Frage: Herr Hennerkes, Hayeks Satz ist Theorie, wie sieht die Praxis in Deutschland aus? Wie würden Sie die volkswirtschaftliche Dimension der Familienunternehmen beschreiben?
Prof. Hennerkes: "Für unsere Volkswirtschaft sind die Familien nicht nur das Rückgrat, sondern sie sind auch - was die Innovation, was die Arbeitsplatzsituation oder Arbeitsplatzbeschaffung betrifft - führend, wenn man bedenkt, daß die 30 DAX-Unternehmen insgesamt in Deutschland nur 1,8 Millionen Arbeitnehmer beschäftigen, bei einer Quote von 50 Prozent Auslandsbeschäftigten, also 1,8 Millionen im Inland und nochmal 1,8 Millionen im Ausland. Wenn man diese Zahl mit Familienunternehmen vergleicht, dann ist die Arbeitsplatzsituation in Familienunternehmen ein Vielfaches höher."
Frage: Und warum sind dann diese Unternehmen in der Krise? Oder anders gefragt: Was sind denn heute die existentiellen Herausforderungen von Familienunternehmen?
Prof. Hennerkes: "Ich glaube, dass die zweite Frage nach den existentiellen Herausforderungen die Sache besser trifft. Krise entsteht nur dann, wenn diesen Herausforderungen nicht wirksam begegnet wird. Ich glaube, es sind vier Dinge, die für die Familienunternehmen eine große Rolle spielen. Erstens fehlt ihnen die politische Lobby. Die werden nicht so beachtet wie die großen DAX-Unternehmen. Zweitens fehlt den Familienunternehmen die moralische Achse, die bisher zu den Großkonzernen bestand und die jetzt infrage gestellt wird, weil in den Großkonzernen Management-Bezüge und Abfindungen bezahlt werden, die das Familienunternehmen nicht kennt. Unter dieser Entwicklung leidet das Familienunternehmen auch in der öffentlichen Akzeptanz, und kein Unternehmen kann ohne öffentliche Akzeptanz letztlich am Markt erfolgreich sein. Die dritte Herausforderung - da mache ich mir zwar am wenigsten Sorgen, aber die besteht auch - das ist die Herausforderung vom Markt her, sprich: Globalisierung, die neue Technik, die Logistik und die Datenübertragung revolutioniert, aber auch ‚Basel 2’, also die Finanzierung. Der vierte Punkt, der wenig erkannt ist und der meiner Meinung nach die entscheidende Rolle spielt, das ist der Wertewandel. Und der betrifft eben auch die Familie. Ähnlich wie die Familien in unserer gesamten Republik sind die Familienunternehmen natürlich auch nicht verschont geblieben von dem, was auf sie zukommt. Es gibt mehr Scheidungen als früher, und die Junioren haben heute eine andere Wertvorstellung. Keine schlechtere, eine andere Wertvorstellung als die Senioren. Anstelle von Pflichterfüllung steht heute oft auch Freude, anstelle von Pünktlichkeit steht Kreativität, anstelle von klaren Vorgaben steht Entfaltungsfreiheit - und das sind Dinge, die im Unternehmen durchaus eine große Rolle spielen. Bloß: Das Unternehmen muss sich auf diesen Wertewandel einstellen, und das ist zum großen Teil noch nicht geschehen.
Frage: Solche Krisen oder Wandelzeiten ergeben sich ja auch nicht schicksalhaft. Wo sehen Sie denn das eigene Versagen von Familienunternehmen?
