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Bulgarien will EU-Auflagen bei Naturschutz nicht erfüllen

Bulgarien ist seit eineinhalb Wochen Mitglied der Europäischen Union - Zweifel an der EU-Reife gibt es nach wie vor. Auch in Bezug auf den Naturschutz gibt es Nachholbedarf. So ist Bulgarien nicht begeistert von seinen Verpflichtungen zur Ausweisung von Naturschutzflächen nach den entsprechenden Richtlinien der Europäischen Union. Umweltschützer in Bulgarien fordern Nachbesserungen.

Von Thomas Wagner | 11.01.2007
    "Bulgarien ist das einzige EU-Beitrittsland, dass bislang keine Liste wertvoller Flächen im Zuge des europäischen Schutzgebietsnetzwerkes 2000 vorgelegt hat."

    Elene Kmetova, Sprecherin der bulgarischen Umweltorganisation "Greenbalkans", ist nicht eben gut zu sprechen auf das Umweltministerium ihres Landes. Bei dem Streit zwischen "Greenbalkans" und den Regierungsvertretern geht es um die Frage: Wie ernst nimmt Bulgarien die Umweltauflagen der EU? Stein des Anstoßes sind zwei Regelungen: Zum einen geht es um die "Fauna-Flora-Habitat"-Richtline, kurz FFH. Dabei müssen die EU-Mitglieder ökologisch besonders wertvolle Regionen als FFH-Gebiete ausweisen. Zum anderen geht es um die europäische Vogelschutzrichtlinie. Auch hier sind die EU-Mitgliedsstaaten angehalten, Bereiche auszuweisen, wo besonders wertvolle Vogelarten leben. Zunächst hatte es den Anschein, als ob die Regierung in Sofia beide Auflagen wie ein europäischer Musterschüler erfüllen wollte. Elene Kmetova:

    "Unser Ministerium für Umwelt und Wasserwirtschaft hat die Verantwortung für die Ausweisung dieser Schutzgebiete an uns, also an mehrere ökologisch orientierte Nicht-Regierungsorganisationen, abgetreten. Und wir haben unseren Job gemacht. Die Unterlagen wurden rechtzeitig fertig gestellt. "

    Das Problem war das Ergebnis: Das, was in den Listen zur Ausweisung von Schutzgebieten stand, wollte der Regierung in Sofia ganz und gar nicht schmecken. Gunter Willinger von der deutschen Partnerorganisation "Euronatur":

    "Nach diesen Untersuchungen waren jetzt 27 Prozent zum Beispiel der FFH-Richtlinie auszuweisen, 27 Prozent der Landesfläche, was schon zeigt, dass Bulgarien da recht gut bestückt ist. Also in Deutschland ist das wesentlich weniger, so um die zehn Prozent maximal."

    Für die Verantwortlichen in Sofia wirkte dies wie ein Schock: Knapp ein Drittel der Landesfläche sollte als schutzwürdig ausgewiesen werden – zuviel des Guten, befanden Beamte und Politiker im Umweltministerium. Sie befürchteten gravierende Nutzungseinschränkungen. Hinzu kommt: Ausgerechnet die Filetstücke Bulgariens sollten als besonders schutzwürdig erklärt werden. Konkret geht es um Teile der Schwarzmeerküste inklusive Hinterland, aber auch um das Rodopen-Gebirge. Das zieht sich vom Süden her, beginnend etwa an der Grenze zu Griechenland, etwa 300 Kilometer landeinwärts. Ausgerechnet dieser Gebirgszug ist stark bewaldet. Vertreter der Holzindustrie hätten deshalb, so Greenbalkans, massive Lobbyarbeit gegen eine Einbeziehung des Rodopen-Gebirges in die Liste der schutzwürdigen Gebiete betrieben. Sie befürchten eine Einschränkung ihrer bislang noch sehr massiven Rodungstätigkeit. Zum zweiten machten aber, so Gunter Willinger, auch Vertreter großer Hotelketten massiv Front gegen die Ausweisung der Schutzgebiete – nicht ohne Grund.

    "Da kann man als Beispiel nehmen den Pyrrhin-Nationalpark, wo also wirklich mitten in der Kernzone des Nationalparks illegal, also gegen die lokalen Rechte, gegen die Rechte des Nationalparks ein Skiressort gebaut wurde und jetzt auch schon in Betrieb ist."

    Für die Umweltorganisationen in Bulgarien ist das Grund genug, in der Frage der Schutzgebiets-Ausweisung am Ball zu bleiben. Eine überarbeitete Liste des bulgarischen Umweltministeriums soll Ende Januar bei der EU eingereicht werden. Darauf sind statt der ursprünglichen 27 nur noch 15 Prozent der Landesfläche ausgewiesen. Die bulgarische Regierung weist als Begründung daraufhin, dass der von den Naturschutzorganisationen ursprünglich geforderte Anteil von 27 Prozent für das kleine osteuropäische EU-Land entwicklungshemmend sei. Außerdem betrachte man es als große Ungerechtigkeit, wenn ein hoch entwickeltes Land wie Deutschland gerade mal 10 Prozent seiner Fläche unter die FFH-Richtlinie stelle und ein armes Land wie Bulgarien einen deutlichen höheren Anteil einbringen müsse. Sowohl Euronatur als auch Greenbalkans machen jedoch darauf aufmerksam, dass selbst die ausgewiesenen Flächen durchaus bewirtschaftet werden dürfen; von einem Entwicklungs-Stop könne keine Rede sein. Und die Forderung, besonders umweltgerecht mit diesen Flächen umzugehen, könne ja auch eine Chance zur nachhaltigen Entwicklung beinhalten. Für Greenbalkans und Euronatur ist daher mit der bevorstehenden Abgabe der regierungsamtlichen Schutzliste das Kapitel noch nicht abgeschlossen. Die EU werde genau überprüfen, ob darin auch wirklich alle schützenswerten Flächen enthalten sind, so Gunter Willinger.

    "Wenn die Kommission zu dem Entschluss kommt, dass nicht ausreichend Gebiete ausgewiesen wurden, kommt dann die nächste Stufe, dass dann einfach Finanzstrafen kommen, wenn eben bis zu einem gewissen Zeitpunkt die Gebiete nicht ausgewiesen sind. "