Es ist Freitag, später Nachmittag. Draußen ist es heiß, die Türen der kleinen Stadthalle von Saint Martin Vesubie stehen weit offen. Drinnen tummeln sich stolze Eltern und aufgeregte Kinder: heute wird ihr Buch vorgestellt. Les rêves du loup - die Träume des Wolfs. Fast das ganze Schuljahr haben die Kinder Geschichten geschrieben, Informationen gesammelt und Bilder gemalt. Jetzt ist das Büchlein fertig, und alle wollen es endlich in die Hand und mit nach Hause nehmen. Aber der Ehrengast der Veranstaltung fehlt noch: Gaston Franco. Bürgermeister von Saint Martin Vesubie.
Da kommt er. In seinem schwarzpolierten Landcruiser der Luxusklasse ist er bis vor den Eingang gefahren, jetzt eilt er auf die Bühne. Gaston Franco ist eigentlich immer in Eile. Aber für die Kinder nimmt er sich Zeit. Und fein gemacht hat er sich auch: trotz der Hitze trägt der runde Sechzigjährige einen grauen Anzug, dazu eine Krawatte in bananengelb.
Gaston Franco ist der Schirmherr des Buchprojekts. Und er ist der Initiator des Wolfsparks in Boreon, ein paar Kilometer außerhalb des Städtchens, im Gebiet des Nationalparks Mercantour. Jedes Kind holt er einzeln zu sich, gibt ihm das Buch, tätschelt dem einen den Kopf, lobt ein Mädchen für ihren schönen Vornamen: Mathilde.
"Ich mag konkrete Taten. Ich habe gern Kontakt, das ist das Schönste an meinem Amt, auch wenn dies nur eine kleine Gemeinde ist: Dinge in die Tat umsetzen. Und dass die Leute zu mir kommen und sagen: Herr Bürgermeister, ich habe ein Problem, Sie müssen mir helfen. Lösungen zu finden, das ist meine Leidenschaft."
Gaston Franco kennt seine, fast möchte man sagen: seine Untertanen - wie ein König herrscht er über seine Gemeinde. Seit 16 Jahren. Er hat viele Leidenschaften. Und viele Ideen, die er auch gegen alle Widerstände durchsetzt.
"Hier ist der erste Wolf aufgetaucht vor 13 Jahren. Bei mir. Und ich bin, anders als viele andere Politiker, überzeugt davon, dass er auf natürliche Weise hierher nach Frankreich gekommen ist. Und dass er bleiben wird. Darum müssen wir uns irgendwie damit arrangieren, meine ich. Das war schon immer mein Standpunkt. Als ich noch Abgeordneter war im Regionalparlament, war ich es, der die Entschädigungsregelungen für die Schäfer erfunden und festgelegt hat. Und die jetzige Strategie, Schutzhunde einzusetzen, Patous - das war auch meine Idee. Das zum einen."
Gaston Franco ist überzeugt von sich. Und von seinen Ideen, nicht nur bezüglich der Wölfe - doch die und vor allem das Centre Alpha sind momentan seine Lieblingsthemen.
"Zweitens habe ich sehr schnell gemerkt, dass der Wolf nicht nur die Gemüter erhitzt, das natürlich auch – sondern dass im Wolf auch ein enormes Potential steckt. Dass er ein Wirtschaftsfaktor sein könnte für meine Region, der die Medien anziehen könnte und die Touristen. Und seitdem habe ich darüber nachgedacht, wie so ein Wolfsprojekt aussehen könnte, wo man diskutieren, sich austauschen, etwas lernen kann. Und was vor allem den Tourismus ankurbelt in Saint Martin Vesubie."
Im Juni wurde das Centre Alpha eröffnet. Fast täglich fährt der Bürgermeister zum Park, um Wissenschaftler, Journalisten, Experten von seinem Projekt zu überzeugen. 80000 Besucher will er pro Jahr in den Wolfspark locken. Und nach Saint Martin Vesubie. Er ist sehr zuversichtlich - und er hat viel Erfahrung: 30 Jahre lang war er Tourismuschef in Nizza. Was die 20 Schäfer in seiner Gemeinde von dem ganzen Projekt halten, das, sagt Gaston Franco, interessiere ihn nicht.