Prof. Hennerkes: "Ich sehe das Versagen eigentlich mehr in den beiden ersten Aspekten. Sie haben sich keine Lobby in der Politik geschaffen, weil sie im Tagesgeschäft aufgegangen sind und haben den Stellenwert der Präsenz in der Politik nicht gesehen. Und der zweite Aspekt ist der, dass sie zu wenig ihre Werte betont haben, gerade im Verhältnis zu den Skandalen, die wir jetzt gesehen haben, die den Großunternehmen zu schaffen machen. Die Familienunternehmen sind ja stärker regional eingebunden, haben eine engere Beziehung zu Menschen. Wenn es im griechischen heißt: ‚Der Mensch ist das Maß aller Dinge’, dann gilt das für ein Familienunternehmen sehr viel stärker als für einen anonymen Konzern, nicht weil dort unbedingt die besseren Menschen sind, sondern weil der Konzern natürlich börsenwert getrieben ist und jede Möglichkeit wahrnehmen muss, um seine Ertragskraft zu verbessern."
Frage: In Ihrem Buch schreiben Sie, die Finanzierung des Familienunternehmens sei die Achillesferse. Ist das eine deutsche Besonderheit? Welche Lösungen bieten Sie an?
Prof. Hennerkes: "Zunächst mal zur Ist-Situation. Durch ‚Basel 2’ haben wir jetzt ein ganz klares ‚rating’, das für die Familienunternehmen - insbesondere für die kleineren - problematisch ist. Diese Situation ist keine allgemeine europäische Lösung, sondern die deutschen Banken haben sich in eine Strukturkrise begeben. Sie haben sich strategisch nicht richtig orientiert. Das Kreditgeschäft, dass beispielsweise bei großen amerikanischen Banken sehr, sehr ertragsstark war, hat in Deutschland den Banken nur Verluste gebracht, weil sie sich nicht richtig darauf eingestellt haben. Und hier kommt jetzt leider nicht nur eine Anhebung der Marge im Kreditbereich, sondern auch die Situation, dass die Banken sehr, sehr wenig und sehr ungerne Kredite geben, weil sie das Risiko befürchten. Um eine Zahl zu nennen: Wir hatten eine Ausfallquote vor zwei Jahren in Höhe von ein Prozent der gesamten Kreditvolumina, und das entspricht genau der Marge, die man im Kreditgeschäft erzielen kann."
Frage: Ein Kapitel widmen Sie der Führung und Beratung. Was sind denn die wichtigsten Berater des Familienunternehmens?
Prof. Hennerkes: "Also, ich möchte es mal vielleicht nicht nach Berufsgruppen einordnen. Da würde ich sagen, was Berufsgruppen betrifft, sind immer noch die Steuerberater und Wirtschaftsprüfer auf der einen Seite und Wirtschaftsanwälte in der Zahl überlegen. Aber Familienunternehmer brauchen in einer Zeit, in der alles spezifischer und schwieriger wird,
ein Gremium, in dem sie nicht nur Fachkompetenz an Beratung vorfinden, sondern auch menschliche und persönliche Unterstützung bekommen, und da sind viele Unternehmer dazu übergegangen, Beiräte zu gründen, in denen drei oder fünf Personen sind, die auch dem Unternehmer widersprechen, die dem Unternehmer strategische Positionen auf- zeigen - und das ist sicherlich der Berater der Zukunft."
Frage: Weil er Werte vermittelt?
Prof. Hennerkes: "Nicht, weil er Werte vermittelt, aber weil er auf den Werten des Unternehmers basiert und aus dem Selbstverständnis des Familienunternehmers heraus die neuen Wege beschreitet. Und das ist beispielsweise auch die Heranführung von jungen Menschen an das Unternehmen. Wir haben ja unsere Diskussionen hier über den Altersaufbau in der Bundesrepublik. Das gilt für Familienunternehmen noch viel, viel stärker. Das Familienunternehmen lebt vom Menschen und natürlich auch vom jungen Menschen, der an das Unternehmen herangeführt werden muss."
Frage: Das führt mich zu der Frage: In dem eingangs genannten grundlegendem Satz von Hayek ist ja noch keine Verknüpfung zwischen Unternehmen oder Privateigentum und Familie ausgedrückt. Aber in Familienunternehmen ist sie zur Wirklichkeit geworden und herangewachsen. Was ist denn nun wichtiger: das Privateigentum - also das Sachkapital, oder die Familie - also das Humankapital?
