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Bürgermeisterwahl in Palermo

Palermo im Wahlkampf: Die alte Cosa Nostra der rachsüchtigen Familienfehden und blutrünstigen Machtkämpfe gibt es zwar nicht mehr, sagen viele - aber die Mafia habe sich nun auf das große Geschäft konzentriert und unterwandere Wirtschaft und Politik. Palermo vor den Bürgermeisterwahlen und die Aktivitäten der Mafia: Karl Hoffmann berichtet.

    In Palermo wird um die letzten Wählerstimmen gerungen, auf unzähligen Wahlveranstaltungen von Tausenden von Kandidaten

    Laute Reden, üppige Gestik, Versprechungen ohne Ende genügen aber nicht. Wahlen sind in Sizilien ein Wettbewerb ohne die üblichen Regeln. Wahlen sind dort keine ideologische Auseinandersetzung, und schon gar keine moralische Frage. Die vielen Ämter, die neu zu besetzen sind , das sind Pfründe. Wer die Wahl gewinnt, übernimmt die Macht und die Kassen. Und gerade wenn es um viele öffentliche Gelder geht, dann ist jedes Mittel recht, umso mehr als auch die Mafia mitmischt

    Palermo, eine Stadt mit über 800.000 Einwohnern, erstickt buchstäblich im Gestank von Autos und Mopeds, der öffentliche Nahverkehr ist ein Desaster. Kein Wunder, denn der städtische Verkehrsbetrieb wird regelrecht ausgeplündert, gerade vor den Wahlen. Der scheidende Bürgermeister Diego Cammarata, ein Gefolgsmann der Berlusconi-Partei Forza Italia hat schnell noch 110 neue Busfahrer eingestellt. Als Fahrer taugen sie nicht viel, denn sie haben gar keinen Führerschein. Aber dafür viele Familienmitglieder, die nun vom Busfahrergehalt leben und dafür mit ihren Wählerstimmen dem generösen Bürgermeister zur Wiederwahl verhelfen sollen. Cammarata zeigt sich unberührt von Vorwürfen, er wolle die Wahl verfälschen und verbreitet dafür lieber Optimismus:

    " Die Liste der noch zu bewältigenden Probleme ist unendlich. In Palermo hat es jahrelange ja überhaupt keinen Fortschritt mehr gegeben. Jetzt erlebt die Stadt einen neuen Frühling. Das ist eine Schicksalswende für Palermo, und seine Bewohner, die Stadt verändert sich zum Positiven, wächst und kann sich endlich wieder sehen lassen."

    Unsichtbar, aber gleichwohl in bester Form, ist auch Cosa Nostra. Sie organisiert in vielen Stadtvierteln die Wahl. Die Bosse verteilen Belohnungen für die Wählerstimmen, mal 50 Euro, mal Benzingutscheinen, mal Essenspakete, und vor allem Handys mit Kamera. Mit denen wird das Kreuzchen auf dem Stimmzettel abgelichtet, Kontrolle des Fotos beim Verlassen des Wahllokals und Auszahlung der Wahlprämie, so verschafft man ausgewählten Politikern zu Mehrheiten, die sich nach der Wahl natürlich erkenntlich zeigen müssen. So groß ist die Macht der Bosse, dass bis heute ungestraft jede Menge Mafiaverdächtige als Volksvertreter in Kommunen, Regionalversammlungen und selbst im römischen Parlament sitzen. Unmut macht sich breit unter den aufrechten Bürgern, Intellektuelle wie der Schriftsteller Andrea Camilleri empören sich öffentlich:

    " Ist das nicht toll, dass die Anti-Mafia-Komission des römischen Parlaments nichts anderes fertig gebracht hat, als den Parteien eine Empfehlung auszusprechen, doch bitte keine Mafiosi, Kriminelle, oder Korruptionsverdächtige als Kandidaten aufzustellen. Ja wo leben wir denn? Was nützt denn der ganze Kampf von Polizei und Justiz gegen das organisierte Verbrechen, solange die Leute Mafia unangefochten im Parlament sitzen und Gesetze machen?"

    Einziger Hoffnungsträger in Palermo ist Ex Bürgermeister Leoluca Orlando, der nun zum vierten Mal antritt. Er gilt als Hüter der Moral in Palermo und nach wie vor als ausgesprochener Gegner der Mafia.

    " Ich bin sicher dass wir gewinnen werden. Nach dem 15. Mai werden wir die Antworten auf viele Probleme geben und sie gemeinsam lösen. Viel Glück Palermo "