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Bühnen-Inspiration statt National-Theater

Der zweite Weltkrieg beendete den Austausch zwischen dem deutschen und dem tschechischen Theater. Erst Anfang der 90er, nach der Wende, wurde mit der Gründung des Prager Theaterfestivals deutsches Theater nach Prag zurückgeholt. Heute freut sich die Festivaldirektion über Vorstellungen, die das Publikum spalten.

Von Lucia Hodinka |
    Wenn der Vorhang fällt, dann fängt der Streit an: die Vorstellungen des Prager Theaterfestivals spalten oft das Publikum. Manche sind begeistert, andere behaupten laut, noch nie so etwas Schlechtes auf einer Bühne gesehen zu haben. Und genau darüber freut sich die Festivaldirektorin Jitka Jílková. Denn sie will mit ihrer Stückauswahl provozieren.

    " Das Publikum hat sich daran gewöhnt. Und es erwartet das auch von uns. Und wenn wir mal nicht provozieren, beschweren sich die Leute schon. Und darauf sind wir sehr stolz. "

    Sie ist froh, dass es wieder eine deutsche Theaterszene in Prag gibt. Vor den Weltkriegen war das nichts Außergewöhnliches. Es gab in Prag eine deutsche Bühne und tschechische Theaterleute kannten wie selbstverständlich auch die Premieren in Berlin und Wien.

    Aber nach dem 2. Weltkrieg hörte der Austausch auf. Das deutsche Theater verschwand. Erst Anfang der 90er, nach der Wende, wurde mit der Gründung des Prager Theaterfestivals deutsches Theater nach Prag zurückgeholt. Eine gute Entscheidung, meint der Theaterwissenschaftler Josef Herman.

    " Ich glaube, wir befinden uns in einem gemeinsamen gesellschaftlichen Raum, und deshalb sollten wir uns darüber informieren, wie an anderen Orten Theater gemacht wird. Ich halte das deutschsprachige Theater heute für eins der besten der Welt. Deshalb ist es nur gut, dass das deutsche Theater wenigstens in dieser Form nach Prag zurückkehrt. "

    Und das tschechische Theater öffnet sich auch wieder dem deutschen. Elfriede Jelineks "Das Werk" war im vergangenen Jahr nach langer Zeit wieder das erste deutschsprachige Stück im tschechischen Nationaltheater. Jetzt, im Jubiläumsjahr, gibt es zwei Wochen lang jeden Tag mindestens eine Veranstaltung. Unter anderem ist das Burgtheater Wien mit "Mozart Werke Ges.mbH" zu sehen, und "Meine Schneekönigin" von Frank Castorf. Zur Eröffnung kam das Thalia Theater mit Stephan Kimmigs "Hedda Gabler". In dem Stück spielt auch Fritzi Haberland, dieses Jahr zum dritten Mal in Prag.

    " Ich hab an drei verschiedenen Spielstätten gespielt, es waren drei Mal ganz unterschiedliches Publikum, deswegen ist es interessant für mich, weil ich gar nicht sagen kann: na ja, in Prag ist es immer so. Das ist ganz offen und anders und ein ganz gemischtes Publikum und das macht es natürlich aufregend. "

    Ein Ziel des Festivals ist es, mehr deutsche Stücke auf tschechische Bühnen zu bringen. Deshalb hat es den Max-Preis ausgeschrieben. Für die beste tschechische Inszenierung eines zeitgenössischen deutschen Stückes. Das Konzept geht auf. Diesmal gab es 25 Bewerber – das heißt, dass in Tschechien im letzten Jahr immerhin 25 aktuelle deutsche Stücke aufgeführt wurden. Deutlich mehr als vorher. Das macht Josef Balvin, den Festivaldramaturgen natürlich stolz.

    " Ich war eine Zeit lang der einzige, der deutschsprachige Dramen übersetzt hat und jetzt stürzen sich auch die jungen Leute darauf, so dass auch dieser Aspekt initiativ und inspirativ wirkt. "

    Eine deutsche Bühne wie früher wird es in absehbarer Zeit wohl nicht wieder geben. Aber Jitka Jílková freut sich darüber, was deutsches Theater auch so schon in Tschechien erreicht.

    " Es unterhält, zwingt die Leute über Probleme nachzudenken, über die sie bisher hier nicht nachdenken wollen und manchmal schockiert es. "

    Und wenn die Finanzierung auch weiterhin gelingt, wird das die nächsten Jahre auch so bleiben.