen Euro aus Brüssel bekam. Europas Politiker ergehen sich in Lippenbekenntnissen, resümiert Jeanne Rubner.
Wenn es konkret wird, vergessen sie das Allgemeinwohl. Solange die EU von Krämerseelen regiert wird, fehlt ihr das Zeug zur Weltmacht.
Selbst bei der Betrugsbekämpfung stehen sich die europäischen Regierungen selbst im Weg. 80 Prozent aller EU-Mittel werden von den Mitgliedsstaaten verteilt. Ob Prämien für Mutterkühe oder EU-Beihilfen für Verkehrsprojekte, die finanzielle Kontrolle liegt in den Händen der nationalen Behörden. Aber die schauen oft absichtlich weg. Gibt ein Bauer zuviele Olivenbäume an, dann streicht er Geld ein, das aus Brüssel kommt - und in der nationalen Wirtschaft landet. Manche Regierungen sehen das nicht ungern.
Dabei räumt Jeanne Rubner mit dem Vorurteil auf, dass eine bessere Kontrolle an den üblichen Verdächtigen aus dem Mittelmeerraum scheitert. Auch der deutsche Finanzminister Peer Steinbrück sperre sich gegen die Zusammenarbeit mit europäischen Prüfbehörden. Rubner zitiert aus dem Bericht des Europäischen Rechnungshofes von 2006, wonach deutsche Finanzämter sich mit der Amtshilfe besonders viel Zeit ließen.
Der Vorwurf trifft vor allem die deutschen Behörden hart, die nach Meinung des Hofes die Verfolgung von Delikten regelrecht verschleppten.
Wer wissen will, was alles schief läuft in der Europäischen Union, der bekommt von Jeanne Rubner einen guten und gut lesbaren Überblick geliefert. Auch die Thesen sind grundsätzlich richtig: dass die Hauptschuld für Betrug und Verschwendung bei den Regierungen der Mitgliedsstaaten liegt. Nur sie könnten die systemischen Schwächen der EU beheben - wenn sie denn wollten.
Doch Jeanne Rubner zitiert sehr viel aus offiziellen Berichten, etwa des Europäischen Rechnungshofes oder der Anti-Betrugsbehörde Olaf. Die meisten Beispiele für Betrug und Verschwendung hat man deshalb schon mal irgendwo gelesen. Dass es immer dieselben Fälle sind, die da seit Jahren herumgereicht werden, das läßt vermuten, dass es vielleicht gar nicht so viele gibt. Die Prüfberichte von Rechnungshof und Olaf erwähnen zudem nur die falsch verwendeten Mittel, erfolgreiche Projekte der europäischen Strukturhilfe kommen dort nicht vor. Solche positiven Beispiele tauchen auch in Rubners Buch nur in Nebensätzen auf. Etwa, um eine gebührende Fallhöhe für die allgemeine Mißwirtschaft herzustellen.
Viele Regionen Europas sind trotz milliardenschwerer Unterstützung durch Brüssel arm geblieben, die Subventionen sind größtenteils verpufft. Wo allerdings in die Ausbildung von Menschen investiert wird statt in Beton, geht es voran - wie das Beispiel Irlands zeigt, das die üppigen Regionalmittel eben nicht in den Straßenbau, sondern in seine Schulen und Universitäten gesteckt hat.
Da wüsste man gerne mehr, zumal sich daraus lernen ließe, was die Europäische Union besser machen könnte. Stattdessen bietet Jeanne Rubner nur allgemeine Reformvorschläge. Die Europäische Union solle die Agrarhilfen und die Strukturmittel drastisch eindampfen und dafür eine Art Europäischen Länder-Finanzausgleich einführen. Reiche Länder wie Deutschland bekämen nach diesem Modell keine Beihilfen mehr aus Brüssel, würden aber auch weniger zahlen.
Viele Experten sind auch dafür, den EU-Haushalt ganz anders zu alimentieren. Eine eigene Steuer könnte die Kommission unabhängiger von den Mitgliedsstaaten machen. Die Abgabe, die entweder auf Tabak, Alkohol oder die eingenommene Mehrwertsteuer erhoben würde, könnte direkt in die Brüsseler Kasse fließen.
Ob die Europäische Union beliebter wird, wenn sie sich über die Bier- und Zigarettensteuer finanziert, ist fraglich, um es vorsichtig zu sagen.
