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"Bündnis für Arbeit" in der Krise

Nach acht Monaten Pause tagt am Sonntag wieder einmal das Bündnis für Arbeit. Die Erwartungen an dieses Treffen sind eher gering. Denn zwischen den Beteiligten herrscht alles andere als Einvernehmen. Einig ist man sich nur in einem: Weder die Arbeitgeber noch die Gewerkschaften sind zufrieden mit der bisherigen Bündelei auf höchster Ebene. Zunehmend wird denn auch die Bündnis-Idee selbst in Frage gestellt. Ob es dem Kanzler auf dem kommenden Krisen-Gipfel gelingen wird, für einen Stimmungswechsel zu sorgen, steht dahin.

Christian Hülsmeier |
    Gerhard Schröder indes darf es sich als ersten Erfolg anrechnen, dass die Präsidenten der Arbeitgeber und die Vorsitzenden der Gewerkschaften seiner Einladung ins Kanzleramt überhaupt folgen. Denn beide Seiten sind enttäuscht von einander, aber auch von der Bundesregierung. Es fehle an der Bereitschaft zum Kompromiss und an der Fähigkeit, überholte Positionen aufzugeben.

    Dieser Eindruck hat sich in der langen Gesprächspause verfestigt. Seit dem vergangenen Juli platzten mehrfach die zunächst geplanten Bündnis-Termine. Statt im Bündnis den Konsens zu suchen, demonstrierten die Gewerkschaften zum Beispiel gegen die Rentenreform. Die Arbeitgeber wiederum gingen auf Konfliktkurs, als sich die Bundesregierung daran machte, die Betriebsverfassung zu modernisieren. In diesem konfliktreichen Klima taten sich die Bündnis-Partner schon schwer damit, überhaupt eine gemeinsame Tagesordnung für ein Treffen aufzustellen.

    Tatsächlich ist von der einstigen Aufbruch-Stimmung nichts mehr zu spüren. Denn das Bündnis wird dem eigenen, vor zwei Jahren verkündeten Anspruch nicht gerecht. Bislang jedenfalls haben sich die Gesprächsrunden nicht als Motor der Modernisierung erwiesen. Das aber war das Ziel. Das Bündnis weckte Hoffnung, endlich die lang währende Stagnation in der Wirtschaft und vor allem auf dem Arbeitsmarkt überwinden zu können. Im Konsens und in einer Konzentration der Kräfte.

    Davon ist heute kaum noch die Rede. Statt dessen äußern insbesondere die Arbeitgeber ihren Unmut über den Bündnis-Verlauf. Zu den Kritikern zählt auch der Zentralverband des Deutschen Handwerks. Dessen Generalsekretär Hanns-Eberhard Schleyer zieht eine eher trübe Bündnis-Bilanz:

    Hanns-Eberhard Schleyer: "Die eigentliche Bedeutung des Bündnisses liegt in der Tatsache, dass wir etwa eine vernünftige Tarifrunde 2000 gehabt haben. Und das Bündnis wird sich nicht zuletzt auch an der weiteren Frage entscheiden, ob eine Wiederholung solcher grundsätzlicher Vereinbarungen über moderate, beschäftigungsfördernde Tarifabschlüsse gelingt. In den großen, in den strukturellen Fragen der Wettbewerbsfähigkeit, der Reformfähigkeit dieses Landes hat das Bündnis nicht zustande gebracht. Das Bündnis hat überall dort nicht funktioniert, wo die Bundesregierung über ihre Mehrheiten in der Gesetzgebung ihre Politik hat machen können. Es hat einigermaßen funktioniert, wo die Sozial-Partner, die Tarifvertragspartner gefordert gewesen sind."

    Auch in den Gewerkschaften wächst die grundsätzliche Kritik an dem Dreier-Pakt. Zum Beispiel in der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen und in der IG Medien. Beide Organisationen haben bereits offiziell ihren Ausstieg aus dem Bündnis beschlossen. Freilich sind kleinere Gewerkschaften auch nicht selbst, mit eigenen Vertretern an den Treffen im Kanzleramt beteiligt.

