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Büchsen-Prosit

Am 24. Januar 1935 beginnt für die amerikanischen Biertrinker eine neue Zeitrechnung: Ab sofort gibt es den Gerstensaft auch in der Dose. Eine Brauerei mit dem schönen deutschen Namen Krueger im US-Bundesstaat New Jersey wird zum Dosenpionier. Der Weg dahin war beschwerlich.

Von Christian Schwalb | 24.01.2010
    Amerika, Anfang der 30er-Jahre. Die Prohibition hat ihren Höhepunkt überschritten. In den Großstädten hat man genug von den Auswüchsen des Alkoholverbots, von wachsender organisierter Kriminalität, Korruption und Gewalt – und von dem jahrelangen Kampf um die Kontrolle des schwarzen Markts. Aber noch bevor Präsident Franklin D. Roosevelt einen Schlussstrich unter diese Ära zieht und die ersten Alkoholika wieder legalisiert, meldet die Pittsburgh Post-Gazette am 6. Juni 1933 eine Revolution anderer Art vom amerikanischen Getränkemarkt:

    "Die American Can Company steht kurz vor der Einführung eines Blechbehältnisses für Brauereiprodukte. Maschinen zur Produktion dieser neuartigen Behältnisse werden derzeit in den ersten Fabriken von American Can aufgestellt und sollen den Betrieb bald aufnehmen."
    Schon vor Beginn der Prohibition hatte die American Can Company begonnen, mit verschiedenen Materialien zu experimentieren. Es vergehen Jahre, bis die Ingenieure endlich die beiden größten Probleme lösen: Viele Dosen halten dem Druck des kohlensäurehaltigen Biers nicht stand und bersten. Als noch diffiziler erweist sich die Beschichtung des Metalls - bis American Can die Dosen erfolgreich mit einer teerähnlichen Substanz auskleidet. In der Patentanmeldung heißt es:

    "Es hat sich herausgestellt, dass die Berührung des Metalls mit dem Bier schon in kleinen Mengen eine chemische Reaktion hervorruft, die zu einer unappetitlichen Trübung führt und das Bier unverkäuflich macht."

    American Can findet einen Partner in der Gottfried Krueger Brewery in Newark, New Jersey. Im September 1933 füllt die Brauerei ihr "Krueger's Special" in Prototypen ab und verschickt diese, versehen mit einem Fragebogen, an einige Hundert loyale Krueger-Trinker. Der Versuch glückt: die Zustimmung fällt mit 91 Prozent überwältigend positiv aus. Am 24. Januar 1935 gehen die ersten Krueger-Dosen in den regulären Verkauf. Das ist die offizielle Geburtsstunde der Bierdose, sagt Kevin Logan vom Beercanmuseum in East Taunton, Massachusetts, das in seiner Ausstellung eine der frühen Krueger-Dosen beherbergt.

    "American Can brauchte ein Versuchskaninchen – eine Brauerei, die sich auf etwas völlig Neues einlassen würde. Krueger ging es wie vielen Brauereien: nach 13 langen Prohibitionsjahren hatte man nichts zu verlieren. American Can lockte sie mit einem Versprechen. Man würde das Equipment aufstellen, und Krueger müsse nur dafür zahlen, wenn der Feldversuch glücken würde. Und siehe da: Die Akzeptanz war hervorragend. Der Rest ist Geschichte."

    Krueger bringt seine Bierdosen mit einem sogenannten "Flat top" auf den Markt – einem flachen Deckel ohne integrierten Verschluss. Die Bedienung des neuartigen Behältnisses ist erklärungsbedürftig, jedes Krueger-Etikett enthält eine ausführliche Anleitung. Der Bierfreund muss die Dose buchstäblich anstechen - mit dem sogenannten "Church Key", dem "Kirchenschlüssel". Die Öffner liegen jedem Sixpack bei.

    "Die Biertrinker mussten erst lernen, wie man das Bier aus der Dose bekam. Erst in den 60er-Jahren wird dann der sogenannte 'Tab top' erfunden: Ein eingebauter Verschluss, der sich mittels eines Metallrings öffnen ließ. So praktisch das war – die Tab tops erwiesen sich als ökologischer Albtraum. Die Metallringe wurden überall hingeworfen. Mehr als ein Biertrinker ist an so einem Ding erstickt, und an Stränden haben sich Legionen von Biertrinkern die Füße aufgeschnitten."

    In den 70er-Jahren setzen sich dann die "Stay Tabs" durch, eine neue Generation von Getränkedosen, an denen die Metallringe nicht mehr abgezogen werden. Dieses Modell wird bis heute zur Abfüllung praktisch aller kohlensäurehaltigen Getränke verwendet.

    Der Siegeszug der Bierdose verläuft rasant. Eine Brauerei nach der anderen folgt dem Beispiel Kruegers. Ab 1959 – und bis heute - wird in den USA mehr Bier in Dosen als in Flaschen verkauft. Die Verbraucher schätzen die praktischen Dosen, sagt Kevin Logan vom Beercanmuseum: Sie sind leichter, unzerbrechlich, haltbarer, und kühlen das Bier besser als Flaschen.
    "Dosengegner wie die Flaschenindustrie halten an zwei Argumenten fest: Man könne nicht sehen, was man da trinke. Es könnte sich beispielsweise Ungeziefer in der Dose befinden. Und natürlich, dass Dosenbier nach Dose, also metallisch schmeckt. Aber das ist in Jahrzehnten nicht einmal nachgewiesen worden."