"Mit den Schäfern hier hatte ich immer Probleme. Und habe sie immer noch. Nicht nur wegen des Wolfs. Sie denken, sie sind die Herren der Berge, die machen können, was sie wollen. Und wann sie wollen. Damit bin ich nicht einverstanden. Zum Beispiel bewachen sie ihre Herden nicht. Sie respektieren nicht das Eigentum anderer Leute, sie bestehlen sich gegenseitig. Sie halten sich für was besseres, nur weil sie Schäfer sind. Und pflegen ihre archaischen Verhaltensweisen. Ehrlich gesagt bin ich nicht der Meinung, dass sie für die Wirtschaft meines Landes eine große Rolle spielen."
Der Bürgermeister könnte den Schäfern viele gute Vorschläge machen, was sie ändern müssten: kleinere Herden, mehr Hunde, engere Zusammenarbeit untereinander - aber er will seine Zeit nicht verschwenden, die Schäfer, sagt er, hören ja sowieso nicht auf ihn. Und jetzt hat er noch einen Termin. Bedankt sich, wünscht alles Gute und steigt wieder in den schmuck-robusten Geländewagen.
Einer der rund 20 Schäfer der Kommune sitzt an diesem Freitagabend unten in der Stadt, in der einzigen Straßenbar: Chez Amandine. Daniel Laugier. Besitzer von über 2000 Schafen. Er hat den neuen Wolfspark noch nicht besucht.
"Ich werde mir das aber demnächst ansehen, weil alle Leute davon reden. Und weil man nur etwas kritisieren kann, was man gesehen hat. Wir Schäfer sind nicht eigentlich nicht gegen den Park. Aber wir haben was gegen Wölfe, die von dort abhauen."
Davon hat der Bürgermeister gar nichts erzählt.
"Dazu noch eine Wölfin - die sich wahrscheinlich bald paaren und eine gefährliche Mischung auf die Welt bringen wird. Sie müssen ziemlich unfähige Leute da oben haben, sonst wäre ihnen das doch nicht passiert. Daß ein zahmer Wolf über einen drei Meter hohen Zaun springt - und dass man den danach nicht einfangen kann oder erschießen, das kann mir doch keiner erzählen."
Er lässt sich auch sonst nicht gern was erzählen. Daniel Laugier , vierzig Jahre alt, groß, kräftig-durchtrainiert, breites Lachen. Die Waden zerschrammt, Hände und Unterarme sind rot befleckt. Nein, sagt er und lacht. Das ist kein Blut, er hat heute nachmittag Schafe markiert. Aber es gibt da noch etwas, was er nicht versteht.
"Sie haben drei Milliarden für diesen Zoo, aber 500 Euro für eine Hütte, die haben sie nicht. Vor Monaten habe ich das beantragt, damit ich oben in den Bergen übernachten kann, bei meinen Schafen. Sie haben gerade mit dem Bürgermeister geredet, sagen Sie? Na schön. Ich rede nicht mehr mit ihm. Seit er im Amt ist, haben sich die Pachtpreise verdreifacht. In diesem Jahr habe ich darum gebeten, den Preis zu senken, damit ich einen zweiten Schäfer einstellen kann. Bis heute habe ich keine Antwort. Wahrscheinlich kann ich darauf warten, bis mein Sohn in Rente geht."
Sein Sohn, sagt Daniel Laugier, ist jetzt fünfeinhalb. Und er lacht wieder mit breitem Mund. Dabei ist er eigentlich stinksauer. Auf seinen Bürgermeister. Auf die Naturschützer. Und natürlich auf den Wolf. 17 Schafe hat er ihm im Januar gerissen, elf im Februar, neun im Mai. Wenn er nicht so eine heitere und zupackende Natur hätte, hätte er schon längst aufgegeben.
"Ich bin Schäfer geworden, weil ich den Beruf mag. Den ganzen Tag draußen zu sein, in den Bergen, schöne Lämmer großziehen und verkaufen. Der Inbegriff der Freiheit. Ich bin so stolz auf meine Tiere wie ein Architekt auf sein neues Haus. Vor vier, fünf Jahren habe ich den Mut verloren, da gab es eine Attacke nach der anderen. Inzwischen ist es wieder besser, 150 pro Jahr, das kann ich verkraften. Aber 300 Tiere waren es damals, die Wölfe haben sogar einen Esel gefressen!"
Ums Geld, sagt Daniel Laugier, gehe es ihm gar nicht.
"Ich bin glücklich, wenn ich ein schönes Lamm verkaufen kann. Und nicht sagen muss: ein Wolf hat es getötet, bezahlen Sie es mir. Jeder Schäfer wird Ihnen dasselbe sagen. Und davon abgesehen, macht jedes getötete Schaf viel Extra-Arbeit: man muss sofort den Parkagenten holen, damit der den Schadensbericht aufnimmt - wenn man Pech hat, waren inzwischen die Geier da, die gibt es hier ja auch noch, und fressen das Tier komplett auf. 30 Geier habe ich einmal gesehen, die sich über einen Kadaver hermachten, dreißig Stück! Und während dieser ganzen Zeit kann man sich nicht um die anderen noch lebenden Schafe kümmern, und hinterher ist es doppelte Arbeit, die verletzten Tiere zu versorgen. Die Hölle, sage ich Ihnen."