    Zu denen, die beim Kanzler vorsprechen, gehört indes Dieter Schulte. Und der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes will auch in Zukunft dabei sein. So sagt Schulte:

    Dieter Schulte: "Zumindest nach meiner Einschätzung gibt es im Augenblick noch keine Alternative, keine sinnvolle Alternative zu den Bündnis-Gesprächen. Und man hat natürlich häufig auch damit zu tun, dass die größten Kritiker diejenigen sind, die am Gespräch nicht direkt beteiligt sind. Damit muss man fertig werden. Fakt ist, dass wir in den, ja, gut zwei Jahren, in denen wir die Bündnis-Gespräche geführt haben, einiges erreicht haben, was ohne derartige Gespräche nicht möglich war. Man muss daran erinnern, dass vor gut zwei Jahren ein Klima noch herrschte, wo ja kaum ein miteinander Sprechen über solche Dinge möglich war, und insbesondere auch zwischen den Tarifrunden kaum zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften möglich war."

    Trotz aller Gesprächsbereitschaft will freilich auch Schulte über eines nicht mit sich reden lassen. Die Reform der Betriebsverfassung sei kein Bündnis-Thema. Und mit diesem Nein hat sich der DGB-Vorsitzende weitgehend durchsetzen können.

    Zwar werden die Arbeitgeber morgen noch einmal vortragen, was sie von dem aktuellen Gesetzentwurf der Bundesregierung halten. Zu teuer, zu bürokratisch, zu wenig demokratisch, so lautet die Kritik. Aber auch die Arbeitgeber wissen, dass sie mit ihren Einwänden kaum erfolgreich sein werden. Denn nach wochenlangem Hin und Her sind die Arbeitgeber schon bei dem Versuch gescheitert, die Betriebsverfassung auf die offizielle Tagesordnung zu setzen. Nun müssen die Arbeitgeber-Präsidenten warten, bis der Punkt "Verschiedenes" aufgerufen wird. Erst dann, ganz zum Schluss, können sie ihren Herzen noch einmal Luft machen.

    Dieser Streit kennzeichnet das Klima, das gegenwärtig das Bündnis beherrscht. Weder Gewerkschaften noch Arbeitgeber sehen sich in der Lage, miteinander konstruktiv die Basis der Sozialpartnerschaft in den Betrieben zu erneuern. Das zeugt nicht von einem gewachsenen Vertrauen zwischen den Gesprächspartnern. Dieter Schulte nennt freilich andere Gründe, warum die Betriebsverfassung das Bündnis nicht berühre:

    Dieter Schulte: "Wir müssen uns als erstes ganz präzise daran erinnern, was wir gesagt haben, wozu das Bündnis für Arbeit nicht dienen darf. Und zwar, es darf kein Ersatz werden für parlamentarische Entscheidungen, die die Bundesregierung zu fällen hat, und zwar nur sie alleine. Und dazu gehört zum Beispiel die Rente, dazu gehört auch die Betriebsverfassung. Also, solche Dinge gehören auch zukünftig nicht in ein Bündnis für Arbeit. Wir müssen die Souveränität des Parlaments akzeptieren, nach wie vor, und unterstützen und sollten das im Bündnis für Arbeit machen, was wir in der Konsequenz auch umsetzen können."

    Das Bündnis-Klima trübt freilich ein anderes Problem. Die Gewerkschaften sind der Auffassung, genug Kröten geschluckt zu haben. Tatsächlich gab es für Arbeitnehmer-Organisationen bislang im Bündnis wenig zu gewinnen. Wirklich zu Buche schlägt allein ein Erfolg. Die Zahl der Ausbildungsplätze ist deutlich gestiegen. Ansonsten mussten sich die Gewerkschaften politisch einbinden lassen. Zähneknirschend haben sie zum Beispiel die Entlastung der großen Unternehmen durch die Steuerreform akzeptiert, und auch die Reform der Renten verläuft nicht voll nach Vorstellung der Gewerkschaften. Vor diesem Hintergrund weiß auch Gerhard Schröder: Ohne eine arbeitnehmerfreundliche Betriebsverfassung verliert die rot-grüne Koalition die Unterstützung durch die Gewerkschaften.

