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Bulgarien und der Kampf für den Schengenbeitritt

Eigentlich sollten Bulgarien und Rumänien Anfang 2011 in die Schengenzone aufgenommen werden. Aufgrund mangelhafter Grenzkontrolltechnik wurde die Aufnahme verschoben - bis zum EU-Gipfel in Brüssel. Dort wurde die Entscheidung auf September vertagt - auch, weil die Niederlande gegen den Beitritt sind.

Von Simone Böcker | 02.03.2012
    An der türkisch-bulgarischen Grenze steht eine Lkw-Schlange. Ein Zollbeamter durchsucht die Fahrerkabine eines türkischen Lastwagens. Sein Kollege kontrolliert währenddessen mit einem Messstab die Kohlenmonoxid-Werte im Laderaum. Erhöhte Werte sind für die Beamten ein Indiz für versteckte illegale Flüchtlinge. Emil Gortchev, Leiter der Grenzstation Kapitan Andreevo, präsentiert stolz die Ausrüstung seiner Mitarbeiter.

    "Hier an der EU-Außengrenze tragen wir die volle Verantwortung. Dabei ist die Suche nach illegalen Migranten unsere größte Herausforderung. Mit diesem Gasanalysator zum Beispiel kontrollieren wir jeden LWK bei der Ein- und Ausreise. Wir sind bestens vorbereitet, um unsere Verpflichtungen zu erfüllen."

    Technisch, so gibt es auch in Brüssel mittlerweile keine Zweifel mehr, haben Bulgarien und Rumänien die Anforderungen für den Schengenbeitritt zu 100 Prozent erfüllt. Doch wird die Technik auch einwandfrei eingesetzt? Daran zweifeln mittlerweile nur noch die Niederlande. Den Haag fürchtet die Korruption der bulgarischen Grenzbeamten. Doch dagegen seien Maßnahmen ergriffen worden, erklärt Georgi Kaladzhiev, Leiter der Grenzpolizei in Svilengrad.

    "Wir haben ein Rotationssystem eingeführt. Dadurch wissen die Beamten nicht, wo sie bei ihrer nächsten Schicht eingesetzt werden. Sie erfahren erst im letzten Moment, wo sie am selben Tag arbeiten werden. So schließen wir aus, dass sich Beamte und Kriminelle verabreden können."

    Bulgariens Premierminister Boiko Borissov nennt die Grenze seines Landes zur Türkei "die bestbewachte Grenze im Schengen-Raum" - die Europäer könnten "ruhig schlafen". Die Kritik der Niederlande sorgt in Bulgarien für Verärgerung, genauso wie schon eine kürzlich geschaltete Webseite der niederländischen rechtspopulistischen "Partei für die Freiheit", wo Menschen aufgefordert wurden, ihre schlechten Erfahrungen mit Osteuropäern zu schildern. Vessela Tcherneva, Sprecherin des bulgarischen Außenministeriums, wünscht sich ein Ende der Stimmungsmache und eine Debatte über klare Fakten.

    "Wir brauchen ein Europa der Regeln. Deswegen ist auch Schengen eine wichtige Frage, weil sie wird auch politisch ein Signal schicken, dass wenn man sich an die Regeln hält, kriegt man auch das gewünschte Ergebnis. Insbesondere in unserer Nachbarschaft ist das wichtig. Bulgarien und Rumänien haben sich an die Kriterien gehalten, sie haben sie erfüllt, und das sollte zu einem logischen Ergebnis führen."

    Zwar hat auch der jüngste Bericht der EU-Kommission von Anfang Februar von beiden Staaten weitere Fortschritte bei der Korruptionsbekämpfung eingefordert. Doch bei aller berechtigten Kritik: Für die Sicherung der EU-Außengrenze spiele Korruption kaum eine Rolle, ist Chavdar Chervenkov vom Thinktank "Zentrum für Demokratieforschung" in Sofia überzeugt.

    "Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Grenzbeamter absichtlich wegschaut oder die Geräte ausschaltet, ist minimal. Die Organe des Innenministeriums führen Kontrollen durch und decken solche Korruptionsfälle auch auf. Wir können nicht behaupten, dass es das gar nicht gibt. Aber nicht in bedeutendem Umfang."

    Ihre Zustimmung zur Mitgliedschaft Bulgariens und Rumäniens möchte die Niederlande nun an eine positive Bewertung des im Juli erscheinenden Fortschrittsberichts der EU-Kommission knüpfen. Ein anderes Szenario sieht einen etappenweisen Schengen-Beitritt. Ein Kompromiss, den auch Chavdar Chervenkov befürwortet.

    "Man kann erst die unproblematischere Luft- und Seegrenze öffnen, die einfacher zu kontrollieren sind. Auf diese Weise kann Bulgarien zeigen, wie effektiv gearbeitet wird. Wenn alles zur Zufriedenheit verläuft, kann man dann auch die Landgrenzen öffnen. Es gibt keinen Weg dran vorbei: Früher oder später wird Bulgarien Schengen-Mitglied werden müssen."