Donnerstag, 25. April 2024

Archiv

Buddhisten und Klimaschutz
Sich engagieren, nicht nur meditieren

Der Dalai Lama mahnt Klimabewusstsein an, Waldmönche aus Thailand versuchen Bäume vor der Abholzung zu bewahren. Aber Aktivismus spielt eine untergeordnete Rolle auf dem Weg zur Erleuchtung. Der amerikanische Zen-Lehrer David R. Loy findet das falsch. Sein Buch „Öko-Dharma“ ist gerade auf Deutsch erschienen.

Von Mechthild Klein | 12.08.2021
Eine Buddha-Statue
Engagement für die Umwelt hatte bislang wenig Platz im Buddhismus, sagt die Autorin Mechthild Klein (Deutschlandradio / Ellen Wilke)
In buddhistischen Gemeinschaften in Europa und den USA ist der Klimawandel noch nicht lange ein Thema. Der amerikanische Zen-Lehrer und emeritierte Professor für buddhistische und vergleichende Philosophie David R. Loy ist einer der Vorkämpfer des Öko-Buddhismus in den USA. Nun ist sein Buch "ÖkoDharma - Buddhistische Perspektiven zur ökologischen Krise" auf Deutsch erschienen. "Öko Dharma" könnte man übersetzen mit buddhistischer Öko-Lehre. Darin untersucht er zunächst einmal das mangelnde Interesse westlicher Buddhisten an der Klimakrise und dem Verlust von Biodiversität.
"Einer der wesentlichen Gründe, warum Buddhisten sich so wenig engagieren in der ökologischen Krise scheint mir ähnlich zu sein, wie in anderen Weltreligionen auch. Die Menschen tendieren dazu, mehr mit der eigenen Erlösung und einer Art Flucht aus der Welt beschäftigt zu sein. Wenn wir ehrlich sind: Die Anziehungskraft einer Religion ist für viele, dass sie uns garantiert, dass wir nicht wirklich sterben, wenn wir tun, was uns gesagt wird. Wir haben die Möglichkeit, woanders hinzugehen, an einen besseren (transzendenten) Ort, wenn wir sterben. Diese Betonung der individuellen Erlösung und anderen Realität bestärkt uns darin zu ignorieren, was in dieser Welt läuft und was schlief läuft. Oder das Geschehen in der Welt wird generell entwertet. Ich denke das Problem betrifft Buddhisten genauso wie Christen und Muslime", sagt David Richard Loy.
Klimaschutz und Religionen: Was die Kirchen sagen – und was sie tun
Klimapilgern, Plastikfasten, Fair-Trade-Kaffee: Christliche Initiativen, die sich für Umweltschutz einsetzen, gibt es schon lange. Bisher hieß das "Bewahrung der Schöpfung", nun gibt es auch die "Churches for Future". Für die Kirchen ist Klimagerechtigkeit auch eine Frage der Glaubwürdigkeit.

Ökologische Fragen wegmeditieren?

Der Amerikaner ist Zen-Lehrer und lehrte als Professor für buddhistische und vergleichende Philosophie in Japan und den USA. Eigentlich lässt man auf dem Meditationskissen seine normale Art zu denken und fühlen zurück. Das sei erwünscht, man möchte sich mit seinen Gefühlen und Wünschen NICHT identifizieren, sondern Abstand gewinnen. Und so könne man aber auch seine Sorgen transzendieren, wegmeditieren gewissermaßen, sagt er.
"Wenn dir ökologische Fragen am Herzen liegen, kann es auch sein, dass Du in der Meditation diese Sorgen wieder ziehen lässt. Man könnte sagen, dass es sich um eine ausgesprochen buddhistische Lösung handelt, die Probleme für sich selbst zumindest für eine Weile zu lösen."
Ursprünglich enthält der Buddhismus Praxis-Wege der persönlichen Transformation mit dem Ziel des Erwachens oder der Erleuchtung. Aber irgendwie ist die Idee da hineingekommen, dass die eigene Transformation getrennt werden könne von der sozialen Transformation, der persönlichen Entwicklung in der Gemeinschaft. Das sieht Loy als eine Täuschung an, eine gefährliche Entwicklung, dass man sich in der Gesellschaft zum Beispiel nicht mehr engagiert oder Verantwortung übernimmt. Die Konzentration einzig auf die Meditation habe vielleicht am Anfang geholfen, werde nun aber zu einem großen Hindernis, weil man sich als getrennt von der Welt erfährt. Nur sich selbst zu schauen, sei Teil des Problems.

Buddha war progressiver

Im Buddhismus wie in anderen Religionen wurde es immer wichtiger, dass man einen moralischen oder der Reinheit verpflichteten Lebensstil pflegte. Etwa dass man es als das Wichtigste ansah, Vegetarier zu sein oder zumindest Bio-Fleisch zu essen. Aber das sei, nach den Worten Loys, ein echtes Missverständnis von dem, was Buddha sagte.
Der Buddha selbst war nach Ansicht von David Loy viel progressiver, viel revolutionärer. In seiner Gemeinschaft wurde sogar ein Frauen-Orden gegründet, er sprach Frauen die Möglichkeit der Erleuchtung zu. Das Kastenwesen hatte er ganz abgeschafft in seinem Orden, Rassismus und Ausgrenzung sollten keinen Platz haben. Doch nach seinem Tod formten die Buddhisten eine Gemeinschaft, in der Autoritäten wieder ganz unhinterfragt geglaubt wurde, der Buddhismus sollte gedeihen und sich verbreiten. Man machte seinen Frieden mit den Autoritäten und stellte sie nicht in Frage. Der Fokus richtete sich nur noch auf die Transformation des Individuums, auf das eigene Karma und das Erwachen, nicht auf das ökonomische oder das soziale System.
"Ich denke, heute können wir die Begrenzungen dieses Systems sehen. Es ist klar, wir brauchen jene Teile des Buddhismus, die unsere Beziehungsfähigkeit stärken, die sozialen und mentalen Fähigkeiten entwickeln und die buddhistischen Lehren können dabei helfen, sie richtig anzuwenden."

