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Bürgerschaftswahl in Hamburg
Das große Zittern

Bei den Bürgerschaftswahlen am 23. Februar in Hamburg könnte es knapp werden für die SPD. Erstmals schicken die Grünen eine eigene Kandidatin für das Amt der Ersten Bürgermeisterin ins Rennen: Katharina Fegebank. Bei den Hamburgerinnen kommt sie gut an – zum Ärger der SPD.

Von Axel Schröder | 02.01.2020
Katharina Fegebank (L) und Peter Tschentscher (r) während einer Sitzung der Hamburgischen Bürgerschaft am 11.04.2018
Katharina Fegebank und Peter Tschentscher arbeiten, obwohl Konkurrenten, seit Jahren meist geräuschlos miteinander. Kurz vor Beginn der heißen Wahlkampfphase könnte sich dies ändern. (dpa/Axel Heimken)
Jetzt ist sie schon die Zweite, bald möchte sie die Erste sein. Katharina Fegebank von den Hamburger Grünen möchte bald als Bürgermeisterin die Stadt regieren. Ein grün geführter Senat nach der Bürgerschaftswahl am 23. Februar mag nicht die wahrscheinlichste aller Möglichkeiten sein, völlig abwegig aber ist sie nicht. Und warum das Licht der Partei in Hamburg unter den Scheffel stellen – wo es grad deutschlandweit so gut läuft:
"Wir stehen für eine moderne und visionäre Stadtpolitik, die auf eine echte Mobilitätswende setzt. Auf bezahlbares Wohnen, auf einen Wissenschafts- und Innovationsstandort, der Hamburg und die Metropolregion zu einem Hotspot in den nächsten zehn Jahren werden lässt. Und das ist doch schon mal ein guter Grund, sind mehrere gute Gründe, Grüne zu wählen."
Der Amtsinhaber Peter Tschentscher von der SPD, vor rund zwei Jahren als Nachfolger von Olaf Scholz inthronisiert, will gar nicht erst den Eindruck aufkommen lassen, dass ein Machtwechsel von Rot-Grün zu Grün-Rot möglich ist. Die Hamburgerinnen und Hamburger sollten, so der Erste Bürgermeister, der SPD vertrauen. Denn nur die Sozialdemokraten hätten, anders als die Grünen, für alle Politikbereiche die richtigen Lösungen parat:
"Die SPD hat die ganze Stadt im Blick. Das ist die entscheidende Botschaft für den kommenden Wahlkampf und für unsere Arbeit in den kommenden Jahren."
Hamburger SPD im Stresstest
Alles, was die Grünen können, so Peter Tschentschers Botschaft, kann die SPD schon lange. Nur eben gründlicher, fleißiger – so die Botschaft der SPD im Wahlkampf. Und somit ganz anders als die Grünen unter Fegebank, die sich selbst gerne in Szene setzt - zum Beispiel als strahlende Mutter im altehrwürdigen Rathaus, im Arm, rechts und links ihre beiden Zwillingstöchter. Das sei doch keine Politik, die die Stadt nach vorne bringe, wetterten die Sozialdemokraten:
"Natürlich ist zum Beispiel der Bau von Radwegen wichtig. Aber allein auf Radwegen kommt eine Stadt eben auch nicht ins 21. Jahrhundert."
Das Problem für die grünen und roten Wahlkämpfer: die beiden Konkurrenten arbeiten schon seit knapp fünf Jahren meist geräuschlos und konfliktfrei zusammen. Heftige Vorwürfe in Richtung des Koalitionspartners wirken da wenig überzeugend. Auch für Professor Elmar Wiesendahl, Politikwissenschaftler und –berater aus Hamburg ist das Rennen um das Bürgermeisteramt noch offen. Und die Grünen sieht er im Vorteil:
"Wir haben derzeit einen Großstadtsog zugunsten der Grünen. Das ist die Großwetterlage, einschließlich dessen, dass wir klimapolitisch natürlich auch ein Thema haben, was den Grünen zuspielt."
Die Hamburgerinnen zumindest zeigen sich offen für eine grüne Bürgermeisterin:
"Ich glaube, dass die Grünen etwas mehr auf die Belange der Bürger eingehen als die restlichen Parteien."
Unklar, ob Rechnung aufgeht
"Ich bin auf jeden Fall auch für eine Frau. Allein schon deshalb finde ich das gut!"
Kurz vor dem Start in die heiße Wahlkampfphase versuchen SPD und Grüne die Themen der jeweils anderen Partei zu den eigenen zu machen. Die Grünen beschwören den Wohnungsbau als Heilmittel gegen steigende Mieten. Die SPD lobt den gerade in Hamburg beschlossenen Klimaplan, der unter einem Olaf Scholz und ohne Wahlkampf so vermutlich nicht zustande gekommen wäre. Die Sozialdemokraten versuchten so, den Grünen das Klimathema abzunehmen. Ob diese Rechnung aufgehe, sei aber ungewiss, so Elmar Wiesendahl:
"Einmal muss die SPD sich des Klimathemas bemächtigen, darf es nicht den Grünen überlassen. Andererseits müsste man aber sagen: ‚Bis dahin und nicht weiter!‘ Die Abgrenzung wird nicht deutlich und damit entsteht die Gefahr, den Grünen zu zu arbeiten."
Wenn die beiden Parteien aber nicht mit einer klaren Unterscheidbarkeit ihrer Programme in den Wahlkampf ziehen können, dann könnte das Charisma der Kontrahenten zum entscheidenden Kriterium werden. Auf der einen Seite die aufgeschlossene, meist lächelnde Katharina Fegebank, auf der anderen Seite der zurückgenommene, etwas hölzern auftretende Amtsinhaber Peter Tschentscher. Darin sei er seinem Vorgänger Olaf Scholz ganz ähnlich. Und trotzdem ein ganz anderer Typ, so Elmar Wiesendahl:
"Scholz war die Kraftnatur, hatte eine Aura des Machers, des Pragmatikers. Aber da geschah was. Und jetzt kommt Tschentscher und muss in diese Fußstapfen hinein. Und er hat nicht diese autoritäre Attitüde, die sein Vorgänger gehabt hat. Daran gemessen hat er Nachteile."
Auch andere Konstellationen möglich
Spannend wird die Wahl in Hamburg auch deshalb, weil am Ende auch ganz andere Konstellationen als Rot-Grün oder Grün-Rot denkbar sind. Die Grünen fürchten eine so genannte "Deutschland-Koalition": eine geschwächte und gedemütigte SPD würde mit der bei 17 Prozent dümpelnden CDU und einer Sechs-Prozent-FDP bereitwillige Koalitionspartner finden. Für die Hamburger, die die Grünen noch immer als Öko-Spinner, die nicht mit Geld umgehen können, sehen, wäre diese Deutschlandkoalition ein Segen:
"Ich wäre auf keinen Fall dafür, dass die Grünen hier die Regierung übernehmen. Die schmeißen mit dem Geld nur so um sich und machen sich gar keine Gedanken, wie es wieder reinkommt. Und man soll vielleicht auch den anderen, unbedeutenden Parteien – natürlich nicht der AfD - die Stimmen geben."
Und so sieht es, das legen die letzten Umfragen nahe, die Mehrheit der Hamburgerinnen und Hamburger. Anders als bei den Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen kann sich demnach die AfD in Hamburg nur um einen Prozent verbessern und liegt damit stabil im einstelligen Bereich, bei gerade einmal sieben Prozent.