Solche Radikal-Vorschläge blenden zudem die politische Realität aus. Auch in Deutschland sind bislang alle Versuche gescheitert, das Verhältnis von Bund und Ländern grundlegend neu zu ordnen. Wer die Europäische Union reformieren will, sollte sich besser auf kleine Schritte einstellen. Vor allem sollte er sich erkundigen, was die anderen Regierungen wollen. Deutschland ist in der EU nur eines von 27 Ländern. In Frankreich, Tschechien und Irland hat man andere Vorstellungen, wie eine Reform der EU-Finanzen aussehen sollte.
Jeanne Rubners "Brüsseler Spritzen" ist ein faktenreiches Buch, das sich locker liest und einen guten Überblick verschafft. Es hört nur leider dort auf, wo es spannend werden könnte.
Das Buch von Jeanne Rubner "Brüsseler Spritzen, Korruption, Lobbyismus und die Finanzen der EU" ist in der Beck´schen Reihe erschienen, 191 Seiten für 12,95 Euro.
Die Journalistin Jeanne Rubner will den Leser dort abholen, wo sie ihn vermutet: Bei den üblichen Vorurteilen. Brüssel, das sei eben für viele Menschen ein schwarzes Loch, in dem Geld und Anstand verschwinden, schreibt Rubner. Die Autorin teilt diese Ansicht nicht, wie sie betont.
Dieses Buch wird vermutlich manch lieb gewonnenen Vorurteile nicht bestätigen.
Es ist also ein grundsätzlich wohlwollendes Buch, das sich die Politik-Redakteurin der Süddeutschen Zeitung vorgenommen hat. Wir brauchen die Europäische Union, meint die Autorin, aber wir brauchen ein Europa, das glaubwürdig ist.
Brüsseler Beamte sind mit Sicherheit nicht korrupter als die anderer Verwaltungen. Trotzdem muss die Europäische Kommission besonders transparent wirtschaften, transparenter als Regierungen oder Behörden von Mitgliedstaaten, damit sie das Vertrauen zurückgewinnt.
Doch was die Autorin auch unter die Lupe nimmt, überall findet sie Korruption, Verschwendung und falsch gesetzte Prioritäten.
Muss Europa tatsächlich den Anbau von Rotwein in Spanien und Italien subventionieren und dann ein zweites Mal Beihilfen zahlen, damit dieser Rotwein zu Alkohol destilliert wird, weil in Europa zu viel Wein auf den Markt kommt? Braucht Portugal in seinen dünn besiedelten Landstrichen vierspurige Autobahnen?
Warum das so gekommen ist, darüber erfährt man so gut wie nichts, auch nicht über das komplizierte Zusammenspiel der 27 Länder oder über die Reformen, mit denen sich die EU seit Jahrzehnten herumschlägt. Jeanne Rubner geht von einem Europa aus, wie man es heute auf dem Reißbrett entwerfen würde. Die EU investiere in die falschen Projekte, kritisiert die promovierte Biophysikerin. Statt auf Forschung zu setzen, subventioniere die EU Kuhställe und sinnlose Regionalvorhaben wie beispielsweise eine Skipiste auf der Ostseeinsel Bornholm. Immerhin präsentiert Jeanne Rubner die Haupt-Verantwortlichen der Misere: Die Regierungen der Mitgliedsländer sind schuld, weil ihnen nationale Interessen wichtiger sind als das europäische Gesamtwohl.
Denn wenn es ums Geld geht, sind nationale Politiker nicht zimperlich. Da mögen sie noch so sehr auf Brüssel schimpfen, die Taschen halten sie trotzdem auf.
Beispiel Edmund Stoiber: Als bayerischer Ministerpräsident geißelte er die Verschwendungssucht der EU und sorgte gleichzeitig dafür, dass die Stadt Passau für die Neugestaltung des Klostergartens zwei Millionen Euro aus Brüssel bekam. Europas Politiker ergehen sich in Lippenbekenntnissen, resümiert Jeanne Rubner.
Wenn es konkret wird, vergessen sie das Allgemeinwohl. Solange die EU von Krämerseelen regiert wird, fehlt ihr das Zeug zur Weltmacht.
Selbst bei der Betrugsbekämpfung stehen sich die europäischen Regierungen selbst im Weg. 80 Prozent aller EU-Mittel werden von den Mitgliedsstaaten verteilt. Ob Prämien für Mutterkühe oder EU-Beihilfen für Verkehrsprojekte, die finanzielle Kontrolle liegt in den Händen der nationalen Behörden. Aber die schauen oft absichtlich weg. Gibt ein Bauer zuviele Olivenbäume an, dann streicht er Geld ein, das aus Brüssel kommt - und in der nationalen Wirtschaft landet. Manche Regierungen sehen das nicht ungern.
