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"Bücher können etwas Großes und Schwieriges sein"

Ein Großteil der Buchhändler findet den Aktionstag zugunsten des Buches positiv, sagt die Pressesprecherin des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, Claudia Paul. Menschen und Bücher kämen in Berührung, sagt sie - und wehrt sich gegen Vorwürfe, der Welttag sei nur Reklame.

Claudia Paul im Gespräch mit Burkhard Müller-Ullrich | 23.04.2009
    Burkhard Müller-Ullrich: Frau Paul, da werden heute eine Million Exemplare des Buchs "Ich schenk dir eine Geschichte" kostenlos verteilt. Wer finanziert eigentlich den Spaß?

    Claudia Paul: Ja, das bezahlt nicht eine einzige Institution, da sind sozusagen alle die, denen die Leseförderung am Herzen liegt, legen da zusammen. Das heißt, Random House mit dem CBJ-Verlag produziert dieses Verschenkbuch "Ich schenk dir eine Geschichte", dann gibt es da die Stiftung Lesen, die mit der Deutschen Post als Sponsor zusammenarbeitet. Es engagieren sich die Kultusministerien der Länder, die Landesverbände des Börsenvereins, und von der Stiftung Lesen und dem Bundesverband des Börsenvereins wird das alles koordiniert.

    Müller-Ullrich: Ich würde am liebsten mal eine Zahl hören, welches Budget hat denn, global gesehen in Deutschland, die Veranstaltung dieses Welttags? Gibt es da eine Übersicht?

    Paul: Es gibt kein Globalbudget, weil vieles ist da gar nicht Geld, was fließt, sondern vieles ist einfach "Manpower".

    Müller-Ullrich: Aber irgendwie wird sich "Manpower" auch in Deutschland im Jahre 2009 in Zahlen ausdrücken lassen?

    Paul: Da kann ich Ihnen wirklich nicht weiterhelfen, weil es gibt kein Gesamtbudget. Jeder trägt das dazu bei, was es ihm wert ist.

    Müller-Ullrich: Zur Werbung haben Sie unter anderem ein Quiz veranstaltet. In dem stehen dann so intelligente Fragen wie: Was bietet Ihnen Ihre Buchhandlung bei jedem Besuch vollkommen kostenlos? a) ein Glas Senfgurken, b) kompetente Beratung oder c) Leserattenfallen. Oder dieses Buch, von dem wir wissen, es heißt natürlich "Ich schenk dir eine Geschichte", das wird auch gefragt: Wie heißt dieses Buch? a) Ich geb dir was für die Nichte, b) Ich schenk dir eine Geschichte, c) Ich reime nicht, sondern ich dichte. Frau Paul, wie ist der Börsenverein eigentlich drauf, dass er so eine klamaukhafte, schreibunte Marketingkampagne nötig hat?

    Paul: Ich sehe es wirklich mit einem Schmunzeln und mit einem Lächeln, und ich glaube, so muss man das auch betrachten. Schließlich sind ja die Leute, die in die Buchhandlungen kommen, ja, es ist eine bunte Mischung. Und auch von diesen Kunden wird so etwas, denke ich mal, auch mit einem Lächeln ausgefüllt. Und es gibt ja auch noch so Fragen, und ich weiß nicht, ob Sie das zum Beispiel gewusst haben, wie viel lieferbare Bücher es in Deutschland zurzeit gibt. Also Sie können auch durchaus noch was dabei lernen. Aber ich würde dieses kleine Welttagsquiz jetzt gar nicht so hoch hängen.

    Müller-Ullrich: Jetzt haben Sie aber auch von Kunden gesprochen und nicht von Lesern, find ich ein bisschen verräterisch, ehrlich gesagt, weil ich immer diesen "Marketing Speak" auch da finde. Zum Beispiel eine Dachkampagne, tolles Wort, eine Dachkampagne wird jetzt losgetreten. Was ist das?