Engagierter Buddhismus

Was David Loy anspricht, ist der sogenannte engagierte Buddhismus, dem sich Thích Nhất Hạnh beispielsweise verpflichtet sieht. Den engagierten Buddhismus gibt es schon. Es gibt Buddhisten, die Bettlern helfen oder sich in buddhistischer Gefängnisseelsorge engagieren. Es gibt Buddhisten bei den "Peacemakern" oder "Extinction rebellion". In Asien betreiben buddhistische Klöster mit ihren Spendeneinnahmen auch Krankenhäuser und Schulen. Aber ein engagierter oder auch dem Klimaschutz verpflichteter Buddhismus solle nicht dort stehen bleiben, sagt David Loy, sondern der fragt nach den Ursachen und bekämpft nicht nur die Symptome. Dieser Buddhismus würde fragen, welche Rolle die Gier im ökonomischen System einnimmt. Ein "immer mehr" auf allen Ebenen produziert viele Verlierer. Doch bislang ist es so, dass auch in Deutschland, wo der Klimawandel gut dokumentiert ist, es eine Kluft gibt zwischen Einsicht und Handeln. Ökothemen waren zudem lange Zeit nicht wirklich gefragt. Es riecht nach Askese und Verzicht, wo man doch schon die ganze Zeit auf dem Kissen diszipliniert war.
Thich Nhat Hanh, buddhistischer Mönch, Schriftsteller und Lyriker
Thich Nhat Hanh, buddhistischer Mönch, Schriftsteller und Lyriker (picture-alliance/ dpa / Jogye Temple)

"Nicht das Kerngeschäft des Buddhismus in Deutschland"

"Ich habe den Eindruck, dass ökologische oder auch soziale Fragen nicht zum Kerngeschäft des Buddhismus hier in Deutschland gehören. So war für 2018 von der Deutschen Buddhistischen Union ein Kongress geplant zum Thema Umwelt, Klima. Und der Kongress musste abgesagt werden. Zum einen, weil sich zu wenig Menschen angemeldet haben, also zu wenig Interesse da war, und zum anderen, weil aber auch aus meiner Sicht zu wenig Energie seitens der Verantwortlichen der Deutschen Buddhistischen Union in dieses Projekt reingesteckt wurde, damit dieser Kongress auch wirklich stattfinden konnte. Und er ist bis heute nicht nachgeholt worden" , sagt Ursula Richard, Zen-Lehrerin und Verlegerin des Buches von David Loy.
Die Berlinerin glaubt, dass auch die Begegnungen und Strukturen der Sangha-Gruppen neu gedacht werden müssen: "Oft kommen wir ja zur Meditation zusammen, für zwei Stunden am Abend oder vielleicht für eine Meditationswoche, begrüßen uns vielleicht am Anfang, gehen dann in die Stille und am Ende sagen wir vielleicht noch auf Wiedersehen und gehen dann nach Hause. Und so ist es ja oft auch bei den Retreats. Zumindest im Zen, was ich praktiziere, ist es so, am Ende weiß man kaum die Namen der anderen, geschweige denn noch irgendetwas."
Buddhismus im Westen: Droht eine säkulare Abspaltung?
Zwischen 200 und 500 Millionen Menschen bekennen sich zum Buddhismus. Genauere Zahlen gibt es nicht. Die meisten Buddhisten leben in Süd- und Ostasien. Doch auch im Westen wenden sich Menschen dem Buddhismus zu, viele sehen darin aber eher eine Lebensphilosophie als eine Religion.
Richard wünscht sich neue Formen für buddhistische Gruppen mit persönlichem Austausch, wo auch soziale und ökologische Fragen gemeinsam angegangen werden können, wo Buddhismus im Alltag gelebt werden kann.

"Wenn die Erde krank wird, dann werden wir krank"

Richard: "Und da haben, glaube ich, auch die Lehrenden eine gewisse Verantwortung, vielleicht solche Themen mehr in ihre Lehren mit einzuschließen. Und ja, ich glaube, dass es sehr wichtig ist für die heutige Zeit, dass wir mehr miteinander ins Gespräch kommen, dass wir mehr voneinander wissen und dass wir Verbundenheit nicht nur als mehr oder minder abstraktes Konzept leben, sondern real verkörpern."
Die buddhistische Lehre hat sich immer weiterentwickelt. Loy spricht in seinem Buch von einem erweiterten Bodhisattva-Weg, der nicht nur daran arbeitet, dass alle Wesen erwachen können. Jetzt sollen die Ursachen für den Klimawandel angegangen werden. Wie ein Arzt. Es sei auch eine Frage des Mitgefühls und der Gerechtigkeit, aktiv zu werden. Der vietnamesische buddhistische Lehrer Thích Nhất Hạnh hat dafür ein einprägsames Bild gefunden: "Wenn die Erde krank wird, dann werden wir krank, denn wir sind ein Teil von ihr." Die Message an das buddhistische Kollektiv heißt dann wohl: Bildet Banden!
David R. Loy: ÖkoDharma. Buddhistische Perspektiven zur ökologischen Krise.
Edition steinrich 2021, 320 Seiten, 24,90 Euro.