    Im Gegenzug wissen die Arbeitgeber genauso gut, dass sie von der Bundesregierung in dieser Legislaturperiode nicht mehr viel erwarten können. Die großen Reformen sind weit-gehend durchs Parlament gebracht, bereits im Herbst beginnt der Vorwahlkampf. So sagt denn auch Hanns-Eberhard Schleyer:

    Hanns-Eberhard Schleyer: "Was wir uns erwarten können für den Rest der Legislaturperiode, das ist auf der einen Seite eben aus dem Bündnis heraus aus, aus einem bestimmten Gesprächsklima heraus, das sich im Bündnis entwickelt hat, eine weitere vernünftige Tarifrunde. Ich glaube, es ist ganz klar. Wenn es nicht zu dieser Tarifrunde kommt, dann hat das Bündnis seinen letzten Sinn verloren."

    Nach wie vor drohen die Arbeitgeber also mit einem Auszug aus dem Bündnis. Der DGB-Vorsitzende will das jedoch nicht allzu ernst nehmen. Schließlich muss sich Dieter Schulte selbst der Forderungen erwehren, das Bündnis platzen zu lassen. Schulte weiß daher um das Für und Wider solcher Überlegungen. Er werde...

    Dieter Schulte: "... auf keinen Fall eine Allianz zwischen Bundesregierung und Arbeitgebern alleine zurücklassen. Denen traue ich nicht in der Zusammensetzung. Und da es ja nicht nur dumme, sondern auch kluge Arbeitgeber in Deutschland gibt, bin ich fest davon überzeugt, dass sie nicht aus-stetigen werden. Denn sie würden ja eine Allianz zurücklassen zwischen Gewerkschaften und Bundesregierung. Und ich könnte mir vorstellen, dass sie uns genauso wenig trauen."

    Doch ob das Bündnis erfolgreich ist oder scheitern wird, darüber entscheidet letztlich die Entwicklung der Arbeitslosigkeit. Noch ist jedenfalls kein deutlicher Abbau der Arbeitslosenzahlen zu verzeichnen. Im Gegenteil, mit dem Abflachen der Wachstumskurve schwindet auch die Beschäftigungsdynamik. Die Unternehmen sind wieder vorsichtiger bei Neueinstellungen als etwa vor einem Jahr.

    Grund genug für die Gewerkschaften, neue Beschäftigungs-initiativen zu verlangen. Vor allem von den Arbeitgebern. Ein Hoffnung ruht dabei auf mehr Teilzeitstellen. Zumal die Bundesregierung gerade erst ein Gesetz verabschiedet, das den Beschäftigten einen Anspruch auf Teilzeitarbeit einräumt. DGB-Chef Dieter Schulte erwartet nun Taten der Arbeitgeber:

    Dieter Schulte: "Die Frage der Teilzeitarbeit ist ein Dauerthema in dieser Gesellschaft seit einigen Jahren. Ich hab immer wieder gesagt, da reichen keine Hochglanzbroschüren, sondern es müssen die gesetzlichen Voraussetzungen geschaffen werden. Das ist jetzt eingetreten. So, und jetzt muss umgesetzt werden. Und wenn ich sage, bis zum Ende des Jahres werden nach meiner Einschätzung 250.000 zusätzliche Arbeitsplätze möglich. Ja, dann müsste es doch fast mit dem Teufel zugehen, wenn uns das nicht gelingt."