Prof. Hennerkes: "Also, ich würde ganz eindeutig sagen: Das Humankapital ist wichtiger, aber nicht nur bezogen auf die konkrete Familie, auf den engen Personenbereich der Familie, sondern die Familie führt zu einer Motivation und zu einer Unternehmenskultur, wie wir sie eigentlich in den Konzernen in dieser Stärke nicht kennen, und da möchte ich mal betriebswirtschaftlich argumentieren: Wenn sie heute ein Produktionsunternehmen haben, das 40 bis 60 Prozent der G + V-Summe für Löhne und Gehälter zahlt, dann wird in einer Familie oft sehr viel mehr Leistung, aber auch menschenfreundlichere Leistung herausgeholt. Also, es hat auch eine betriebswirtschaftliche Komponente."
Frage: Das Lästermaul Karl Kraus hat einmal gesagt, das Wort Familienbande habe einen Beigeschmack von Wahrheit. Ist die Familie nun Stütze oder Last für ein Unternehmen?
Prof. Hennerkes: "Also ganz eindeutig ist die Familie Stütze des Unternehmens. Es gibt Einzelfälle, wo die Familie auch zur Last werden kann - dann, wenn sie in sich zerstritten ist. Dann hat die Familie schon einen Fehler gemacht. Dann hat sie keinen Wertekonsens in sich geschaffen. In den meisten Familienunternehmen ist das anders. Da wird schon von früher Jugend an an eine Nachfolgegeneration - durch Familientage etc. - dafür Sorge getragen, dass hier der gleiche Geist entsteht. Das ist das, was das Familienunternehmen auch trägt."
Frage: Noch ein Wort zum Wandel der sozialen Strukturen. Sie haben es eingangs schon einmal erwähnt. Er betrifft ja auch und gerade die Institution Familie, so daß die Politik sich schon scheut, eine bündige Definition zu finden. Für manche ist Familie ja schon da, wo ein Kühlschrank steht. Wie schlägt denn dieser Wandel auf die Familienunternehmen durch, zum Beispiel in der Nachwuchsproblematik?
Prof. Hennerkes: "Dieser Wandel, der schlägt durchaus auf die Familienunternehmen durch. Die junge Generation fühlt sich nicht mehr so sehr als Glied einer Kette, wie das früher mal der Fall war. Das heißt, dass dieser Gedanke, dem Unternehmen dienen zu wollen, der oberste Diener des Unternehmens zu sein, das der nicht mehr so stark verbreitet ist wie früher. Das muss aber nicht unbedingt ein Nachteil sein. Es tritt eine gesunde Effizienzeinstellung dazu, aber Tatsache ist, dass die junge Generation heute nicht mehr akzeptiert, dass die Beteiligung, die sie von den Eltern behält oder erhält, dass diese Beteiligung zu nichts berechtigt. Sie wollen auch eine klare Rendite sehen. Sie wollen ein Mitspracherecht sehen und sie wollen, wenn sie das Unternehmen verlassen, eine vernünftige Abfindung sehen. Und ich meine, das ist akzeptabel, und auch diese Gedanken lassen sich auf der kulturellen Basis, auf der ein Familienunternehmen beruht, fruchtbar umsetzen."
Frage: Wie sehen Sie die Zukunft der Familienunternehmen in Deutschland?
Prof. Hennerkes: "Ich sehe die Zukunft der Familienunternehmen also mit absoluter Sicherheit sehr, sehr positiv, aber ich muss eine Einschränkung machen: Für die Familien- unternehmen sehe ich die Zukunft positiv. Die Familienunternehmen haben natürlich heute auch immer mehr Wertschöpfung im Ausland. Für Deutschland und für die deutschen Arbeitnehmer, für die das Familienunternehmen ja so wichtig ist, für die sehe ich eigentlich nur eine so positive Zukunft - wie ich sie eben geschildert habe -, wenn die Rahmenbedingungen schnell angepasst werden von der Politik."
