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Buddhistischer Friedhof
"Ort der Rückkehr" in Dresden eingeweiht

In Deutschland leben etwa 125.000 Buddhisten. Die meisten sind Vietnamesen. Sie kamen in den 1970er Jahren als "Boatpeoples" in die DDR und lebten lange in Unsicherheit. Die meisten wollen nicht zurück. Das bekräftigten sie am Wochenende mit der Einweihung eines buddhistischen Gräberfeldes in Dresden, das erste in Ostdeutschland, aber auch in den benachbarten osteuropäischen Ländern.

Von Wolfram Nagel | 30.09.2015
    Buddhistische Mönche treffen am 27.09.2015 zur großen Zeremonie der Weihe einer buddhistischen Begräbnisstätte auf dem Heidefriedhof in Dresden (Sachsen) ein. Zum ersten Mal in der fast 1000-jährigen Geschichte Sachsens wurde eine buddhistische Grabstätte geweiht.
    "Wir haben diesen buddhistischen Friedhof hier in Dresden geschaffen, heißt für uns, wir sind jetzt endlich angekommen." (dpa / picture alliance / Arno Burgi)
    "Wir stehen jetzt hier im Zentrum der Anlage vor der zentralen Figur. Insgesamt haben wir eine Ikonographie aus der buddhistischen Symbollehre versammelt mit einem Gewicht von circa. 23 bis 24 Tonnen. Wir haben fünf Figuren, plus zwei Eingangssäulen, die bekrönt werden von unserem universalen Zeichen, das Dharma, beziehungsweise das Lebensrad mit den acht Speichen", so Geo-Fried Dinglinger vom Vietnamesisch-Buddhistischen-Kulturzentrum Sachsen, mit Sitz in Dresden. Das Lebensrad, auf sanskrit "dharma Chakra", findet sich auch auf der achtfach durch Wege geteilten Rasenfläche wieder. An den vier Ecken stehen Bodhisattvas. Diese Inkarnationen Buddhas versinnbildlichen die sogenannte vier "Edlen Wahrheiten", das Zentrum der buddhistischen Lehre. An den Eingangssäulen aus poliertem Granit steht in verschiedenen Sprachen "Ort der Rückkehr".
    "Ort der Rückkehr hat eine ganz tiefe Bedeutung. In der buddhistischen Lehre gehen wir davon aus, dass Leben unendlich ist und vor allen Dingen und auch menschliches Leben wieder kehren kann. Das hängt mit der Karma-Lehre zusammen, also wer wie wann als was wieder geboren wird."
    Die quadratische Anlage befindet sich auf einem bisher unberührten Areal des größten Städtischen Friedhofs am Dresdner Stadtrand. Hier wurde vor drei Jahren auch ein Muslimisches Gräberfeld angelegt.
    "Die Richtung, die wir vertreten, die durch die vietnamesische Community vertreten wird, gehört der großen Richtung des Mahayana-Buddhismus an", erklärt Dinglinger, der selbst viele Jahre in Vietnam gelebt hat. Weil der Ahnenkult in dieser Glaubensrichtung eine so große Rolle spiele, sei es für die buddhistische Gemeinde wichtiger gewesen, das Gräberfeld anzulegen als eine Pagode zu bauen.
    "Weil der Respekt vor den Toten, vor den Vorfahren, die hier liegen werden, so wichtig war."
    Über zwei Stunden dauert die Weihezeremonie, durchgeführt von buddhistischen Mönchen und Nonnen in orangebraunen Gewändern. Sie sind aus Vietnam, Prag und Warschau angereist. Der Duft von Räucherstäbchen zieht über den noch jungen Rasen. Auf Tischen liegen Opfergaben, wie Obst, Gemüse, Kekse, Chips, Tofu, Reis, Salz und Zigaretten. Die ersten Gebete gelten dem zehn Tonnen schweren Buddha mit dem Räucheraltar.
