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Brustkrebsvorsorge auf dem Prüfstand

Medizin. - Auf dem 4. Europäischen Brustkrebskongress, der dieses Jahr erstmals in Deutschland stattfindet, ist Brustkrebsvorsorge in Deutschland kritisiert worden. Die Europaabgeordnete Karin Jöns warf der Deutschen Krebsgesellschaft vor, anstatt die europäischen Richtlinien der Früherkennung umzusetzen, eigene Zertifizierungsverfahren aufbauen zu wollen.

Von Grit Kienzlen |
    Einfache und billige Früherkennung - das wäre ideal bei einer Erkrankung, die dermaßen häufig auftritt wie der Brustkrebs. Das regelmäßige Abtasten der Brust wird Frauen deshalb überall auf der Welt empfohlen, auch bei uns. Doch große Studien aus Russland und China mit insgesamt 400 000 Teilnehmerinnen zeigen eindeutig: Es bringt nichts, berichtet Professor Lars Holmberg von einem Krebszentrum in Uppsala, Schweden:

    Die Selbstuntersuchung als Screening-Methode für Brustkrebs reduziert die Sterblichkeitsraten überhaupt nicht.

    Das soll nicht heißen, dass Frauen nicht mehr auf ihren Körper achten sollen. Aber die regelmäßige Abtasterei scheint nur zu zusätzlichen Biopsien bei gutartigen Knoten zu führen. Bösartige Tumore sind dagegen schon viel zu groß, wenn man sie tasten kann. Lars Holmberg hatte gehofft, dass sich das Abtasten der Brust als Alternative für arme Länder eignen würde, doch nein: Nichts ersetzt offenbar die Mammographie. Die soll nun flächendeckend in Europa Einzug halten, jubiliert Karin Jöns, Berichterstatterin zum Thema im EU-Parlament:

    Das EU-Parlament hat jetzt die Mitgliedstaaten aufgefordert: Bitte führt alle Screening ein und zwar alle nach den EU-Leitlinien, die wir seit 1992 haben und die alle drei Jahre upgedatet werden. Und wie es in Deutschland ja endlich auch kommen wird, man fängt jetzt an, die Leute auszubilden. Immerhin mit zwölf Jahren Verspätung.

    Karin Jöns bemüht sich seit Jahren von der EU aus politischen Druck für die Brustkrebsvorsorge zu machen. Neben der Mammographie geht es ihr um die Einrichtung spezialisierter und interdisziplinärer Brustkrebszentren. Eines pro 330 000 Einwohner soll es den EU Richtlinien zufolge geben. Das macht 250 für Deutschland. Karin Jöns:

    Und wir wollen jetzt, das das überall in den Mitgliedsstaaten auf den Weg gebracht wird, und das würde dann nämlich ohne weiteres möglich sein, bis zum Jahr 2008 die Voraussetzungen zu schaffen, um die Sterblichkeitsrate um 25 Prozent zu senken, EU-weit.

    Das Zertifikat Brustkrebszentrum sollen nach EU Richtlinien nur solche Einrichtungen bekommen, an denen Radiologen, Chirurgen, Onkologen, Psychologen und Pathologen zusammen arbeiten - Stichwort Interdisziplinarität und an denen jeder Chirurg mindestens 50 Erst-Operationen an der Brust bewerkstelligt.

    Wir möchten darüber hinaus, dass die Spezialisten ausschließlich Brust operieren, weil bei uns auch die plastische Chirurgie eben nicht spezialisiert ist auf Brust. Wir haben kein Berufsbild eines Brustchirurgen, wie es das zum Teil in anderen Ländern gibt, da müssen sich die Fachgesellschaften was einfallen lassen. Mir ist völlig egal, ob das ein Gynäkologe oder Pathologe ist, aber ich möchte natürlich, dass der das kann. Und dass es richtig gemacht wird und das kosmetische Ergebnis gut ist - in Deutschland wird viel zu häufig operiert, obwohl es gar nicht sein muss.

    Tatsächlich gibt es neuen Zahlen zufolge große Behandlungsunterschiede in Europa. In Frankreich wird in 72 Prozent der Fälle Brust erhaltend operiert, in Polen nur bei zwei Prozent. Deutschland liegt mit 57 Prozent in der Mitte. Im Durchschnitt gilt die Behandlung bei uns nicht als sonderlich gut. Karin Jöns glaubt, dass das mit den Europäischen Richtlinien besser wird, stößt damit aber auf den Widerstand der Deutschen Krebsgesellschaft, deren Standards etwas niedriger liegen:

    Die deutsche Krebsgesellschaft bietet ja jetzt ein Zertifizierungsverfahren an und behauptet immer, sie zertifizieren nach europäischen Standards, und da muss ich leider sagen, das ist nicht der Fall, und die müssen sich jetzt dringend mal bewegen. Die Europäischen Leitlinien lagen schon vor, als die Deutsche Krebsgesellschaft anfing, mit ihren zu arbeiten. Insofern ärgert mich das, dass man in Deutschland immer sagt: Wir erfinden das Rad wieder neu.

    Beim Brustkrebskongress in Hamburg widersprach ihr am Dienstagabend niemand. Die Standards der EU richten sich nach den Empfehlungen der Brustkrebsfachgesellschaften.