    Paul: Eine Dachkampagne, das ist einfach eine Kampagne, wo die vielen Teilnehmer am Welttag des Buches - also beispielsweise die Stiftung Lesen oder der Börsenverein -, dass es einfach erkennbar ist, es gibt nicht 20 Welttage des Buches in Deutschland, sondern es gibt einen einzigen. Und deshalb haben wir diese Eintrittskarte, dieses pinkfarbene Signet als Dachkampagne da draufgesetzt.

    Müller-Ullrich: Aber haben Sie Verständnis für meine Sensibilität, die ich einfach da mal ausdrücken möchte. Wie ist das denn im Börsenverein selbst oder mit den anderen, die dabei sind, also Stiftung Lesen und alle anderen, ist da jeder wirklich so "Gung ho" (Anmerkung der Online-Redaktion: "Gung ho" - ist ein Ausruf einer Eliteeinheit der US-Marine, mit dem sich die Soldaten bei der Lösung von Problemen anfeuerten, und der sich mittlerweile als eine Bezeichnung für "enthusiastisch" eingebürgert hat), dass das so sein muss?

    Paul: Dass was wie sein muss?

    Müller-Ullrich: Ja, so wie es da veranstaltet wird. Oder ich setze noch mal anders an: Es gibt einen Ausschließungszusammenhang zwischen Literatur und Dummheit. Das heißt, der Generalsekretär der deutschen UNESCO-Kommission, Roland Bernecker, hat’s so schön ausgedrückt: "Nur Bücher schaffen den Raum, den man braucht, um Abstand zu gewinnen und zugleich tiefer in Dinge einzudringen." Anders herum: Viel Unterschichten-Fernsehen tut der Lesekultur nicht gut. Muss man sich auf dieses Niveau wirklich begeben?

    Paul: Ich finde, es ist kein schlechtes Niveau, auf das man sich begibt, wenn man versucht, Kinder, Jugendliche, aber eben auch Erwachsene an das Buch heranzuführen. Also wir sehen diesen ganzen Welttag des Buches als eine große Leseförderung letztlich. Weil wenn Sie dort in die Buchhandlungen gehen, das ist der Ort, wo Sie Bücher erhalten unter anderem, und das sind natürlich unsere Mitglieder, die wir vertreten. Und wenn Sie an so einen Ort kommen und mit Büchern in Berührung kommen, dann ist das doch erst mal im Grunde einfach was Positives. Bücher und Menschen kommen miteinander in Berührung. Und das soll es letztlich sein.

    Müller-Ullrich: Gehört zur Leseförderung nicht auch - man darf es vielleicht am 80. Geburtstag von George Steiner, der heute ja auch ist, sagen -, dass man den Kindern sagt, dass Lesen, dass Bücher etwas Großes und Schwieriges sein können?

    Paul: Das schließt sich nicht aus. Bücher können etwas Großes und Schwieriges sein, Bücher tragen sehr, sehr viel Wissen in sich, aber darüber hinaus machen sie natürlich auch noch viel mehr, und das darf man den Büchern auch nicht absprechen: Sie inspirieren, sie unterhalten, man hat Spaß mit Büchern. Das Ganze schließt sich ja nicht aus.

    Müller-Ullrich: Buchhändler sind ja Kulturträger, viele Buchhändler, die ich kenne, sehr sensible Naturen, rufen die dann bei Ihnen manchmal an und sagen: Hey Leute, geht’s ein bisschen anders, könnt ihr das bremsen?

    Paul: Also unsere Buchhändler rufen schon bei uns an, wenn ihnen irgendetwas nicht gefällt, ja. Das kann beispielsweise auch mal ein Plakat sein, was ihnen nicht gefällt, oder eine Aktion, die ihnen nicht gefällt. Jetzt bei dieser Aktion, wie sich der Welttag des Buches entwickelt hat, fühlen sich die meisten, sicherlich nicht alle, alle kann man nie zufriedenstellen, aber die meisten Buchhändler zu Hause.

    Müller-Ullrich: Vielen Dank! Das war Claudia Paul, Pressesprecherin des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels zum Welttag des Buchs und der einschlägigen Dachkampagne.