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Bühne für Ausländerfeindlichkeit

Der Gewinn der Fußball-Europameisterschaft 2004 durch die griechische Nationalmannschaft war eine Sensation und vermutlich etwas Einmaliges. Die Mannschaft von Otto Rehagel ist nicht nur im Confederation-Cup gescheitert, ihr droht auch das Aus bei der Qualifikation für die Fußball-Weltmeisterschaft 2006. Gleichzeitig nehmen Rechtsextremismus und Ausländerfeindlichkeit in den Fußballstadien zu. Ein Bericht von Panagiotis Kouparanis.

    4. Juli 2004, die griechische Fußball-Nationalmannschaft hat in Lissabon die Europameisterschaft gewonnen. Im Zentrum von Athen feiern Zehntausende den Sieg. Man hört aber nicht nur Jubelrufe, sondern auch Losungen wie "Albaner, Albaner, niemals wirst du Grieche". Menschen werden zusammengeschlagen. Wie sich herausstellt, hatten Rechtsextreme versucht, Ausländer daran zu hintern, gemeinsam mit den Griechen den Sieg der Europameisterschaft zu feiern. Zwei Monate später, im September 2004, als die griechische Mannschaft gegen Albanien in Tirana verlor, kommt es in ganz Griechenland zu Gewalttätigkeiten gegen albanische Migranten. Die Bilanz dieser Tage: 300 verletzte Albaner und ein Toter. Auf der Insel Zakynthos wurde ein albanischer Migrant erstochen - von einem Russlandgriechen. Auch wenn sich einige Albaner provokativ verhalten hatten, indem sie griechische Fahnen verbrannten, entschuldigt das noch lange nicht das, was folgte, meint der Regisseur Constantin Giánnaris, dessen Film über eine Busentführung durch einen Albaner auf der diesjährigen Berlinale gezeigt wurde.

    "Von den Portugiesen, den Engländern, den Franzosen, besiegt zu werden, das akzeptieren wir, weil sie genauso Europäer sind wie wir. Aber von den Albanern besiegt zu werden ist so, als ob dein Hausangestellter, dein Bauarbeiter dich vergewaltigt. Das ist unakzeptabel. Die meisten Albaner, die auf die Strasse gingen, haben doch nur den Sieg ihrer Mannschaft bejubelt. Haben wir nicht genau das gleiche in den Strassen von Lissabon getan? Die Portugiesen haben uns deswegen doch auch nicht niedergestochen."

    Protagonisten der Ereignisse auf den Strassen waren Mitglieder und Anhänger nationalistischer und rechtsextremer Organisationen. Sie sind auch in den Fußballstadien präsent. Nur: Migranten trauen sich kaum noch, dorthin zu gehen. Und weil es sich die Rechtsextremisten mit den Fans nicht verderben wollen, werden die ausländischen Spieler der griechischen Clubs in Ruhe gelassen.

    Aber die Rechtsextremisten sind in fast jedem Verein der griechischen Profiliga präsent. Entweder mit einem eigenen Fanclub oder sie haben irgendwo Unterschlupf gefunden. Der Vereinsführung von Panathinaikos Athen gelang es zwar, den "Nazistischen Verein der Panathinaikos-Anhänger" aufzulösen, seine Anhänger findet man jetzt aber bei den äußerst aggressiven "Ultras" von Tor 13. Bei Olympiakos-Piräus gilt der Fanclub "Misfits" als rechtsextrem, bei AEK Athen heißen sie "Getto". Bei Aris in Thessaloniki sind es die "Heiligen Krieger", beim Lokalrivalen PAOK die "Nordländer" und die "Byzantinischen Kämpfer". Viele andere rechtsextremistische und nationalistische Fanclubs in griechischen Provinzvereinen könnten hier aufgezählt werden.

    Um all diese Organisationen bemüht sich seit fünf Jahren "Galazia Stratia", das so genannte "Blaue Heer". Es ist die die Sportausgabe der neonazistischen Partei Hryssí Avgí, "Goldener Morgen". Die auf 400 geschätzten Mitglieder des "Blauen Heeres" kommen zu Spielen der Nationalmannschaft mit Fahnen, auf denen ein keltisches Kreuz abgebildet ist, das einem Hakenkreuz ähnelt. Anlass für seine Gründung war die Ankündung des griechischen Fußballverbandes im Jahre 2000, dass man sich mit dem türkischen Verband um die gemeinsame Ausrichtung der Fußball-Europameisterschaft 2008 bewerben werde.
    Warum sind sie aber gerade in den Stadien zu finden? Nicht, weil Fußball an sich Gewalt hervor rufen würde, sagt der Sozialpsychologe Gerassimos Prodromitis von der Athener Panteion-Universität, sondern weil Fußball Phänomene fördert und beschleunigt, die bereits in der Gesellschaft vorhanden sind.

    "In dem Masse wie es Phänomene eines zunehmenden Rassismus in der griechischen Gesellschaft gibt - auch wenn wir es nicht wahrhaben wollen - wird Fußball den Raum bieten, wo sich solche Phänomene mit größerer Theatralik und Dramaturgie darstellen lassen."

    Und tatsächlich. Infolge des Falls der sozialistischen Regimes auf dem Balkan kam es seit Anfang der 90er Jahre zu einer massenhaften Einwanderung nach Griechenland. Diese Zahl hat sich bei etwa einer Million Menschen stabilisiert, das sind 10,3 Prozent der Bevölkerung. Griechenland, das praktisch über Nacht zum Einwanderungsland geworden ist, hat sich noch nicht ernsthaft damit auseinandergesetzt was es heißt, mit Nicht-Griechen zusammenzuleben, sie zu Nachbarn zu haben, zu Arbeitskollegen, zu Mitschülern ihrer Kinder. Dementsprechend hat auch die Fremdenfeindlichkeit in der griechischen Gesellschaft zugenommen, und infolgedessen auch im Sport, so der Sportsoziologe Julios Sinadinós, selbst aktives Mitglied des Athener Fußballclubs AEK.

    "Der Rassismus im Sport ist in den anderen Ländern der Europäischen Union schon länger ein Phänomen. Bei uns in Griechenland macht er sich erst jetzt so richtig bemerkbar. Wir müssen jetzt erkennen, dass dieses Problem nicht so einfach ist, wie wir früher angenommen hatten. Wir müssen vor allem akzeptieren, dass wir in einer multikulturellen Gesellschaft leben. Dass wir als Griechen nicht mehr unter uns leben."

    Demnach würde es also nicht genügen, die rechtsextremen Hooligans zu bekämpfen. Das Übel an der Wurzel packen, bedeute, den alltäglichen Rassismus zu bekämpfen. Dass man Erfolg haben kann, wenn man sich dem stellt, zeigte sich beim Rückspiel Griechenland-Albanien im März dieses Jahres in Athen. Intellektuelle, Parteien und Nicht-Regierungsorganisationen beließen es nicht nur bei öffentlichen Appellen, sondern waren auch im Stadion präsent. Es gab keine Vorfälle.