    Die Arbeitgeber indes werden sich auf dem morgigen Gipfeltreffen nicht in die Pflicht nehmen lassen. Aus praktischen Erwägungen, weil auch Arbeitgeberverbände die Unternehmen nicht zu Neueinstellungen zwingen können. Aber auch aus grundsätzlichen Überlegungen. Das Handwerk zum Beispiel hält Bundesregierung wie Gewerkschaften vor, in der Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik die Weichen falsch zu stellen. ZDH-Generalsekretär Hanns-Eberhard Schleyer etwa sagt:

    Hanns-Eberhard Schleyer: "Der Arbeitsmarkt ist eben kein Markt im eigentlichen Sinne. Der deutsche Arbeitsmarkt ist reglementiert, er ist unflexibel, und die jüngsten gesetzgeberischen Entscheidungen haben diese Unflexibilität eher noch verstärkt. Denn in Richtung mehr Flexibilität abgebaut. Wenn Sie etwa an die Neuauflage an die befristeten Beschäftigungsverhältnisse denken, wenn Sie etwa an die Schwierigkeiten im Mittelstand denken, die aus einem Rechtsanspruch auf Teilzeit resultiert. Das alles sind sicherlich keine vertrauensbildenden Maßnahmen, die dazu beitragen, tatsächlich auch zu nennenswert mehr Beschäftigung zu kommen."

    Dabei gibt es durchaus mehr Arbeit. Die Zahl der Überstunden zumindest wächst deutlich. Zum Unmut der Gewerkschaften. Denn schließlich haben auch die Arbeitgeber in vergangenen Bündnis-Papieren dem Abbau von Überstunden zugestimmt. Die Gewerkschaften wollen daher am Sonntag nicht nur mehr Teilzeitjobs, sondern auch weniger Überstunden bei den Arbeitgebern einklagen. Der Überstundenabbau soll bis zum Jahresende ebenfalls für 250.000 zusätzliche Stellen sorgen. Insgesamt soll somit die Zahl der Beschäftigten um eine halbe Million steigen.

    Doch die Arbeitgeber haben schon im Vorfeld der morgigen Bündnis-Runde signalisiert, dass sie sich darauf nicht einlassen wollen. Die Gewerkschaften wollen in dem Fall die Bundesregierung auffordern, Überstunden gesetzlich stärker zu begrenzen. Allerdings zeigt der Kanzler bislang keine Neigung, diesem Wunsch nachzukommen. Dieter Schulte indes meint:

    Dieter Schulte: "Mir reicht es allmählich in der Diskussion von den Vertretern der Arbeitgeber nur zu hören, was nicht geht. Das weiß ich selber, braucht mir keiner zu sagen. Sondern ich will mal hören, was denn geht in Sachen Überstunden. Und zwar nicht, 1,9 Milliarden in Deutschland weiterhin zu machen. Das entspricht rund eine Million Menschen zusätzlicher Beschäftigung. Man muss sich das mal vor Augen führen. Und jetzt soll man aufhören, mit den Gründen immer herbeizuführen, warum es nicht geht. Sondern, ich sag, es geht."

    Dass der Arbeitsmarkt nicht wie gewünscht funktioniert, dafür gibt es freilich eine Reihe von Belegen. Trotz Arbeitslosigkeit werden einerseits Überstunden gefahren, andererseits klagen die Unternehmen trotz Arbeitslosigkeit über einen Mangel an Fachkräften. Hans-Eberhard Schleyer:

    Hans-Eberhard Schleyer: "Es ist halt mit dem bloßen Wollen nicht getan. Wir werden immer in einer funktionierenden Volkswirtschaft Überstunden haben. Wir brauchen sie, um etwa bestimmte Auftragsspitzen abzubauen. Aber wir brauchen sie - das zeigt gerade die Erfahrung der letzten Jahre - insbesondere auch deshalb, weil es vielfach gar nicht gelingt, trotz hoher Arbeitslosigkeit die für bestimmte Positionen benötigten Fachkräfte zu gewinnen. Also, dass dem Unternehmer vielfach nichts anderes übrig bleibt, als Überstunden zu fahren. Denn er findet die Leute nicht, die er zusätzlich einstellen könnte, um bestimmte Aufträge auch tatsächlich abzuwickeln."