Daniel Laugier schlägt mit der Faust auf den Tisch. Und bestellt sich noch ein Bier. Einen Schäfer hat er schon eingestellt, einen weiteren kann er sich nicht leisten. Überhaupt, meint er, was der französische Staat sich den Wolf kosten lässt, das kann sich niemand vorstellen. Er selbst würde am liebsten kurzen Prozess machen mit dem Angreifer.
"Einmal, es war der 23. Oktober 1997, da habe ich an einem Nachmittag 11 Wölfe gesehen. Zwei Meuten, die sich auf meine Schafe stürzten. 17 haben sie getötet. Es war vier Uhr nachmittags. Wenn ich da mein Gewehr dabei gehabt hätte, dann hätte ich mir 11 schöne Mäntel gemacht."
Inzwischen, sagt Daniel Laugier, hat er schon viele Wölfe erschossen. Aber immer noch keinen einzigen Wolfspelz - die toten Tiere hat er den Geiern überlassen.
Ein kleiner Junge kommt an den Tisch. Quentin, fünfeinhalb, Daniels Sohn. Er sammelt Autogramme für sein Buch, eins hat er schon: von Gaston Franco, dem Bürgermeister. Quentin hat mitgemacht beim Wolfsprojekt seiner Schule: Les rêves du loup. Daniel, nicht Schäfer sondern ganz Papa, gibt ihm die gewünschte Signatur.
"Das Büchlein ist gut. Es regt an zum Nachdenken. Hauptsache, sie drehen die Gehirne unserer Kinder nicht um und sagen: der Wolf ist gut. Man muss ihnen die Wahrheit sagen."
Daniel Laugier kratzt sich am Ellenbogen, er bestellt sich noch ein Bier. Und Erdnüsse für Quentin.
"Man müsste ein Referendum durchführen. Wie für die europäische Verfassung. Und fragen: seid ihr für den Wolf? Und dann müsste man unter den Befürwortern die Kosten aufteilen - im Jahr darauf würde garantiert kein Mensch mehr bezahlen, das sag ich Ihnen. Der Wolf rechnet sich einfach nicht. Und es ist eine Unverschämtheit, dass sie Steuergelder dafür verbrauchen."
Da kommt er. In seinem schwarzpolierten Landcruiser der Luxusklasse ist er bis vor den Eingang gefahren, jetzt eilt er auf die Bühne. Gaston Franco ist eigentlich immer in Eile. Aber für die Kinder nimmt er sich Zeit. Und fein gemacht hat er sich auch: trotz der Hitze trägt der runde Sechzigjährige einen grauen Anzug, dazu eine Krawatte in bananengelb.
Gaston Franco ist der Schirmherr des Buchprojekts. Und er ist der Initiator des Wolfsparks in Boreon, ein paar Kilometer außerhalb des Städtchens, im Gebiet des Nationalparks Mercantour. Jedes Kind holt er einzeln zu sich, gibt ihm das Buch, tätschelt dem einen den Kopf, lobt ein Mädchen für ihren schönen Vornamen: Mathilde.
"Ich mag konkrete Taten. Ich habe gern Kontakt, das ist das Schönste an meinem Amt, auch wenn dies nur eine kleine Gemeinde ist: Dinge in die Tat umsetzen. Und dass die Leute zu mir kommen und sagen: Herr Bürgermeister, ich habe ein Problem, Sie müssen mir helfen. Lösungen zu finden, das ist meine Leidenschaft."
Gaston Franco kennt seine, fast möchte man sagen: seine Untertanen - wie ein König herrscht er über seine Gemeinde. Seit 16 Jahren. Er hat viele Leidenschaften. Und viele Ideen, die er auch gegen alle Widerstände durchsetzt.
"Hier ist der erste Wolf aufgetaucht vor 13 Jahren. Bei mir. Und ich bin, anders als viele andere Politiker, überzeugt davon, dass er auf natürliche Weise hierher nach Frankreich gekommen ist. Und dass er bleiben wird. Darum müssen wir uns irgendwie damit arrangieren, meine ich. Das war schon immer mein Standpunkt. Als ich noch Abgeordneter war im Regionalparlament, war ich es, der die Entschädigungsregelungen für die Schäfer erfunden und festgelegt hat. Und die jetzige Strategie, Schutzhunde einzusetzen, Patous - das war auch meine Idee. Das zum einen."
