Archiv


Bulgaren kämpfen gegen Abholzung ihrer Wälder

Spontan und gewaltfrei hat sich vergangene Woche in Bulgarien eine breite Naturschutzfront formiert. Ein neues Forstgesetz in Bulgarien soll es Investoren erleichtern, unberührte Wälder abzuholzen und in Bauland umzuwandeln. Mit ihrer Forderung "Natur statt Beton" haben die Demonstranten einen ersten Erfolg erzielt.

Von Simone Böcker | 25.06.2012
    Das hat Sofia bislang noch nicht erlebt: Auf der Adlerbrücke, einer der Hauptverkehrskreuzungen im Zentrum der Stadt, steht der Verkehr still. Tausende vor allem junger Bulgaren haben sich per Internet verabredet, um ihren Protest gegen das verabschiedete neue Forstgesetz auszudrücken und die Kreuzung zu blockieren. Den fünften Tag in Folge stehen sie nun schon hier, mit Trillerpfeifen, Schildern und Transparenten. Mihaela, eine 17-jährige Schülerin, hält ein selbst gemaltes Plakat hoch. Darauf steht: "Hände weg von unseren Bergen".

    "Wir wollen das Gesetz kippen, damit unsere Nationalparks nicht angetastet und zugebaut werden. Wenn das Gesetz so durchkommt, durchkäme, würden die Parks zugebaut, mit Hotels, Restaurants, Kurorten, was unsinnig ist, weil es davon in Bulgarien schon genug gibt."

    Neben ihr steht Georgi, Soziologiestudent, und schaut auf die vielen friedlich protestierenden Menschen um ihn herum.

    "Was hier passiert, ist sehr positiv, wir haben viel erreicht. Es gab keine Aggressivität, keine Exzesse, auch nicht aufseiten der Polizei. Und das, obwohl wir uns hier ohne Genehmigung aufhalten. Unser Protest ist sehr vielfältig und erfolgreich."

    Durch das neue Gesetz, so die Kritik der Umweltschützer, wäre der bulgarische Wald ernsthaft in seiner Existenz bedroht. So soll beispielsweise die Umwidmung von Grund und Boden in Bauland – bisher Voraussetzung für jegliches Bauvorhaben – nicht länger obligatorisch sein. Damit würden allein die Interessen einiger weniger Investoren bedient, klagt Alexander Dounchev vom WWF. Er zeigt auf die Gebirgskette, die sich am Horizont der Hauptstadt erhebt. Auf dem Berg Vitosha will die Offshore-Firma Vitosha Ski schon lange ihre Skianlagen ausbauen – was wegen Umweltschutzauflagen jedoch nur begrenzt möglich ist. In der vergangenen Wintersaison versuchte Vitosha Ski es daraufhin mit Erpressung: Den ganzen Winter über legten sie die Skilifte still, um eine Gesetzeserleichterung zu erwirken. Mit dem Forstgesetz haben sie ihr Ziel erreicht, sagt Alexander Dounchev.

    "Das Gesetz sieht nun vor, dass diese Skianlage gebaut werden darf, ohne dass die Waldfläche umgewidmet werden muss. Das heißt, der Investor bekommt damit die Möglichkeit, die strengen Umweltschutzauflagen zu umgehen. Diese Veränderung im Forstgesetz ist wie für Vitosha Ski gemacht."

    Die Regierung hingegen wehrt sich gegen den Vorwurf des Lobbyismus. Premierminister Boyko Borissov verteidigte das Gesetz als dringend benötigtes Mittel zur Regionalentwicklung. Der Skitourismus solle für mehr Einnahmen in kleinen Gemeinden sorgen. Präsident Rosen Plevneliev hat jedoch mittlerweile sein Veto gegen das Gesetz eingelegt.

    "Mit dem Einlegen des Vetos habe ich beiden Seiten die Möglichkeit gegeben, sich im Parlament zusammenzusetzen und eine Lösung zu finden, anstatt Straßen zu blockieren. Ich persönlich bin für die Weiterentwicklung des Skitourismus, ich bin dafür, unsere Berge auf ökologische Weise für uns zu nutzen."

    Die Regierung setzt nun auf Verhandlungen mit den Kritikern: Das Gesetz soll erst verabschiedet werden, wenn ein Konsens aller Beteiligter erreicht wurde. Alexander Dounchev ist als Umweltaktivist bei den Neuverhandlungen mit der Regierung dabei.

    "Wir wollen in den Verhandlungen vor allem zeigen, dass es viele grundsätzliche Probleme gibt. Und dass es an diesen Stellen keine Kompromisse geben kann. Also zum Beispiel, dass Aufträge ohne Ausschreibung vergeben werden. Genauso wenig kann man das unkontrollierte Abholzen der Wälder gegen alle Verordnungen akzeptieren. Das sind grundsätzliche Probleme, und da kann man nur grundsätzliche Lösungen finden. Durch eine breite öffentliche Diskussion."

    An der Adlerbrücke hält Mihaela immer noch ihr Schild hoch. Die Menschenmenge zerstreut sich langsam, doch eins ist für sie klar: Morgen werde ich wieder hier sein, sagt sie. Bis wir unser Ziel erreicht haben.

    "Unsere Berge sind einige der wenigen gebliebenen Naturschätze. Das Schwarze Meer ist schon absolut überbaut, was unglaublich schade ist. Jetzt bleiben nur noch die Berge, für die wir hier kämpfen. Ich werde jeden Tag hier sein."