Brun-Hagen Hennerkes
Die Familie und ihr Unternehmen - Strategie, Liquidität, Kontrolle
Campus, 450 S., EUR 58,-
Prof. Hennerkes: "Für unsere Volkswirtschaft sind die Familien nicht nur das Rückgrat, sondern sie sind auch - was die Innovation, was die Arbeitsplatzsituation oder Arbeitsplatzbeschaffung betrifft - führend, wenn man bedenkt, daß die 30 DAX-Unternehmen insgesamt in Deutschland nur 1,8 Millionen Arbeitnehmer beschäftigen, bei einer Quote von 50 Prozent Auslandsbeschäftigten, also 1,8 Millionen im Inland und nochmal 1,8 Millionen im Ausland. Wenn man diese Zahl mit Familienunternehmen vergleicht, dann ist die Arbeitsplatzsituation in Familienunternehmen ein Vielfaches höher."
Frage: Und warum sind dann diese Unternehmen in der Krise? Oder anders gefragt: Was sind denn heute die existentiellen Herausforderungen von Familienunternehmen?
Prof. Hennerkes: "Ich glaube, dass die zweite Frage nach den existentiellen Herausforderungen die Sache besser trifft. Krise entsteht nur dann, wenn diesen Herausforderungen nicht wirksam begegnet wird. Ich glaube, es sind vier Dinge, die für die Familienunternehmen eine große Rolle spielen. Erstens fehlt ihnen die politische Lobby. Die werden nicht so beachtet wie die großen DAX-Unternehmen. Zweitens fehlt den Familienunternehmen die moralische Achse, die bisher zu den Großkonzernen bestand und die jetzt infrage gestellt wird, weil in den Großkonzernen Management-Bezüge und Abfindungen bezahlt werden, die das Familienunternehmen nicht kennt. Unter dieser Entwicklung leidet das Familienunternehmen auch in der öffentlichen Akzeptanz, und kein Unternehmen kann ohne öffentliche Akzeptanz letztlich am Markt erfolgreich sein. Die dritte Herausforderung - da mache ich mir zwar am wenigsten Sorgen, aber die besteht auch - das ist die Herausforderung vom Markt her, sprich: Globalisierung, die neue Technik, die Logistik und die Datenübertragung revolutioniert, aber auch ‚Basel 2’, also die Finanzierung. Der vierte Punkt, der wenig erkannt ist und der meiner Meinung nach die entscheidende Rolle spielt, das ist der Wertewandel. Und der betrifft eben auch die Familie. Ähnlich wie die Familien in unserer gesamten Republik sind die Familienunternehmen natürlich auch nicht verschont geblieben von dem, was auf sie zukommt. Es gibt mehr Scheidungen als früher, und die Junioren haben heute eine andere Wertvorstellung. Keine schlechtere, eine andere Wertvorstellung als die Senioren. Anstelle von Pflichterfüllung steht heute oft auch Freude, anstelle von Pünktlichkeit steht Kreativität, anstelle von klaren Vorgaben steht Entfaltungsfreiheit - und das sind Dinge, die im Unternehmen durchaus eine große Rolle spielen. Bloß: Das Unternehmen muss sich auf diesen Wertewandel einstellen, und das ist zum großen Teil noch nicht geschehen.
Frage: Solche Krisen oder Wandelzeiten ergeben sich ja auch nicht schicksalhaft. Wo sehen Sie denn das eigene Versagen von Familienunternehmen?
Prof. Hennerkes: "Ich sehe das Versagen eigentlich mehr in den beiden ersten Aspekten. Sie haben sich keine Lobby in der Politik geschaffen, weil sie im Tagesgeschäft aufgegangen sind und haben den Stellenwert der Präsenz in der Politik nicht gesehen. Und der zweite Aspekt ist der, dass sie zu wenig ihre Werte betont haben, gerade im Verhältnis zu den Skandalen, die wir jetzt gesehen haben, die den Großunternehmen zu schaffen machen. Die Familienunternehmen sind ja stärker regional eingebunden, haben eine engere Beziehung zu Menschen. Wenn es im griechischen heißt: ‚Der Mensch ist das Maß aller Dinge’, dann gilt das für ein Familienunternehmen sehr viel stärker als für einen anonymen Konzern, nicht weil dort unbedingt die besseren Menschen sind, sondern weil der Konzern natürlich börsenwert getrieben ist und jede Möglichkeit wahrnehmen muss, um seine Ertragskraft zu verbessern."