Gaston Franco ist überzeugt von sich. Und von seinen Ideen, nicht nur bezüglich der Wölfe - doch die und vor allem das Centre Alpha sind momentan seine Lieblingsthemen.
"Zweitens habe ich sehr schnell gemerkt, dass der Wolf nicht nur die Gemüter erhitzt, das natürlich auch – sondern dass im Wolf auch ein enormes Potential steckt. Dass er ein Wirtschaftsfaktor sein könnte für meine Region, der die Medien anziehen könnte und die Touristen. Und seitdem habe ich darüber nachgedacht, wie so ein Wolfsprojekt aussehen könnte, wo man diskutieren, sich austauschen, etwas lernen kann. Und was vor allem den Tourismus ankurbelt in Saint Martin Vesubie."
Im Juni wurde das Centre Alpha eröffnet. Fast täglich fährt der Bürgermeister zum Park, um Wissenschaftler, Journalisten, Experten von seinem Projekt zu überzeugen. 80000 Besucher will er pro Jahr in den Wolfspark locken. Und nach Saint Martin Vesubie. Er ist sehr zuversichtlich - und er hat viel Erfahrung: 30 Jahre lang war er Tourismuschef in Nizza. Was die 20 Schäfer in seiner Gemeinde von dem ganzen Projekt halten, das, sagt Gaston Franco, interessiere ihn nicht.
"Mit den Schäfern hier hatte ich immer Probleme. Und habe sie immer noch. Nicht nur wegen des Wolfs. Sie denken, sie sind die Herren der Berge, die machen können, was sie wollen. Und wann sie wollen. Damit bin ich nicht einverstanden. Zum Beispiel bewachen sie ihre Herden nicht. Sie respektieren nicht das Eigentum anderer Leute, sie bestehlen sich gegenseitig. Sie halten sich für was besseres, nur weil sie Schäfer sind. Und pflegen ihre archaischen Verhaltensweisen. Ehrlich gesagt bin ich nicht der Meinung, dass sie für die Wirtschaft meines Landes eine große Rolle spielen."
Der Bürgermeister könnte den Schäfern viele gute Vorschläge machen, was sie ändern müssten: kleinere Herden, mehr Hunde, engere Zusammenarbeit untereinander - aber er will seine Zeit nicht verschwenden, die Schäfer, sagt er, hören ja sowieso nicht auf ihn. Und jetzt hat er noch einen Termin. Bedankt sich, wünscht alles Gute und steigt wieder in den schmuck-robusten Geländewagen.
Einer der rund 20 Schäfer der Kommune sitzt an diesem Freitagabend unten in der Stadt, in der einzigen Straßenbar: Chez Amandine. Daniel Laugier. Besitzer von über 2000 Schafen. Er hat den neuen Wolfspark noch nicht besucht.
"Ich werde mir das aber demnächst ansehen, weil alle Leute davon reden. Und weil man nur etwas kritisieren kann, was man gesehen hat. Wir Schäfer sind nicht eigentlich nicht gegen den Park. Aber wir haben was gegen Wölfe, die von dort abhauen."
Davon hat der Bürgermeister gar nichts erzählt.
"Dazu noch eine Wölfin - die sich wahrscheinlich bald paaren und eine gefährliche Mischung auf die Welt bringen wird. Sie müssen ziemlich unfähige Leute da oben haben, sonst wäre ihnen das doch nicht passiert. Daß ein zahmer Wolf über einen drei Meter hohen Zaun springt - und dass man den danach nicht einfangen kann oder erschießen, das kann mir doch keiner erzählen."
Er lässt sich auch sonst nicht gern was erzählen. Daniel Laugier , vierzig Jahre alt, groß, kräftig-durchtrainiert, breites Lachen. Die Waden zerschrammt, Hände und Unterarme sind rot befleckt. Nein, sagt er und lacht. Das ist kein Blut, er hat heute nachmittag Schafe markiert. Aber es gibt da noch etwas, was er nicht versteht.
"Sie haben drei Milliarden für diesen Zoo, aber 500 Euro für eine Hütte, die haben sie nicht. Vor Monaten habe ich das beantragt, damit ich oben in den Bergen übernachten kann, bei meinen Schafen. Sie haben gerade mit dem Bürgermeister geredet, sagen Sie? Na schön. Ich rede nicht mehr mit ihm. Seit er im Amt ist, haben sich die Pachtpreise verdreifacht. In diesem Jahr habe ich darum gebeten, den Preis zu senken, damit ich einen zweiten Schäfer einstellen kann. Bis heute habe ich keine Antwort. Wahrscheinlich kann ich darauf warten, bis mein Sohn in Rente geht."
