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Bulgarien profitiert von Griechenlands Krise

Die Ertragssteuer ist niedriger, die Arbeitskräfte billiger - viele griechische Firmenbesitzer zieht es in der Krise ins Nachbarland Bulgarien. Mehr als 100.000 Arbeitsplätze sollen griechische Unternehmer mittlerweile in Bulgarien geschaffen haben.

Von Gunnar Köhne | 12.12.2011
    Ein Industriegebiet im Südwesten Bulgariens nahe der Stadt Petrich. Zu kommunistischen Zeiten war diese Region Sperrgebiet – wegen ihrer Nähe zu Griechenland. Nur 20 Kilometer sind es bis zur Grenze. Doch Griechenland, so scheint es, fängt hier bereits an. Die nagelneuen Lagerhallen sind von griechischen Firmen gepachtet, davor stehen Autos und Lkws mit griechischen Kennzeichen, und selbst das kleine Truckercafé an der Landstraße gehört einem Griechen. Unternehmer wie Polos Charfofilis sind hier häufig zu Gast und trinken ihren Mokka. Der Athener gehört zu den mehr als 2000 griechischen Unternehmern, die seit Ausbruch der Krise in ihrem Heimatland nach Bulgarien gegangen sind:

    "Die bulgarischen Arbeitskräfte sind billiger, das ist ein großer Vorteil. Sehr günstig ist auch die niedrige Ertragssteuer von zehn Prozent. Bei uns ist diese Steuer drei Mal höher. Nur die Produktivität ist hier noch nicht so hoch. Die Bulgaren arbeiten langsamer als die Griechen."

    Allerdings verdient ein bulgarischer Arbeiter im Schnitt nicht mehr als 200 Euro. Charfofilis produziert in Bulgarien Holzöfen - und exportiert sie bis in den Nahen Osten. Weil die Produktionskosten in Bulgarien so niedrig sind und er die Öfen weit unter den Preisen in Griechenland anbieten kann, kommen viele seiner Kunden von jenseits der Grenze aus Griechenland herüber. Der Unternehmer glaubt, dass das erst der Anfang einer Entwicklung ist:

    "Meines Wissens kommen jeden Tag rund 100 Griechen rüber nach Bulgarien und registrieren ein Geschäft. Warum sollten wir ein schlechtes Gewissen haben? Der griechische Staat hat nie an seine Bürger gedacht, sondern immer nur an seine Politiker."

    Bulgarische Grenzstädte wie der 35.000-Einwohner-Ort Petritsch erleben neuerdings einen kleinen Aufschwung - dank der Griechen, die auch ihre Banken mitgebracht haben. In Petritsch hat die griechische Alpha-Bank eine Filiale eröffnet. Die griechischen Investitionen haben landesweit nach Angaben des bulgarischen Finanzministeriums inzwischen die drei Milliarden Euro-Marke überschritten. Wie viele Milliarden außerdem vor dem Fiskus illegal aus Griechenland nach Bulgarien geschafft worden sind, bleibt dagegen im Dunkeln. Woher das Geld stammt, das in seine Stadt fließt, interessiert Velyo Iliev, den Bürgermeister von Petrich, nicht sonderlich. Er freut sich über den neuen Trend und hofft, dass so die Abwanderung junger Leute aus seiner Stadt gestoppt werden kann:

    "Die Griechen bringen unseren Menschen nicht bloß Arbeit, sie kaufen auch ein und sie tanken Benzin. Die Krise dort ist für uns eine große Chance. Ich werde demnächst hinüber nach Griechenland fahren und dort persönlich um noch mehr Investoren werben."

    Mehr als 100.000 Arbeitsplätze sollen griechische Unternehmer mittlerweile in Bulgarien geschaffen haben. Auf so große Investitionen ist das Land aber nicht ausreichend vorbereitet. Die Infrastrukturprobleme, besonders die schlechten Verkehrsanbindungen in die Provinz, erweisen sich als Hemmnis Zudem bietet das Land noch nicht genügend qualifizierte Arbeitskräfte an.

    Der Grieche Hristos Mavripolous hat dennoch schon vor drei Jahren ein Wellnesshotel in der Nähe des bulgarischen Petritsch eröffnet. Malerische Sandsteingebirge, Thermalquellen und guter Wein ziehen auch griechische Touristen an – die moderaten Preise machen's möglich. Nur eineinhalb Stunden Autofahrt sind es zu Mavripolous' Heimatstadt Thessaloniki. Trotz aller Schwierigkeiten: Bereut hat er den Schritt über die Grenze nicht.

    "Leicht ist es auch in Bulgarien nicht. Die Bürokratie hier ist ziemlich langsam. Aber es ist immer noch besser als daheim. Und man lebt sich schnell ein, denn beide Völker haben eine ähnliche Mentalität."

    Bulgariens südliche Grenzstädte blühen auf. Die Bulgaren profitieren von der Eurokrise. Da wundert es nicht, dass die Mehrheit von ihnen Umfragen zufolge einen Beitritt zur Eurozone ablehnt.