    Das Unbehagen am Bündnis rührt freilich auch daher, dass die Probleme des Arbeitsmarktes seit langem bekannt, aber nicht gelöst werden. Auch die beabsichtigten Initiativen zur Qualifizierung von älteren Arbeitslosen hätten bereits frühzeitiger erfolgen können. Immerhin will das Bündnis morgen beschließen, dass insbesondere die Älteren unter den Langzeitarbeitslosen verstärkt weitergebildet werden sollen - auf Kosten der Arbeitsämter.

    Dass eine Qualifizierungsoffensive Not tut, ist im Bündnis nicht umstritten. Bei der Umsetzung jedoch hapert es. Nicht zuletzt, weil es Arbeitgebern und Gewerkschaften schwer fällt, sich über die richtigen Instrumente zu einigen. So fordern zum Beispiel die Gewerkschaften einen tarifvertraglichen Anspruch auf Weiterbildung. Das aber lehnen die Arbeitgeber ab, aus Angst vor den damit verbundenen Kosten. Hanns-Eberhard Schleyer zeigt sich dennoch optimistisch, dass in diesem Fall das Bündnis Erfolge zeigt:

    Hans-Eberhard Schleyer: "Wir reden vom Einstieg in die Wissensgesellschaft, wir sprechen von der Notwendigkeit des lebenslangen Lernens. Und wir müssen in Deutschland feststellen, dass trotz mancher Aktivitäten der Vergangenheit in diesen Bereichen noch viel zu tun bleibt. Wir tun deshalb gut daran, die Voraussetzungen zu verbessern, um zu mehr Weiterbildungs-angeboten, vor allen Dingen aber auch zur Wahrnehmung dieser Weiterbildungsangebote in den Betrieben zu kommen."

    Zum Elchtest für das Bündnis könnte indes die nächste Tarifrunde geraten. Die Arbeitgeber möchten eine Fortsetzung der moderaten Tarifpolitik vereinbaren, die Gewerkschaften dagegen drohen. Nur wenn Überstunden abgebaut und Teilzeitstellen aufgebaut werden, sei über niedrige Abschlüsse mit ihnen zu reden.

    Dieter Schulte: "Ich war nie unbescheiden, wenn es um Forderungen ging, sondern wir waren als Gewerkschaften schon selbstbewusst, aber auch sehr angemessen, denn wir haben auf mögliche Spielräume verzichtet, weil wir mehr Menschen in Arbeit bringen wollten. Und eine derartige Tarifpolitik können sie nicht grenzenlos machen. Wenn nämlich die Gegenleistung, die Beschäftigung, nicht erfolgt, welche Instrumente haben wir Gewerkschaften denn dann noch? Wir haben dann nur das Instrument der nächsten Tarifrunde. Und deshalb habe ich nur den Arbeitgebern zum Nachdenken gegeben: Was bleibt den Gewerkschaften anderes über, wenn sie, wie in der Vergangenheit sehr häufig, ihre Gegenleistungen nicht erbracht haben, wenn sie eben nicht mehr Teilzeitarbeitsplätze zur Verfügung stellen, wenn sie nicht einen Teil der Überstunden abbauen, wenn sie also die verbesserten Möglichkeiten, die sich wirtschaftlich ergeben haben, steuerpolitisch ergeben, halt nicht ausnutzen. Ja, Donnerwetter, dann haben wir doch nur eine Chance: Dann halten wir, wenn es Brei regnet, den Hut drunter."