Frage: In Ihrem Buch schreiben Sie, die Finanzierung des Familienunternehmens sei die Achillesferse. Ist das eine deutsche Besonderheit? Welche Lösungen bieten Sie an?
Prof. Hennerkes: "Zunächst mal zur Ist-Situation. Durch ‚Basel 2’ haben wir jetzt ein ganz klares ‚rating’, das für die Familienunternehmen - insbesondere für die kleineren - problematisch ist. Diese Situation ist keine allgemeine europäische Lösung, sondern die deutschen Banken haben sich in eine Strukturkrise begeben. Sie haben sich strategisch nicht richtig orientiert. Das Kreditgeschäft, dass beispielsweise bei großen amerikanischen Banken sehr, sehr ertragsstark war, hat in Deutschland den Banken nur Verluste gebracht, weil sie sich nicht richtig darauf eingestellt haben. Und hier kommt jetzt leider nicht nur eine Anhebung der Marge im Kreditbereich, sondern auch die Situation, dass die Banken sehr, sehr wenig und sehr ungerne Kredite geben, weil sie das Risiko befürchten. Um eine Zahl zu nennen: Wir hatten eine Ausfallquote vor zwei Jahren in Höhe von ein Prozent der gesamten Kreditvolumina, und das entspricht genau der Marge, die man im Kreditgeschäft erzielen kann."
Frage: Ein Kapitel widmen Sie der Führung und Beratung. Was sind denn die wichtigsten Berater des Familienunternehmens?
Prof. Hennerkes: "Also, ich möchte es mal vielleicht nicht nach Berufsgruppen einordnen. Da würde ich sagen, was Berufsgruppen betrifft, sind immer noch die Steuerberater und Wirtschaftsprüfer auf der einen Seite und Wirtschaftsanwälte in der Zahl überlegen. Aber Familienunternehmer brauchen in einer Zeit, in der alles spezifischer und schwieriger wird,
ein Gremium, in dem sie nicht nur Fachkompetenz an Beratung vorfinden, sondern auch menschliche und persönliche Unterstützung bekommen, und da sind viele Unternehmer dazu übergegangen, Beiräte zu gründen, in denen drei oder fünf Personen sind, die auch dem Unternehmer widersprechen, die dem Unternehmer strategische Positionen auf- zeigen - und das ist sicherlich der Berater der Zukunft."
Frage: Weil er Werte vermittelt?
Prof. Hennerkes: "Nicht, weil er Werte vermittelt, aber weil er auf den Werten des Unternehmers basiert und aus dem Selbstverständnis des Familienunternehmers heraus die neuen Wege beschreitet. Und das ist beispielsweise auch die Heranführung von jungen Menschen an das Unternehmen. Wir haben ja unsere Diskussionen hier über den Altersaufbau in der Bundesrepublik. Das gilt für Familienunternehmen noch viel, viel stärker. Das Familienunternehmen lebt vom Menschen und natürlich auch vom jungen Menschen, der an das Unternehmen herangeführt werden muss."
Frage: Das führt mich zu der Frage: In dem eingangs genannten grundlegendem Satz von Hayek ist ja noch keine Verknüpfung zwischen Unternehmen oder Privateigentum und Familie ausgedrückt. Aber in Familienunternehmen ist sie zur Wirklichkeit geworden und herangewachsen. Was ist denn nun wichtiger: das Privateigentum - also das Sachkapital, oder die Familie - also das Humankapital?
