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Buddha-Büsten
In der Werkstatt des Erleuchteten

Kulturbeflissene Europäer lieben es, sich Buddha-Statuen ins Haus oder in den Garten zu stellen. Aber wie geht es denen, die Buddha-Statuen herstellen? Die Handwerker und Künstlern in den buddhistisch dominierten Ländern sind bei Gläubigen zwar angesehen, aber meistens arm.

Von Margarete Blümel | 18.08.2017
    Buddha Figuren als Souvenir an einem Verkaufsstand in Chiang Mai, Thailand, aufgenommen am 28.02.2005.
    Buddha-Figuren als Souvenir an einem Verkaufsstand im thailändischen Chiang Mai (Andreas Lander / dpa-Zentralbild)
    Buddha ist noch lange nicht soweit. Frühestens in zwei, drei Wochen wird er, die Rechte auf dem Knie, die Linke vor der Brust, auf seinem goldenen Podest Platz nehmen können. Ein mit Edelsteinen verziertes Tuch bedeckt dann seine Schultern und der Maitreya, die neuzeitliche Verkörperung des Religionsstifters, macht eine Ausnahme: Dieser Buddha wird nicht im Meditationsmodus, mit geschlossenen Augen oder entrückt in die Ferne blickend, da sitzen. Er wird lachen und seine langen Beine werden entspannt herunter hängen, ganz, als säße er auf einem Stuhl.
    Drei Mönche stellen diesen und andere Buddhas her - vor allem, um spirituelles Verdienst zu erwerben. Sie arbeiten in ihrem Tempel in der Provinz Saraburi in Zentral-Thailand. Oder, wie hier und jetzt, um eine Bestellung aus Bangkok zu bedienen. Aus dem Erlös soll ein neues Dach ihrer Versammlungshalle finanziert werden. Ein junger Mönch sagt:
    "Das Anfertigen von Buddha-Statuen ist eine Aufgabe, die uns sehr am Herzen liegt. Meist geben wir unsere Buddhas weg, oft verschenken wir sie an die Waldtempel nahebei."
    Modell aus Bienenwachs
    Im Moment sind die jungen Mönche dabei, ihren Buddha in Form zu bringen. Weil sie für diese Ausführung keine Vorlage haben, fertigen sie ein Modell aus Bienenwachs an, das sie mit einer Mischung aus Ton und Grasfasern bestreichen. Dann wird die Tonvorlage gebrannt und die Statue muss gegossen werden.
    "Es gibt viele buddhistische Schriften, die sich damit beschäftigen, wie Metall verarbeitet wird. An der Universität von Nalanda, die vor achthundert Jahren zerstört wurde, gab es eine große Fakultät, die sich um die Herstellung von buddhistischen Statuen kümmerte. Viele Aufzeichnungen von damals konnten geborgen werden, so dass die Fertigkeiten und die Tradition erhalten geblieben sind", sagt der buddhistische Gelehrte Shantum Seth aus Delhi. Seit mehr als 2.000 Jahren werden mithilfe alter religiöser Texte Buddha-Statuen aller Couleur hergestellt: Sie werden aus Granitblöcken oder aus Halbedelsteinen gefertigt, aus Holz oder Elfenbein geschnitzt und kommen in Gold-, Kupfer- oder Bronzeguss daher.
    "Buddha-Statuen anzufertigen - das begann erst vier- oder fünfhundert Jahre nach dem Tod des Erleuchteten. Die damaligen Darstellungen waren deutlich von den griechischen Eroberern geprägt. Buddha trug Züge von Gott Apollon: Er war kräftig und stark. Und: Er hatte einen Schnurrbart!"
    Der zarte Buddha
    Obwohl sich die künstlerischen Stilrichtungen und technischen Möglichkeiten im Laufe der Jahrhunderte gewandelt haben, ist die Darstellung Buddhas bis heute an Regeln gebunden. So sind die sogenannten Mudras, die Körperhaltung und Gesten des Erleuchteten umfassen, in buddhistischen Schriften explizit beschrieben. Populär ist zum Beispiel die Erdberührungs-Mudra: Buddhas Linke liegt mit nach oben geöffneter Handfläche auf dem Schoß, während die Fingerspitzen seiner rechten Hand den Boden berühren. Die Erde soll Zeuge sein für die Wahrheit seiner Worte.
    Buddha mit Abhaya Mudra, einer Geste, bei der Buddhas linke Hand nach oben geöffnet auf dem Schoß liegt, während die Fingerspitzen seiner rechten Hand den Boden berühren. Die Statue befindet sich in dem Fo Guang Shan Tempel in Bussy-Saint-Georges, Frankreich.
