Archiv


BUND bescheinigt Tiefensee einen Fehlstart

Die Eröffnung einer neuen Autobahn ist für Umweltschützer kein Grund zum Jubel. Die Bilanz eines Verkehrsministers wird dagegen auch daran gemessen, wie er die immer zahlreicher werdenden Staus bekämpfen hilft. Und der Verkehr nimmt auch ohne neue Straßen zu. Der Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) hat nun eine verkehrspolitische Bilanz der neuen Regierung und ihres Verkehrsministers Wolfgang Tiefensee gezogen.

Von Dieter Nürnberger |
    Ernüchternd und enttäuschend – mit diesen beiden Worten beschrieb der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, BUND, soeben die verkehrspolitische Bilanz des Ministers Wolfgang Tiefensee. Eine notwendige Neuausrichtung finde nicht statt – beim Straßenbau werde der Bestand und Erhalt vernachlässigt, zugunsten von fragwürdigen Großprojekten im Straßenbau aber auch beim Ausbau der Infrastruktur der Bahn.

    Konkreter Vorwurf: Man nehme also Schlaglöcher und Risse auf den vorhandenen Straßen in Kauf, um die Finanzmittel anderswo herauszuschmeißen. So sei schon heute jede siebte Autobahnbrücke marode. Und diese generelle Kritik gelte auch für die mittel- und langfristige Planung beim Bahnverkehr. Kürzungen in der Fläche, aber der Bau sündhaft teurer Bahnhöfe beispielsweise in den Städten werde vorangetrieben. Und gerade an den Kürzungen der Regionalisierungsmittel für den Schienenverkehr werde dies überdeutlich. Richard Mergner, der verkehrspolitische Sprecher des BUND.

    "Schon in diesem Jahr muss der Schienenpersonennahverkehr in Deutschland letztlich mit Kürzungen von 100 Millionen Euro rechnen. Und gleichzeitig steigen ja auch die Preise beispielsweise für Diesel. Zudem hat die Bundesregierung in ihrer mittelfristigen Finanzplanung Kürzungen vor, beziehungsweise will sie nicht die im Regionalisierungsgesetz festgelegten Zuwächse ermöglichen. Von daher befürchten wir, dass deutschlandweit jeder sechste Nahverkehrszug gestrichen werden muss. "

    Zudem verkenne der Verkehrsminister die finanzpolitischen Realitäten, hieß es soeben. Denn vieles in der Planung sei gar nicht gedeckt, oder könnte später wieder dem Rotstift zum Opfer fallen. Hingegen würden vor allem klimapolitische Argumente außen vor gelassen – gerade auch unter diesem Aspekt sei Verlagerung eines Teils des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene wünschenswert.

    "Auch hier fehlt eine klare Zielvorstellung. In der Schweiz beispielsweise gibt es das. Dort werden entsprechende Mengen festgeschrieben, die von der Straße auf die Schiene verlagert werden sollen. Auch die Auseinandersetzung um die LKW-Maut hierzulande zeigt dies deutlich. Der Verlagerungsaspekt steht nicht im Vordergrund, sondern man will sogar noch Steuergelder in die Hand nehmen, um angebliche Ausfälle der LKW-Betreiber zu bezahlen. "

    Auch die deutliche Zunahme des Flugverkehrs, auch des innerdeutschen, durch die so oft zitierten Billigflieger wurde kritisiert. Hier vermisst der BUND so etwas wie einen Masterplan, der umweltpolitische Aspekte mit berücksichtigt. Im Visier der Umweltorganisation stehen die vielen neuen Regionalflughäfen, deren Aufkommen sollte schon besser koordiniert werden, verlangt Werner Reh, ebenfalls Verkehrsexperte beim BUND.

    "Wir fordern hier eine Koordinierung für die Flughäfen-Entwicklung. Es gibt ja eine Konkurrenz zwischen den großen Flughäfen, die haben ihre Expansion ja längst festgelegt. Und diese Expansion ist weder im Umfeld der Städte akzeptabel, noch klimapolitisch. Und es gibt einen Wildwuchs bei den Regionalflughäfen. Die werden hoch subventioniert und nehmen der Bahn Kunden weg. Da muss sich Herr Tiefensee entscheiden, wo er seine Mittel investieren will. Was die Straßen- und auch Schienenanbindung dieser Flughäfen angeht. "

    Enttäuschung also über den neuen Verkehrsminister, er wiederhole die Fehler seiner stets gescheiterten Vorgänger. Er plane so, als ob sich Spritpreise, Verkehrswachstum und die Geburtenrate in Deutschland überhaupt nicht geändert hätten. Lob hingegen für den Amtskollegen Sigmar Gabriel den Umweltminister. Denn gestern entschied ja das Bundeskabinett eine neue Verordnung zur Kennzeichnung von emissionsarmen Fahrzeugen. Noch einmal Werner Reh.

    "Es ist gut, dass die Plakettenverordnung durch das Kabinett gegangen ist. Nun kann es allgemein schneller gehen, das hängt auch von einer schnellen Entscheidung des Bundesrates ab, auch die EU muss zustimmen. Da sind aber kaum Widersprüche zu erwarten. Damit werden die Kommunen endlich handlungsfähig und können gezielt gegen die Verursacher, die Dieselfahrzeuge, vorgehen. Anstatt ganze Städte künftig sperren zu müssen, wenn Grenzwertüberschreitungen drohen. "

    Somit werde es in Zukunft deutlich einfacher sein, auf extreme Schadstoffbelastungen durch den Autoverkehr zu reagieren. Die größten Stinker sind dann nämlich an der Plakette für die Schadstoffklasse zu erkennen.