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Brustkrebszentren für Deutschland

Medizinerkongresse sind in Deutschland selten Medienereignisse. Beim Europäischen Brustkrebskongress, der am Wochenende in Hamburg zu Ende gegangen ist, war das anders. Zu dem Ereignis waren Journalisten aus ganz Europa, aus den USA, ja selbst aus Japan angereist. Denn die Europäischen Organisationen, die sich der Bekämpfung dieser weit verbreiteten Krankheit verschrieben haben, sind stark. Stark in der Forschung, aber auch in ihrer Politik.

Von Grit Kienzlen |
    Wenn Sie wissen, dass in der EU alle zweieinhalb Minuten die Diagnose Brustkrebs fällt, alle sechseinhalb Minuten eine Frau daran stirbt, dann ist ja wohl ein Handlungsbedarf da. 216.000 Frauen erkranken im Jahr.

    Karin Jöns ist Europa-Abgeordnete und Parlaments-Berichterstatterin in Sachen Brustkrebs. Ausgangspunkt dafür waren ihre persönlichen Erfahrungen mit der Brustkrebsversorgung in Deutschland; aber auch die Zahlen aus dem Europäischen Ausland bestätigen – die Behandlung lässt sich in vielen Ländern verbessern. Beispiel: Die Brusterhaltende Operation. In Frankreich kommen 72 Prozent der Frauen in ihren Genuss, in Polen sind es nur 2 Prozent. Deutschland liegt mit 57 Prozent so im Mittelfeld. Dabei geht der Trend immer mehr zur Brust erhaltenden Therapie und in den guten Brustkrebszentren werden die Frauen zu 60 bis 70 Prozent auch dementsprechend behandelt, berichtet Prof. Fritz Jänicke vom Hamburger Uniklinikum Eppendorf. Auch wenn die Tumore bei der Diagnose schon weit fortgeschritten sind, gibt es Möglichkeiten zur Brust erhaltenden OP:

    Das heißt dass man vor der Operation der Patientin Chemotherapie oder Hormontherapie gibt und den Tumor dadurch zum Schrumpfen bringt, um ihn dann möglicherweise unter Erhaltung der Brust entfernen zu können. Diese so genannte neoadjuvante Therapie dient gleichzeitig als biologischer Test – man sieht, ob der Tumor auf die Therapie reagiert und das ist der Vorteil gegenüber den Therapien, die man nach der Operation gibt, weil man dann ja weiß, dass der Tumor auf diese Maßnahme empfindlich reagiert.

    Dass die Patientinnen in Ländern wie Polen, aber auch Spanien oder den USA viel zu oft auf diese Versorgung verzichten müssen, liegt nach Einschätzung des Polen Prof. Jacek Jassem von der Universität Gdansk daran, dass die Tumore zu spät erkannt werden. Es fehlen Mammographie Screening Programme, wie die EU sie jetzt für alle Staaten verlangt. In Deutschland werden sie nächstes Jahr eingeführt. Für Karin Jöns nur ein Teilerfolg:

    Ich sage immer, was nutzt die beste Früherkennung, wenn die Behandlung hinterher nicht die richtige ist und da wissen wir seit dem Bericht von Ulla Schmidt und ihrem Gutachten vor zwei Jahren, dass in Deutschland 50 Prozent der Fälle von Brustkrebs falsch bzw. unzureichend behandelt werden und eine Studie im Großraum München hatte ja ergeben, dass bei Tumoren bei 2cm Größe und nicht befallenen Lymphknoten, wo man also Brust erhaltend operieren kann es von Krankenhaus zu Krankenhaus schwankt zwischen 5 und 55 Prozent, ob die Brust amputiert wird.

    Die EU fordert deshalb auch, dass es zertifizierte Brustkrebszentren geben soll. Eines pro 330 000 Einwohner. Das macht 250 für Deutschland. Drei Kriterien wurden dafür erarbeitet. Die Zentren sollen mindestens 150 Operationen im Jahr machen, jeder Arzt im Zentrum mindestens 50. Von diesen Ärzten wird eine Spezialisierung ausschließlich auf Brustoperationen erwartet. Und die Patientinnen sollen von mehreren Ärzten aus verschiedenen Disziplinen, von Radiologen, Pathologen über Onkologen und Chirurgen bis hin zu Psychologen beraten werden. Das sind Standards, auf die jede betroffene Frau bei der Wahl ihrer Klinik achten sollte. Auf das Zertifikat "Brutkrebszentrum" allein, meint Karin Jöns, kann sie sich in Deutschland nicht verlassen:

    Also 10 weiß ich definitiv, die von der Deutschen Krebsgesellschaft zertifiziert sind, aber das ist eben nicht nach den Europäischen Standards und es gibt natürlich auch viele Zentren, die sich einfach einen Zettel an die Tür geklebt haben und sagen: Ich bin Brustzentrum, es kontrolliert ja bei uns keiner und deshalb finde ich auch die Forderung des EU-Parlaments völlig richtig, dass diese Zentren zertifiziert und rezertifiziert werden müssen von einer unabhängigen Stelle….

    Karin Jöns ärgert sich darüber, dass die Deutsche Krebsgesellschaft Zertifikate offenbar auch dann vergibt, wenn nur ein Prozentsatz der Patientinnen interdisziplinär beraten wird und wenn die Chirurgen nicht ausschließlich Brust operieren. Die Standards der EU richten sich schließlich nach den Empfehlungen der Brustkrebs-Fachgesellschaften.

    Also da sehe ich auch ein Problem drin, dass man die Regeln jetzt so weit aufweicht, bis gar nichts mehr übrig bleibt von der Verbesserung. Da muss man der Frau Jöns Recht geben.

    Pflichtete ihr der Hamburger Kongresspräsident Fritz Jänicke bei. Letztlich geht es um viele Menschenleben, die durch die Standards gerettet werden könnten:

    Und wir wollen jetzt, das das überall in den Mitgliedsstaaten auf den Weg gebracht wird und das würde dann nämlich ohne weiteres möglich sein, bis zum Jahr 2008 die Voraussetzungen zu schaffen, um die Sterblichkeitsrate um 25 Prozent zu senken EU weit.