Dabei räumt Jeanne Rubner mit dem Vorurteil auf, dass eine bessere Kontrolle an den üblichen Verdächtigen aus dem Mittelmeerraum scheitert. Auch der deutsche Finanzminister Peer Steinbrück sperre sich gegen die Zusammenarbeit mit europäischen Prüfbehörden. Rubner zitiert aus dem Bericht des Europäischen Rechnungshofes von 2006, wonach deutsche Finanzämter sich mit der Amtshilfe besonders viel Zeit ließen.
Der Vorwurf trifft vor allem die deutschen Behörden hart, die nach Meinung des Hofes die Verfolgung von Delikten regelrecht verschleppten.
Wer wissen will, was alles schief läuft in der Europäischen Union, der bekommt von Jeanne Rubner einen guten und gut lesbaren Überblick geliefert. Auch die Thesen sind grundsätzlich richtig: dass die Hauptschuld für Betrug und Verschwendung bei den Regierungen der Mitgliedsstaaten liegt. Nur sie könnten die systemischen Schwächen der EU beheben - wenn sie denn wollten.
Doch Jeanne Rubner zitiert sehr viel aus offiziellen Berichten, etwa des Europäischen Rechnungshofes oder der Anti-Betrugsbehörde Olaf. Die meisten Beispiele für Betrug und Verschwendung hat man deshalb schon mal irgendwo gelesen. Dass es immer dieselben Fälle sind, die da seit Jahren herumgereicht werden, das läßt vermuten, dass es vielleicht gar nicht so viele gibt. Die Prüfberichte von Rechnungshof und Olaf erwähnen zudem nur die falsch verwendeten Mittel, erfolgreiche Projekte der europäischen Strukturhilfe kommen dort nicht vor. Solche positiven Beispiele tauchen auch in Rubners Buch nur in Nebensätzen auf. Etwa, um eine gebührende Fallhöhe für die allgemeine Mißwirtschaft herzustellen.
Viele Regionen Europas sind trotz milliardenschwerer Unterstützung durch Brüssel arm geblieben, die Subventionen sind größtenteils verpufft. Wo allerdings in die Ausbildung von Menschen investiert wird statt in Beton, geht es voran - wie das Beispiel Irlands zeigt, das die üppigen Regionalmittel eben nicht in den Straßenbau, sondern in seine Schulen und Universitäten gesteckt hat.
Da wüsste man gerne mehr, zumal sich daraus lernen ließe, was die Europäische Union besser machen könnte. Stattdessen bietet Jeanne Rubner nur allgemeine Reformvorschläge. Die Europäische Union solle die Agrarhilfen und die Strukturmittel drastisch eindampfen und dafür eine Art Europäischen Länder-Finanzausgleich einführen. Reiche Länder wie Deutschland bekämen nach diesem Modell keine Beihilfen mehr aus Brüssel, würden aber auch weniger zahlen.
Viele Experten sind auch dafür, den EU-Haushalt ganz anders zu alimentieren. Eine eigene Steuer könnte die Kommission unabhängiger von den Mitgliedsstaaten machen. Die Abgabe, die entweder auf Tabak, Alkohol oder die eingenommene Mehrwertsteuer erhoben würde, könnte direkt in die Brüsseler Kasse fließen.
Ob die Europäische Union beliebter wird, wenn sie sich über die Bier- und Zigarettensteuer finanziert, ist fraglich, um es vorsichtig zu sagen.
Solche Radikal-Vorschläge blenden zudem die politische Realität aus. Auch in Deutschland sind bislang alle Versuche gescheitert, das Verhältnis von Bund und Ländern grundlegend neu zu ordnen. Wer die Europäische Union reformieren will, sollte sich besser auf kleine Schritte einstellen. Vor allem sollte er sich erkundigen, was die anderen Regierungen wollen. Deutschland ist in der EU nur eines von 27 Ländern. In Frankreich, Tschechien und Irland hat man andere Vorstellungen, wie eine Reform der EU-Finanzen aussehen sollte.
Jeanne Rubners "Brüsseler Spritzen" ist ein faktenreiches Buch, das sich locker liest und einen guten Überblick verschafft. Es hört nur leider dort auf, wo es spannend werden könnte.
Das Buch von Jeanne Rubner "Brüsseler Spritzen, Korruption, Lobbyismus und die Finanzen der EU" ist in der Beck´schen Reihe erschienen, 191 Seiten für 12,95 Euro.