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Bückware Käfig-Eier

Legebatterie oder Bio-Hof - die Entscheidung beim Eier-Kauf trifft der Verbraucher selbst und beeinflusst damit die Lebensmittel-Industrie weltweit. Über Tierschutz in Zeiten des globalen Handels haben Umweltexperten auf einer Tagung in Wiesbaden diskutiert. Mit dabei auch die indische Wissenschaftlerin Vandana Shiva. In ihrer Heimat begehen viele Bauern aus Verzweiflung Selbstmord.

Von Anke Petermann | 29.09.2006
    Dass industrielle Landwirtschaft Nahrungssicherheit bringt, hält die Inderin Vandana Shiva für einen der größten Irrtümer unserer Zeit. Die Agrarindustrie sei ein gewalttätiges System, so die Trägerin des Alternativen Nobelpreises. Die Physikerin und Ökologin begründet diese radikale Position unter anderem damit, dass in den letzten zehn Jahren die Selbstmordrate indischer Bauern anstieg, je mehr sie in das System globaler Kooperation eingebunden waren:

    "Solche Kooperationen beuten Bauern aus, indem sie sie in die chemische Tretmühle schicken, ihnen patentiertes Saatgut verkaufen, das sie nicht fürs Jahr danach sichern können, weil es nicht erneuerbar ist und alljährlich wieder gekauft werden muss. Das ist teuer für die Bauern. Auf der anderen Seite fallen im Zuge der Globalisierung die Preise, zum Beispiel für Baumwolle um die Hälfte wegen des 4 Milliarden schweren Subventionsbatzens in den USA.

    Steigende Kosten und fallende Preise bedeuten wachsende Verschuldung. Überschuldung bedeutet Zahlungsunfähigkeit und die Gefahr, das eigene Land zu verlieren. Das treibt Farmer in den Selbstmord. 140.000 indische Bauern in zehn Jahren - jeden Tag sterben einige."

    Ökologischer Anbau in Indien bringe zwar nicht mehr Mais und Soja hervor, aber über das ganze Artenspektrum hinweg gesehen lasse auf Biodiversität ausgerichtete Produktion Bauern die doppelte Menge dessen erzeugen, was industrielle Landwirtschaft erzielt hätte - für den fünffachen Ertrag, so das Ergebnis eines Forschungsberichts, den Shiva am 6 .Oktober, dem Geburtstag von Mahatma Gandhi, vorlegen wird.

    Für einen der schlimmsten Auswüchse hält Shiva den Sojaanbau, für den der Regenwald am Amazonas abgeholzt wird. Bis vor einem Jahr auch, um Futtermittel für die Fleischproduktion der Fastfood-Kette Mc Donalds zu erzeugen. Aber, so Reinhard Kaeppel, ehemals Leiter der Qualitätssicherung, heute freier Berater des Unternehmens:

    "Als wir festgestellt haben, dass dieses gentechnikfreie Soja zum geringen Teil aus diesem Regenwald kommt, haben wir das sofort abgeschafft."

    Mc Donald’s auf dem Weg zur Nachhaltigkeit? Man setze auf rückverfolgbare Tierhaltung ohne Antibiotika und Wachstumsförderer, betont Kaeppel.

    "Man kann nicht 50 Millionen Big Macs täglich anbieten, die nachhaltig erzeugt sind","

    kontert Vandana Shiva. In Deutschland hatte sich schon vor zwanzig Jahren die Lebensmittelkette Kaiser’s Tengelmann mit Qualitätsfleischprogrammen an die Spitze der Bewegung gesetzt. Doch Käfig-Eier bietet der Einzelhandelskonzern immer noch an. Paul Daum vom Nationalen Qualitätsmanagement begründet:

    ""Der Kunde muss selbst entscheiden, was er kauft. Wir wollen ihn aber auf die alternativen Haltungssysteme hinweisen. Das tun wir teilweise durch Plakate - auf die Freiland-Eier, auf die Bio-Eier, auf die Bodenhaltungs-Eier. Aber er muss selbst aus sich heraus die Entscheidung treffen. Und wenn er Käfig-Eier kaufen möchte - dafür sind wir Händler, dann bekommt er sie auch bei uns. Aber dann muss er sich bücken, denn die sind auf dem untersten Boden."

    Käfig-Eier als Bückware? - eine Verkaufspolitik, die in den Augen von Tierschützern keine Gnade findet. Marion Selig, stellvertretende Vorsitzende des Tierschutzbeirats der hessischen Landesregierung.

    "Ich finde das recht enttäuschend, dass diese Ladenkette Käfig-Eier Mitte der 90er Jahre ausgelistet und im Jahr 2000 wieder eingelistet hat mit der Begründung, der Verbraucher hätte zu viel Druck gemacht. Ich denke, eine Kette, die für mehr Tierschutz eintritt, sollte so viel Verantwortung haben, dann auch dafür zu stehen und solche Produkte aus dem Regal zu lassen und entsprechend aber auch Werbung zu betreiben und zu sagen, wir verkaufen keine Käfig-Eier mehr. Und ich glaube, dass der Verbraucher dadurch auch zu überzeugen ist."