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Bund für Umwelt und Naturschutz
Kritik am geplanten Stromnetzausbau

Anfang November haben die großen Stromnetzbetreiber die neuen Trassenverläufe für den Ausbau des Stromnetzes in Deutschland bekannt gegeben. Kritik kam vor allem aus Bayern: Zu viel Strom aus Braunkohle fürchtete Ministerpräsident Seehofer. Auch der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland hat einiges am geplanten Stromnetzausbau auszusetzen.

Von Philip Banse | 21.11.2014
    Die derzeit umstrittenste Stromleitung ist die Trasse Ost-Süd von Sachsen-Anhalt über Thüringen nach Bayern. Die Betreiber der Übertragungsnetze schlagen vor, diese Trasse etwas nach Norden und Süden zu verlängern. Das ändere jedoch nichts an der grundsätzlichen Kritik, sagt der Stromnetz-Experte Christian von Hirschhausen von der Technischen Uni Berlin. Diese Stromtrasse sei nicht nötig für die Energiewende, sei nicht nötig, um unberechenbaren Windstrom aus dem Norden nach Bayern zu abzuleiten:
    "Die Süd-Ost-Passage ist keine Leitung für Engpässe. Sie ist keine Leitung Versorgungssicherheit. Sie ist eine Leitung, um in einer Situation, wo ich viel Wind habe, Braunkohle voll laufen lassen zu können. Sie ist also eine Braunkohle-Export-Leitung."
    Das ist der zentrale Kritikpunkt des Bunds für Umwelt und Naturschutz Deutschland: Bei der Planung neuer Stromtrassen sei es den Stromnetzbetreibern nicht darum gegangen, die Energiewende zu schaffen, sagt Torben Becker vom BUND.
    Um zu berechnen, welche Stromtrassen in Zukunft nötig sind, mussten die Netzbetreiber Szenarien entwerfen: Wie viel Strom wird eigentlich zukünftig an welchen Ort so produziert? BUND-Mann Becker beklagt: Es wurde kein Trassenplan gemacht für den Fall, dass Kohlekraftwerke abgeschaltet werden, massiv Strom gespart wird, Kraftwärme-Kopplung ausgebaut wird. Die Folge:
    "Kein Szenario, auf dem da die Netzplanung erfolgt ist, erreicht die Klimaschutzziele der Bundesregierung."
    Die erwähnte Trasse Ost-Süd etwa mache nur Sinn, weil die Trassenplanung weiter davon ausgehe, dass dort Braunkohle verstromt wird. Christian von Hirschhausen von der Technischen Uni Berlin:
    "Der Netzentwicklungsplan 2014 und der bereits vorliegende Szenariorahmen 2015 fördern die Braunkohleverstromung und verhindern die Einhaltung von Klimaschutzzielen – und zwar vorsätzlich, weil da Maßnahmen integriert sind, die gegen die Klimaschutzziele arbeiten."
    So werde in der von den Stromnetzbetreibern vorgeschlagenen Stromleitungs-Planung sogar der Neubau eines Braunkohle-Kraftwerks südwestlich von Leipzig eingeplant. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel argumentiert ja: Der Netzausbau sei nötig, damit polnische Kraftwerke nicht runter geregelt werden müssten, damit überschüssiger deutscher Windstrom exportiert werden kann.
    Deutschland brauche neue Stromtrassen von Nord nach Süd, um die Energiewende zu schaffen – diese von Bundesregierung,
    Netzbetreibern und vielen Wissenschaftlern vertretene These sei falsch, sagt Infrastrukturforscher Hirschhausen: Auch für eine Zukunft ohne Atomkraftwerke mit 100 Prozent Strom aus Wind und Sonne müsse das bestehende Stromnetz lediglich ausgebessert und ausgebaut werden. Neue Trassen seien nicht notwendig:
    "Wir müssen weiter davon ausgehen, dass in der Periode, von der wir sprechen, 20er und Anfang 30er-Jahre, eine Vielzahl von Braunkohlekraftwerken und Steinkohlekraftwerken vom Netz gehen werden, das heißt, da werden im zweistelligen Bereich Gigawatt frei. Und deswegen haben wir auch in den 20er-Jahren und absehbar kein Netzproblem."
    Der BUND fordert die Bundesnetzagentur jetzt auf, die Stromausbaupläne der Stromnetzbetreiber abzulehnen. Ein neuer Trassenplan müsse mit Szenarien berechnet werden, in denen die Klimaschutzziele der Bundesregierung eingehalten werden.