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Bürgerproteste in Thüringen gegen eine neue Schweinemastanlage in Alkersleben

Im Bundesland Thüringen in Alkersleben gehen die Bürger auf die Barrikaden. Der Grund ist, dass dort eine Mastanlage gebaut werden soll für 21 000 Schweine. Der Betreiber versteht die Proteste nicht und verweist darauf, dass alle Richtlinien eingehalten würden. Das Landwirtschaftsministerium in Thüringen hält sich in diesem Streit bedeckt. Ganz im Gegensatz zu den Bewohnern der umliegenden Dörfer. Sie haben eine Flut von Beschwerdebriefen an das Landesverwaltungsamt geschickt und nun muss vor Gericht entschieden werden, ob die Mastanlage gebaut werden darf oder nicht.

Von Ulrike Greim | 06.08.2001
    Zwei glückliche Schweine im Lebenshof e.V. in Ettischleben. Sie stinken, aber haben freien Auslauf. Und sie sind, meint Andreas Müller - anders als in der Schweineindustrie angenommen - intelligent.

    Das kann man mit Hunden vergleichen. Wenn man sagt, ein Schwein kriegt nicht mit, ob es allein oder mit 20.000 zusammen ist, dann ist das einfach ne Lüge.

    Befürworter der Anlage meinen das aber. Und keine Auflage steht dagegen. So könnte sie also bald ausgebaut werden - die einstige Rindermastanlage, die nur einen knappen Kilometer entfernt liegt. In ihr standen einst 2000 Rinder - dicht bei dicht. Bald sollen es 21.000 Schweine sein. Andreas Müller befürchtet Gestank.

    So viele Schweine auf einen Haufen, das stinkt doch bestialisch.

    Als die Nachbarn vom Bau der Anlage Wind bekamen, waren sie erschrocken. Die Auswirkungen von Massentierhaltung kennen einige noch aus DDR-Zeiten. Heike Thorwart:

    Es mussten Brunnen geschlossen werden und der Fluss hatte keine Fische mehr, da war gar nichts mehr drin.

    Dasselbe wird nun wieder befürchtet, nur noch schlimmer. Grundlose Sorge, meint Detlev Schaube, Chef der Agrargenossenschaft. Früher - zu DDR-Zeiten - sei hier viel mehr Gülle angefallen. Denn: 21.000 Schweine machen nur halb soviel Gülle, wie 2000 Rinder - wegen anderer Verdauung.

    Sie haben das zwar mit der Gülle berechnet, aber die Rechnung, die sie uns vorgelegt haben, stimmt nicht. Da fällt genauso viel an, wie dort Schweine gemästet werden, nur dass Schweinegülle ganz andere Auswirkungen hat als die Gülle einer Kuh.

    Der Chef der Agrargenossenschaft kann die Aufregung der Nachbarn, die sich zur Bürgerinitiative zusammengeschlossen haben, nicht verstehen. Im Betrieb würde z.B. weit bessere Technik eingesetzt, als zu DDR-Zeiten.

    Wird die Gülle auf dem Feld ausgebracht, dann stinkt das. Das ist eben so. Aber die Gülle wird ja sofort in den Boden eingearbeitet durch Pflügen und dann ist auch der Gestank weg

    Die Gülle würde auch nur einmal im Jahr ausgebracht. Aber: es handelt sich um 25 Mio Liter. Ein Abnehmer hatte sich gefunden, ist aber abgesprungen, weil - so Detlef Schaube - die Pächter seiner Flächen ihm angedroht hätten, die Pachtverträge zu kündigen, wenn er mit der Riesenschweinemast zusammenarbeite. Jetzt sei aber ein neuer Gülle-Abnehmer unter Vertrag, der bleibe aus Sicherheitsgründen anonym. Zweite Sorge: Schweine machen Krach. Der Genossenschaftschef sagt, er sei schon offen für Kritik, wenn sie begründet sei.

    Wenn jemand sagt, die Schweine machen 100db Lärm, aber gleichzeitig nicht sagt, dass dieser Lärmpegel am Trog gemessen wird und auch nur da so laut ist und nicht im benachbarten Ettischleben beispielsweise - dann ist kein gutes Argument.

    Auch kein gutes Argument findet er die Devise, auch die Tierhaltung solle - nach BSE und MKS - ökologischer werden. Denn Nahrungsmittelindustrie sei nun einmal Industrie. Genau das will aber die Bürgerinitiative nicht. 1400 Einsprüche sind beim Landeverwaltungsamt gelandet. Heike Thorwart will z.B. Freilandhaltung. Die Agrargenossenschaft könne sich so viele Tiere anschaffen, wie auf ihren eigenen Flächen Platz haben.

    60 bis 65 ha für 300 bis 500 Tiere, das wäre ein realistisches Maß, das verkraftet auch die Region

    In sein unternehmerisches Konzept will sich Detlef Schaube - nebst des Holländischen Kapitalgebers - nicht hineinreden lassen. Er werde keiner von diesen Biobauern.

    Ich sage Ihnen eines: vor diesen Leuten habe ich Hochachtung, weil sie viel arbeiten für wenig Geld. Aber: man muss Nahrungsgüter auch ökonomisch produzieren dürfen. Und genau das will ich tun.

    Und genau da endet die Diskussion. Wenn der Verbraucher Schwein will, muss es jemand produzieren, und je billiger, desto besser. Auch das Thüringer Landwirtschaftsministerium nickt und fügt hinzu: dass die Thüringer bisher nur halb so viele Schweine mästen, wie sie verbrauchen. In den nächsten Wochen muss nun ein Gericht entscheiden, ob die Alkerslebener und Ettischlebener Schweine bald nur noch in Zentnereinheiten kennen lernen oder mit Namen.