Prof. Hennerkes: "Also, ich würde ganz eindeutig sagen: Das Humankapital ist wichtiger, aber nicht nur bezogen auf die konkrete Familie, auf den engen Personenbereich der Familie, sondern die Familie führt zu einer Motivation und zu einer Unternehmenskultur, wie wir sie eigentlich in den Konzernen in dieser Stärke nicht kennen, und da möchte ich mal betriebswirtschaftlich argumentieren: Wenn sie heute ein Produktionsunternehmen haben, das 40 bis 60 Prozent der G + V-Summe für Löhne und Gehälter zahlt, dann wird in einer Familie oft sehr viel mehr Leistung, aber auch menschenfreundlichere Leistung herausgeholt. Also, es hat auch eine betriebswirtschaftliche Komponente."
Frage: Das Lästermaul Karl Kraus hat einmal gesagt, das Wort Familienbande habe einen Beigeschmack von Wahrheit. Ist die Familie nun Stütze oder Last für ein Unternehmen?
Prof. Hennerkes: "Also ganz eindeutig ist die Familie Stütze des Unternehmens. Es gibt Einzelfälle, wo die Familie auch zur Last werden kann - dann, wenn sie in sich zerstritten ist. Dann hat die Familie schon einen Fehler gemacht. Dann hat sie keinen Wertekonsens in sich geschaffen. In den meisten Familienunternehmen ist das anders. Da wird schon von früher Jugend an an eine Nachfolgegeneration - durch Familientage etc. - dafür Sorge getragen, dass hier der gleiche Geist entsteht. Das ist das, was das Familienunternehmen auch trägt."
Frage: Noch ein Wort zum Wandel der sozialen Strukturen. Sie haben es eingangs schon einmal erwähnt. Er betrifft ja auch und gerade die Institution Familie, so daß die Politik sich schon scheut, eine bündige Definition zu finden. Für manche ist Familie ja schon da, wo ein Kühlschrank steht. Wie schlägt denn dieser Wandel auf die Familienunternehmen durch, zum Beispiel in der Nachwuchsproblematik?
Prof. Hennerkes: "Dieser Wandel, der schlägt durchaus auf die Familienunternehmen durch. Die junge Generation fühlt sich nicht mehr so sehr als Glied einer Kette, wie das früher mal der Fall war. Das heißt, dass dieser Gedanke, dem Unternehmen dienen zu wollen, der oberste Diener des Unternehmens zu sein, das der nicht mehr so stark verbreitet ist wie früher. Das muss aber nicht unbedingt ein Nachteil sein. Es tritt eine gesunde Effizienzeinstellung dazu, aber Tatsache ist, dass die junge Generation heute nicht mehr akzeptiert, dass die Beteiligung, die sie von den Eltern behält oder erhält, dass diese Beteiligung zu nichts berechtigt. Sie wollen auch eine klare Rendite sehen. Sie wollen ein Mitspracherecht sehen und sie wollen, wenn sie das Unternehmen verlassen, eine vernünftige Abfindung sehen. Und ich meine, das ist akzeptabel, und auch diese Gedanken lassen sich auf der kulturellen Basis, auf der ein Familienunternehmen beruht, fruchtbar umsetzen."
Frage: Wie sehen Sie die Zukunft der Familienunternehmen in Deutschland?
Prof. Hennerkes: "Ich sehe die Zukunft der Familienunternehmen also mit absoluter Sicherheit sehr, sehr positiv, aber ich muss eine Einschränkung machen: Für die Familien- unternehmen sehe ich die Zukunft positiv. Die Familienunternehmen haben natürlich heute auch immer mehr Wertschöpfung im Ausland. Für Deutschland und für die deutschen Arbeitnehmer, für die das Familienunternehmen ja so wichtig ist, für die sehe ich eigentlich nur eine so positive Zukunft - wie ich sie eben geschildert habe -, wenn die Rahmenbedingungen schnell angepasst werden von der Politik."
Brun-Hagen Hennerkes
Die Familie und ihr Unternehmen - Strategie, Liquidität, Kontrolle
Campus, 450 S., EUR 58,-