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Bulgarischer Staatspräsident befürwortet Beitritt zum 1. Januar 2007

Vor seinem Deutschlandbesuch hat der bulgarische Staatspräsident Georgie Parvanov das europäische Projekt als eine einmalige Chance für dauerhaften Frieden und Stabilität in der Balkan-Region bezeichnet. Eine Aufschiebung der Aufnahme Bulgariens in die EU um ein Jahr könnte Argumente für die Euro-Skeptiker liefern, so Parvanov.

Moderation: Thilo Kößler |
    Thilo Kößler: Die Zeit läuft für Rumänien, aber natürlich auch für Bulgarien. Erwarten Sie sich von Ihrem Besuch noch einmal Unterstützung aus Berlin? Hoffen Sie, dass die Bundesregierung ein gutes Wort für Sie in Brüssel einlegt?

    Georgie Parvanov: Ich bin ziemlich zuversichtlich. Und ich sage das, weil wir ziemlich viel und gute Unterstützung von deutscher Seite bisher bekommen haben. An zweiter Stelle, weil deutsche Experten sehr aktiv mitgewirkt haben, im Rahmen der europäischen Integration Bulgariens und damit meine ich zum Beispiel Kriminalitätsbekämpfung und Grenzschutz. Und einen dritten Grund habe ich dann zuversichtlich zu sein, nämlich dass die deutsche Wirtschaft Bulgarien gut kennt und wir erwarten, dass sie auch unsere Fürsprecher sein werden, denn Deutschland gehört zu den größten ausländischen Investoren in Bulgarien der letzten 15 Jahre.

    Kößler: Der Beitritt ist ja eigentlich beschlossene Sache. Die Verträge sind unterzeichnet. Offen ist lediglich der Zeitpunkt. 1. Januar 2007 oder 1. Januar 2008? Macht das eigentlich einen so großen Unterschied aus, Herr Präsident?

    Parvanov: Oh ja, das hat schon eine sehr große Bedeutung. Eine Aufschiebung der Aufnahme Bulgariens in die EU kann sich negativ auswirken auf das Tempo mit dem die neu verabschiedeten Gesetze durchgeführt und angewendet werden. Es könnte zu Bedenken in bestimmten Kreisen der bulgarischen Gesellschaft und der bulgarischen Öffentlichkeit führen. Das ist eine Gesellschaft, die im Zuge des EU-Beitritts tatsächlich große Opfer teilweise gebracht hat. Und nicht zuletzt, weil so eine Aufschiebung Argumente für die Euro-Skeptiker liefern würde und das wollen wir nicht. Und ich hoffe das wollen auch unsere Freunde in der Europäischen Union auch nicht.

    Kößler: Wirtschaftlich attestiert die EU-Kommission Bulgarien erhebliche Fortschritte. Die Bedenken der EU-Kommission beziehen sich auf Reformen im Justizwesen, vor allem auf Korruption und die Machenschaften des organisierten Verbrechens. Die Rede ist immer wieder von 70 Auftragsmorden, die bis heute ungeklärt sind. Die österreichische Ratspräsidentschaft hat schon gemahnt, das organisierte Verbrechen effektiver zu bekämpfen. Warum tut sich Bulgarien so schwer damit?

    Parvanov: Zum ersten Mal haben wir in Bulgarien eine Regierung, die sich wirklich fest vorgenommen hat, die organisierte Kriminalität effizient zu bekämpfen. Das kommt zum Ausdruck in den neu verabschiedeten Gesetzen. Damit meine ich konkret das Gesetz über das Innenministerium und die Strafprozessordnung. Das kommt zum Ausdruck darin, dass mehrere Unterweltbosse tatsächlich von den Sicherheitskräften festgenommen wurden. Und es ist in diesem Sinne dieser Regierung solche Handlungen gelungen auch die negativen Stimmungen und Bedenken in der Gesellschaft in Bezug auf die organisierte Kriminalität in Griff zu bekommen. Natürlich glaube ich, dass all dies positive Fakten sind, die nicht übersehen werden in Europa und auch in der Bundesrepublik Deutschland. Es ist ihnen auch wohlbekannt, dass speziell im Justizbereich wichtige strukturelle und personelle Änderungen vorgenommen werden, so dass wir im Endeffekt glauben zu positiven Ergebnissen kommen zu können.

    Kößler: Bulgarien ist auch im Zusammenhang mit der CIA-Affäre um Geheimflüge und angeblich illegale Verhörzentren für Terrorverdächtige genannt worden. Bis Dienstag sollten die Antworten der Regierung beim Europarat und seinem Sonderermittler Dick Marty eingegangen sein. Was hat Bulgarien geantwortet?

    Parvanov: Meines Wissens wird von der bulgarischen Regierung eine offizielle Stellungnahme zu diesen Fragen momentan vorbereitet. Ich persönlich habe sowohl mit dem Ministerpräsidenten als auch mit Regierungsmitgliedern darüber gesprochen. Ich habe auf eigene Initiative ein paar Überprüfungen angeregt und bei all diesen Schritten wurde nichts festgestellt, was darauf hindeuten könnte, dass es in Bulgarien solche Spezialeinrichtungen oder Gefängnisse der CIA sein könnten oder dass über dem bulgarischen Luftraum Flugzeuge der CIA mit solchen Häftlingen geflogen sind. Und ich habe das noch einmal von dem Justizminister und von der bulgarischen Regierung bestätigen lassen, dass dies nicht der Fall ist.


    Kößler: Wäre das fatal mit Blick auf den Beitritt und den Beitrittstermin, wenn es denn tatsächlich so eine Zusammenarbeit zwischen den Geheimdiensten gegeben hätte?

    Parvanov: Sicher hätte das sehr negative Auswirkungen auf alle diese Prozesse aber ich habe schon gesagt, dass ist tatsächlich nicht der Fall und ich kann unsere europäischen Partner in diesem Sinne beruhigen, dass alle Schritte und Handlungen, die wir anleiten voll und ganz im Einklang sind mit den Prinzipien zu denen sie sich selbst bekennen und zu denen wir auch stehen.

    Kößler: Nach den verpatzten Verfassungsreferenden in den Niederlanden und in Frankreich, Herr Präsident, hat sich der politische Wind dramatisch gedreht. Viele fragen sich mit Sorge, wie groß soll denn die europäische Union eigentlich noch werden? Wo sind die Grenzen der EU? Es entstehen etliche Länder noch in der Warteschleife Kroatien, aber auch natürlich die Länder des westlichen Balkan und dann gibt es die große Frage, soll die Türkei Mitglied der Europäischen Union werden. Die Türkei ist auch ein direkter Nachbar Bulgariens. Unterstützen Sie die europäische Perspektive für die Türkei?

    Parvanov: Ich bin ein fester und überzeugter Fürsprecher der Erweiterung der Europäischen Union, speziell was die Länder des westlichen Balkans angeht. Was die Türkei angeht, würde ich es als eine positive Tatsache begrüßen, dass die Türkei auch eine eigene europäische Zukunftsperspektive bekommt, jedoch sollte ein Beitritt erst dann Realität werden, wenn alle Kriterien für einen EU-Beitritt erfüllt sind. Für uns ist das Europaprojekt auch deswegen wichtig, und mit uns meine, ich unsere Region, denn darin sehen wir eine einmalige Chance Frieden und Stabilität in diesem Staat unseres Kontinentes zu führen und zwar dauerhaft.