Archiv


Bürgerschaftliches Engagement von Unternehmen

Rekordgewinne einfahren und trotzdem Mitarbeiter entlassen – dass scheint der angesagte Unternehmenstrend zu sein. Doch es gibt auch Unternehmen, die eine ganz andere Kultur für sich entdeckt haben: bürgerschaftliches Engagement oder neudeutsch "Corporate Citizenship". An der Uni Duisburg-Essen wurde jetzt ein Forschungsprojekt eingerichtet, in dem untersucht wird, wie dieses Engagement gut oder weniger gut funktioniert.

Von Andrea Groß |
    "Die Probleme der Globalisierung, die wir jetzt sehen in der wirtschaftlichen und auch in der gesellschaftlichen Entwicklung, kann ein Projekt zu sozialen Verantwortung nicht lösen. Das muss man eindeutig sagen. Aber: interessant ist, dass die Globalisierung durchaus dazu geführt hat, dass das Thema soziale Verantwortung für die Firmen, die hier am Standort sind, ein Thema geworden ist."

    Wolfgang Stark ist Leiter des Labors für Organisationsforschung an der Uni Duisburg-Essen. In den nächsten zweieinhalb Jahren will er zusammen mit seinen Mitarbeitern eine Art Instrumentenkatalog entwickeln, mit dessen Hilfe sich der Erfolg bürgerschaftlichen Engagements für ein Unternehmen nachweisen und bewerten lässt, aber auch wie dieses Engagement in die Wege geleitet und langfristig gestaltet werden kann.

    "Unser Projekt beschäftigt sich mit der Frage, wie kann das integraler Bestandteil einer Unternehmensstrategie werden und vor allem: was bedeutet es für ein Verständnis von Personalentwicklung. Also wie kann die Personalpolitik eines Unternehmens und die Organisationspolitik eines Unternehmens auf diese Fragen der sozialen Verantwortung reagieren. Welche Werkzeuge brauchen die."

    Zu den Projektpartnern der Essener Wissenschaftler gehören Unternehmen aus der Energiebranche, die Töchter im Ausland haben und von daher wissen, dass dort eine Personalpolitik ohne bürgerschaftliches Engagement oftmals gar nicht möglich ist. Zu ihnen gehört aber auch die Essener Stadtverwaltung, die gerne ein Messinstrument für erfolgreiches soziales Engagement an die Hand bekommen möchte, und die hofft, von anderen, erfahrenen Projektpartnern lernen zu können. Zum Beispiel von dem IT-Unternehmen BOV in Essen, dessen Mitarbeiter sich die Augen rieben, als sie zum ersten Mal über Corporate Citizenship lasen. So nennt man das also.

    "Die BOV hat frühzeitig angefangen sich mit benachteiligten Gruppen auseinander zu setzen, um ihnen den Zugang zur Informationstechnologie zu geben. Das war entstanden aus den fetten Jahren der New Economy damals. Es ist so, dass wir frühzeitig Parkinson-Kranke eingeladen haben, mit den jungen dynamischen Menschen, die damals die New Economy vorangetrieben haben, gemeinsame Sachen zu machen. Wir haben also Parkinson-Kranke begleitet beim Aufbau einer Internet-Seite, dass sie die Möglichkeit hatten, dort einen gemeinsamen Gesprächskreis zu haben und die Auseinandersetzung mit uns."

    Michael Kemper ist die Kontaktstelle der BOV zum Forschungsprojekt der Uni Essen Duisburg. Er selbst hatte sein Initiationserlebnis bei einer Computerschulung, die sein Unternehmen in Brasilien angeboten hat. Da habe ich unheimlich viel gelernt, sagt er. Die Philosophie dahinter ist nicht nur das Teilen von Wohlstand in wirtschaftlich guten Zeiten. Körperlich und geistig die bequeme Couch – Kemper nennt es Komfortzone – zu verlassen und sich auf etwas unbekanntes einzulassen, ist einfach unheimlich wichtig.

    "Als IT-Unternehmen ist die BOV heute in häufig sehr, sehr komplexer Aufgabenstellung tätig. Das heißt, nicht nur inhaltliche Aufgaben, sondern auch Abstimmungstätigkeiten mit Personen, die in unterschiedlichen Rollen agieren mit Beteiligten unseres Unternehmens und auch den entsprechenden Geschäftspartnern. Damit muss man umgehen können. Nicht nur auf fachlicher oder technischer Ebene den Kunden begleiten, sondern auch in dem gemeinsamen: wir wollen etwas gemeinsam tun. Dazu bietet sich ein soziales Lernfeld sehr gut an, weil ich habe es mit anderen Personengruppen zu tun, also für mich eine fremde Welt."

    Nicht jeder Mitarbeiter eignet sich für einen Einsatz in einem sozialen Projekt, gibt Kemper zu. Das muss auch nicht sein. Auch ein Segeltörn auf der Nordsee kann ein gutes Lernfeld sein. Dass solche Projekte den Mitarbeitern nur in wirtschaftlich guten Zeiten zu vermitteln sind, hält Kemper für falsch. Wenn etwas die Mitarbeiter weiter bringt, nützt es dem Unternehmen.

    Soziale Verantwortung wird von der Politik nicht nur gefordert, sondern auch honoriert. Das Projekt der Uni Duisburg-Essen ist dem Bundesforschungsministerium die Fördersumme von 340.000 Euro wert. Das Wirtschafts- und Arbeitsministerium in Nordrhein-Westfalen hat einen Wettbewerb zum Thema Corporate Citizenship ausgeschrieben. Bewerbungsschluss ist im Juli.