Sein Sohn, sagt Daniel Laugier, ist jetzt fünfeinhalb. Und er lacht wieder mit breitem Mund. Dabei ist er eigentlich stinksauer. Auf seinen Bürgermeister. Auf die Naturschützer. Und natürlich auf den Wolf. 17 Schafe hat er ihm im Januar gerissen, elf im Februar, neun im Mai. Wenn er nicht so eine heitere und zupackende Natur hätte, hätte er schon längst aufgegeben.
"Ich bin Schäfer geworden, weil ich den Beruf mag. Den ganzen Tag draußen zu sein, in den Bergen, schöne Lämmer großziehen und verkaufen. Der Inbegriff der Freiheit. Ich bin so stolz auf meine Tiere wie ein Architekt auf sein neues Haus. Vor vier, fünf Jahren habe ich den Mut verloren, da gab es eine Attacke nach der anderen. Inzwischen ist es wieder besser, 150 pro Jahr, das kann ich verkraften. Aber 300 Tiere waren es damals, die Wölfe haben sogar einen Esel gefressen!"
Ums Geld, sagt Daniel Laugier, gehe es ihm gar nicht.
"Ich bin glücklich, wenn ich ein schönes Lamm verkaufen kann. Und nicht sagen muss: ein Wolf hat es getötet, bezahlen Sie es mir. Jeder Schäfer wird Ihnen dasselbe sagen. Und davon abgesehen, macht jedes getötete Schaf viel Extra-Arbeit: man muss sofort den Parkagenten holen, damit der den Schadensbericht aufnimmt - wenn man Pech hat, waren inzwischen die Geier da, die gibt es hier ja auch noch, und fressen das Tier komplett auf. 30 Geier habe ich einmal gesehen, die sich über einen Kadaver hermachten, dreißig Stück! Und während dieser ganzen Zeit kann man sich nicht um die anderen noch lebenden Schafe kümmern, und hinterher ist es doppelte Arbeit, die verletzten Tiere zu versorgen. Die Hölle, sage ich Ihnen."
Daniel Laugier schlägt mit der Faust auf den Tisch. Und bestellt sich noch ein Bier. Einen Schäfer hat er schon eingestellt, einen weiteren kann er sich nicht leisten. Überhaupt, meint er, was der französische Staat sich den Wolf kosten lässt, das kann sich niemand vorstellen. Er selbst würde am liebsten kurzen Prozess machen mit dem Angreifer.
"Einmal, es war der 23. Oktober 1997, da habe ich an einem Nachmittag 11 Wölfe gesehen. Zwei Meuten, die sich auf meine Schafe stürzten. 17 haben sie getötet. Es war vier Uhr nachmittags. Wenn ich da mein Gewehr dabei gehabt hätte, dann hätte ich mir 11 schöne Mäntel gemacht."
Inzwischen, sagt Daniel Laugier, hat er schon viele Wölfe erschossen. Aber immer noch keinen einzigen Wolfspelz - die toten Tiere hat er den Geiern überlassen.
Ein kleiner Junge kommt an den Tisch. Quentin, fünfeinhalb, Daniels Sohn. Er sammelt Autogramme für sein Buch, eins hat er schon: von Gaston Franco, dem Bürgermeister. Quentin hat mitgemacht beim Wolfsprojekt seiner Schule: Les rêves du loup. Daniel, nicht Schäfer sondern ganz Papa, gibt ihm die gewünschte Signatur.
"Das Büchlein ist gut. Es regt an zum Nachdenken. Hauptsache, sie drehen die Gehirne unserer Kinder nicht um und sagen: der Wolf ist gut. Man muss ihnen die Wahrheit sagen."
Daniel Laugier kratzt sich am Ellenbogen, er bestellt sich noch ein Bier. Und Erdnüsse für Quentin.
"Man müsste ein Referendum durchführen. Wie für die europäische Verfassung. Und fragen: seid ihr für den Wolf? Und dann müsste man unter den Befürwortern die Kosten aufteilen - im Jahr darauf würde garantiert kein Mensch mehr bezahlen, das sag ich Ihnen. Der Wolf rechnet sich einfach nicht. Und es ist eine Unverschämtheit, dass sie Steuergelder dafür verbrauchen."