    Buddha mit Abhaya Mudra, einer Geste, bei der Buddhas linke Hand nach oben geöffnet auf dem Schoß liegt, während die Fingerspitzen seiner rechten Hand den Boden berühren. (imago / UIG)
    Buddhas Gesten, seine Körperhaltung, der Ausdruck seiner Augen – bei der Herstellung der Statuen bleibt nichts dem Zufall überlassen. In den Klöstern geben die Äbte Anweisungen und Hintergrundwissen an die Mönche weiter. Und die Handwerker, die in Thailand, Indien oder Kambodscha Buddha-Statuen anfertigen, profitieren von den Kenntnissen ihrer Väter. Sie alle wissen zum Beispiel, dass Buddha geschlechtsneutral dargestellt wird und dass seine Ohrläppchen bis auf die Schultern reichen müssen.
    "Buddha werden die Beine einer Gazelle zugeschrieben. Sie sind leicht und lang, so dass er federnd und ausdauernd laufen kann. Alles an ihm ist elegant und steht in ausgewogenem Verhältnis zueinander. Seine Arme sollen so lang sein, dass sie, ohne dass er sich bücken müsste, bis über seine Knie reichen", ergänzt der australische Tibetologe und Religionswissenschaftler Professor John Powers. "Er ist von ebenmäßigem Körperbau und schlank – aber nicht muskulös. Das passte nicht zu ihm, weil er einem Adelsgeschlecht entstammte und stark hervortretende Muskeln mit Armut und Arbeiterklasse in Verbindung gebracht wurden. Seine Lippen sollen dem roten Himmelsbambus ähneln. Und seine Wimpern sind weich und haben etwas Sanftes an sich – wie die Wimpern einer Kuh."
    Buddha muss nicht immer dick sein ...
    Buddha muss nicht immer dick sein ... (picture alliance / dpa / Toni Garriga)
    Augenöffnendes Ritual
    Bevor der Buddha aber seine Augen unter diesen Wimpern aufschlagen kann, steht den Sakralhandwerkern und der Statue noch ein Ritual bevor – die Zeremonie des Augenöffnens. Das Ritual des Augenöffnens ist der Höhepunkt bei der Fertigung einer Buddha-Statue. Stirn und Augen sind mit einem Tuch oder mit rot-goldenem Papier bedeckt. Diese Bedeckung wird vorsichtig entfernt. Manchmal sind die Augen des Erleuchteten bereits eingefügt. Oft aber haucht der Schöpfer der Statue seinem Buddha erst in diesem Moment Leben ein, indem er mit einem feinen Pinsel die Lider ausmalt, das Wimpernpaar akzentuiert und die Augen einfügt.
    Unser Buddha hat das Ritual des Augenöffnens schon hinter sich. Drei Stunden lang ist er, in dichtes, scharlachrotes Baumwolltuch gehüllt, auf einem Pritschenwagen nach Bangkok gereist. Der Fahrer des Pickups und sein Gehilfe verneigen sich vor dem Buddha mit den langen, lässig herabhängenden Beinen. Vorsichtig tragen sie den Erleuchteten in das Ladenlokal, in dem er sich in bester Gesellschaft befindet: Zweieinhalb Meter große Buddhas in Goldlackierung, die traumverloren in die Ferne schauen, ein schlafendes Exemplar, die Hände hinter dem Kopf verschränkt, ausgestreckt auf einem roten Baldachin ruhend. Rechts davor: Ein ringsum von weißen Lotusblumen flankierter Buddha aus Bronze, der stehen muss. Daneben einer, der aus der Art geschlagen zu sein scheint, aber bei chinesischen Buddhisten besonders gut ankommt: Unter der rot-goldenen Robe wölbt sich ein Bäuchlein. Auf seinem Gesicht? - Ein ganz entspanntes Lächeln.
    "Buddha ist anpassungsfähig. In Japan hat er einen japanischen, in Thailand einen thailändischen Anstrich. In China wird der Erleuchtete gern in Glück verheißendes Rot-Gold gekleidet. Damit er wohlhabend wirkt, verpasst man ihm ein XXL-Format. Da ist einiges im Wandel. Buddha ist ja gewissermaßen zum Weltreisenden geworden. Doch unabhängig von solchen optischen Anpassungen – an der Botschaft hat sich nichts geändert: Lerne, deinen Geist und das Leben zu durchschauen und das Leiden zu überwinden."