    "Das war vorher nur eine Figur aus Stein. Und während der Zeremonie haben unsere Mönche die Seele in diese Steinfigur eingeführt. So glauben wir. Das heißt, ab jetzt leben unser Buddha und unsere Bodhisattvas auch hier. Außerdem, die Zeremonie hat auch sehr lange gedauert, weil wir haben gemeinsam für alle Seelen gebetet, die irgendwo hier herum existieren", erklärt An Thien, die Vereinsvorsitzende. Mit bürgerlichem Namen heißt sie Nguyen Thi Luong. Die 52jährige hat in der Sowjetunion Literatur studiert. Ihr Mann promovierte in Dresden. Ihre Kinder sind hier geboren und aufgewachsen. Zu Hause werde vietnamesisch, in der Öffentlichkeit deutsch gesprochen, erzählt die Geschäftsfrau.
    "Wir haben jetzt hier eine Firma und ich lebe hier sehr glücklich mit meinen Kindern. Zwei Söhne."
    Alleine in Sachsen leben rund 8.000 Vietnamesen. Mehr als 80 Prozent bekennen sich nach Angaben des Vereins zum Buddhismus. Das sei nicht immer so gewesen, sagt An Thien, schließlich stammen die Meisten aus Nordvietnam. Wie in allen sozialistischen Staaten galt Religion auch in dem südostasiatischen Land als etwas Rückständiges. Doch je mehr sich die Vietnamesen hierzulande etabliert hätten, desto mehr würden sie wieder ihre Traditionen pflegen.
    "Wir haben diesen buddhistischen Friedhof hier in Dresden geschaffen, heißt für uns, wir sind jetzt endlich angekommen."
    Und so fühlt sich beispielsweise die 20 Jahre alte Studentin Jenny Nuen nicht nur als Vietnamesin sondern auch als Deutsche. Als deutsch-vietnamesische Buddhistin, ergänzt sie.
    "Weil wir ja hier aufgewachsen sind, ist es auch unsere zweite Heimat sozusagen. Also mein Vater ist als Gastarbeiter her gekommen und meine Mutter als Asylbewerberin. Ja, man ist mit diesem Buddhistischen aufgewachsen, das ist in der Familie so drin. Meine Kinder werden später auch buddhistisch – ja."
    Bisher wurden die meisten Verstorbenen nach Vietnam geflogen. Wer das nicht bezahlen konnte, musste die Toten Angehörigen auf kommunalen oder auch auf christlichen Friedhöfen in Deutschland beisetzen lassen. Das spiegle die unsichere Situation der früheren Gastarbeiter und deren Familien wider, so An Thien.
    "Weil, damals haben wir uns auch noch nicht so sehr in diese Gesellschaft integriert und wir haben immer gedacht, wir fliegen irgendwann für immer nach Vietnam. Aber, diese Zeit ist jetzt fast vorbei. Man sagt, wo die Seele von Familienangehörigen beerdigt wurde, dann bleiben die Kinder von der Familie auch ewig da."
    Für Gunnar Ganzthorn, Sprecher des Rates der Deutschen Buddhistischen Union mit Sitz in München, gehört der Buddhismus zu Deutschland. Dafür ist das von der Stadt Dresden mitfinanzierte Gräberfeld ein sichtbares Zeichen. Immerhin seien die bestens integrierten Vietnamesen eine der größten Minderheiten im Land.
    "Wo wir wirklich sehen können, der Buddhismus ist aufgenommen, nach wie vor haben wir keinen rechtlichen Status, der vergleichbar wäre mit den christlichen Kirchen. Und ich denke, das ist auch ein wichtiger Schritt für die Integration. In den 2. Generationen beobachten wir das, die eben wirklich sehr zu Hause sind auch in unserer deutschen Kultur – wo wir nicht mehr darüber reden müssen, ob es Vietnamesen sind oder waren, sondern wo es einfach deutsche Mitbürger sind."