    Jenseits aller Wirtschaftswissenschaft offenbart der Streit um die Tarifpolitik, dass im Bündnis Kompromiss-Bereitschaft gefragt ist. Selbst wenn es richtig sein sollte, dass die bisherige tarifpolitische Bescheidenheit erst langfristig auf dem Arbeitsmarkt wirkt, so muss diese Botschaft doch den Mitgliedern der Gewerkschaften überbracht werden. Ohne sichtbare Erfolge aber wird es auch den Gewerkschaftsvorsitzenden nicht gelingen, ihre Basis auf eine moderate Tariflinie einzuschwören.

    Auf die Tagesordnung hat das Bündnis indes ein weiteres Thema gesetzt. Die Ost-Erweiterung der Europäischen Union. Damit werden sich die Bündnis-Partner nicht lange aufhalten müssen. Denn anders als in der Bevölkerung und in der Politik herrscht zwischen Bundesregierung, Wirtschaft und Gewerkschaften Einvernehmen. Selbst darüber, dass die Freizügigkeit der osteuropäischen Arbeitnehmer eingeschränkt wird. Für sieben Jahre, wie vom Bundeskanzler angekündigt. Das soll den hiesigen Arbeitsmarkt vor einer ungeordneten Zuwanderungswelle schützen. ziehen.

    Hanns-Eberhard Schleyer: "Das ist so ein Thema, das sich für das Bündnis geradezu aufdrängt. Denn ich glaube, dass es hier überhaupt keine Interessengegensätze zwischen Regierung, Wirtschaft und Gewerkschaft gibt. Wir haben aus politischen, aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten ein Interesse am Erfolg dieses Beitrittsverfahrens. Wir haben ein Interesse daran, dass dieser Beitritt von der Bevölkerung auch so akzeptiert wird. Das heißt, wir müssen auf der einen Seite Ängste und Sorgen berücksichtigen, auf der anderen Seite aber eben nicht zuletzt die wirtschaftlichen Perspektiven, vor allem mittel- und langfristiger Art, deutlich machen."

    Der Kanzler gibt sich derweil überzeugt, dass die morgige Runde die Frage nach Sinn und Zweck der Bündnis-Gespräche überzeugend beantworten wird. Das folgt aus der Bündnis-Logik. Wer in die Gespräche hinein geht, kommt nicht wieder heraus, ohne zumindest einen kleinen Beitrag zum Erfolg der Veranstaltung geleistet zu haben. Es sei, das Bündnis platzt. Dennoch steht auch der Kanzler nicht außer Kritik. Arbeitgeber wie Gewerkschaften erwarten zunehmend, dass Schröder aus der Rolle des Moderators herausschlüpft, Führung zeigt und Entscheidungen herbei führt. So auch Dieter Schulte:

    Dieter Schulte: "Es war doch eine gewisse Sprachlosigkeit vor gut zwei Jahren. Dass das überwunden ist, dass man jetzt auch konkret über Dinge sprechen kann, auch konkret Dinge ausklammert und trotzdem weiterhin miteinander redet, ist ein Vorteil an sich, reicht aber alleine nicht aus. Die Ergebnisse sprechen auch dafür. Aber - jetzt kommt die Einschränkung: Wir haben über Punkte gesprochen, die ja schon möglich gewesen wären, die teilweise im Juli des vergangenen Jahres bereits vereinbart waren, auch in Sachen Bildung. Da haben wir mit der beharrlichen Verweigerung der Arbeitgeber zu tun. Da erwarte ich schon ein klareres Wort und ein direkteres Wort in Richtung an die Arbeitgeber, als das in der Vergangenheit war."

    Es ist ein Dilemma, dass genau das auch die Arbeitgeber verlangen - nur mit Blick auf die Gewerkschaften. Und Schröder wiederum muss beide im Boot behalten. Und so bleibt dem Kanzler wohl doch nur eines: Mühselige Konsenssuche, und dabei gute Laune verbreiten und einen langen Atem bewahren. Denn wenn das Bündnis platzen sollte, wird nichts einfacher. Gegen Arbeitgeber oder gegen Gewerkschaften ist in Deutschland schlecht regieren.