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BUND fordert besseren Schutz von Atomkraftwerke

Spätestens seit dem Terrorangriff auf das World Trade Center in New York ist die Gefahr, dass Kernkraftwerke Ziel eines Anschlags werden, ins öffentliche Bewusstsein gerückt. Bundesregierung und Kraftwerksbetreiber hatten damals neue Sicherheitskonzepte angekündigt. Der Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) hat die Konzepte untersucht.

Von Dieter Nürnberger |
    Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland hat den recht renommierten österreichischen Physiker und Experten für technische Sicherheit, Helmut Hirsch, beauftragt, die Gefährdung von Atomkraftwerken durch Terrorangriffe zu untersuchen. Trauriger Anlass ist der Jahrestag des 11. September in der kommenden Woche, damit verbunden die Angriffe durch entführte Passagiermaschinen damals auf das World Trade Center in New York und auf das Pentagon in Washington. Als erstes stellte Helmut Hirsch klar, dass es auch weiterhin vielfältige Möglichkeiten gebe, Atomkraftwerke von außen anzugreifen:

    " Angriffe von außen können aus der Luft oder auch am Boden erfolgen. Auch Angriffe aus der Distanz - Beschuss eines Geländes - sind möglich. Auch der Abwurf von Bomben oder generell Sprengkörpern aus Helikoptern oder Flugzeugen. Bei einem Angriff auf dem Boden ist es denkbar, dass Angreifer die Absperrungen überwinden und dann Sprengladungen am Reaktorgebäude und anderen sensiblen Bereichen anbringen und dadurch einen Unfall auslösen. Auch der Beschuss mit einem Artilleriegeschütz erscheint denkbar. Die Standard-Feldhaubitzen sind für Terroristen auf dem schwarzen Markt beschaffbar. Der logistische Aufwand für einen solchen Angriff wäre nicht größer als der Aufwand für einen Angriff mit einem Verkehrsflugzeug. "
    Dies seien nur einige der möglichen Szenarien, so der Sicherheitsexperte. In der Diskussion nach den Anschlägen in den USA sind solche Fragen ja auch erörtert worden. Eine Lösung schien die Möglichkeit, einer Vernebelung solcher Atomanlagen zu sein. Hier gibt es derzeit beim Atomreaktor in Grohnde an der Weser ein Pilotprogramm - zwölf Nebelwerfer wurden hier installiert, auch in Biblis seien die Vorbereitungen dafür abgeschlossen. Doch ob dies wirklich helfen kann, das bezweifelt Helmut Hirsch:

    " Das Problem bei dem Vernebelungskonzept ist, dass es auf einem militärischen System der Firma "Rheinmetall" beruht. Dies ist vor allem dazu bestimmt, bewegliche Ziele wie etwa Schiffe zu schützen. Es ist weiterhin dazu bestimmt, die Zielsuchsysteme automatischer Flugkörper zu täuschen. Die Idee: Wenn ein Schiff angegriffen wird, dann schützt sich das Objekt durch einen Nebelschirm, zudem durch eine Art elektronischer Ablenkung. Das Schiff würde dann schnell davon fahren, ein Atomkraftwerk kann dies aber ganz offensichtlich nicht tun. Außerdem greift kein automatisches System an, sondern im Terrorfall eher ein Flugzeug mit einem Piloten. Der ist unter Umständen sehr gut vorbereitet und wird sich auch anders verhalten als ein automatisches Angreifersystem. "

    Zudem seien die Atomkraftwerke in Deutschland auch durch unterschiedliche Wandstärken unterschiedlich geschützt. Die neueren Anlagen seien da durchaus besser und stärker gebaut worden. Das sei auch im europäischen Maßstab derzeit noch recht vorbildlich. Ältere Anlagen wie Biblis A, Brunsbüttel oder Philippsburg 1 würden hingegen die schwächsten Auslegungen aufweisen. Allerdings müsse man auch hier dazusagen, so der österreichische Atomexperte, dass diese dickeren Wandstärken eher auf Abstürze ausgelegt seien, hier hätten die Erfahrungen in den siebziger Jahren mit Starfighter-Abstürzen eine Rolle gespielt.

    Fazit des Sicherheitsexperten: Es gibt weiterhin eine Verwundbarkeit von Atomkraftwerken durch Terror und Sabotage, diese Objekte seien weiterhin leicht angreifbar. Der Vorsitzende des BUND, Hubert Weiger, fasst es so zusammen:

    " Die Atomkraftwerke sind gefährliche Terrorziele. Ihr Weiterbetrieb erhöht unverantwortlich das Risiko für Leib und Leben. Von hunderttausenden von Menschen - von daher ist der Ausstieg aus dieser Technik notwendiger denn je. "

    Es gehe nicht darum, Panik zu schüren, so der BUND-Chef, aber zumindest die besonders gefährdeten Meiler sollten sofort vom Netz genommen werden. Hier werden die Anlagen in Brunsbüttel und Philippsburg 1 genannt.

    Politisch passt diese Untersuchung des österreichischen Physikers natürlich auch in die gegenwärtige Diskussion. Längere Laufzeiten zu fordern, so der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, sei vor diesem gefährlichen Hintergrund geradezu fahrlässig.