Dienstag, 23. April 2024

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Interview der Woche
Bundesbildungsministerin Stark-Watzinger will Lehrkräftemangel mit "gewissem Pragmatismus" begegnen

Bundesbildungsministerin Stark-Watzinger hat im Kampf gegen den Lehrkräftemangel zu mehr Pragmatismus aufgerufen. Man werde diesen in gewisser Weise an den Tag legen müssen, sagte sie im Interview der Woche des Deutschlandfunks. So müssten außerschulische Lernorte und Quereinsteiger gut ins Bildungssystem integriert werden.

30.03.2023
    Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger
    Bundesministerin Stark-Watzinger meint: Der "so wichtige und eigentlich auch tolle" Lehrerberuf muss wieder einen gesellschaftlichen Stellenwert haben. (picture alliance / dpa / Swen Pförtner)
    Zudem werde man langfristig den Beruf interessanter machen müssen. Das Grundproblem sei, dass sich zu wenig junge Menschen für das Studium interessierten. Zudem brächen es zu viele ab oder gingen nach einem Abschluss nicht in den Lehrerberuf.

    Modernisierung und Digitalisierung des Lehr-Berufs

    Die FDP-Politikerin führte aus, da der Bund laut Gesetz die Ausbildung an den Hochschulen nicht dauerhaft finanzieren dürfe, müsse man an verschiedenen Punkten ansetzen. Der wichtige Lehrerberuf brauche wieder einen gesellschaftlichen Stellenwert. Zudem sei die Digitalisierung und Modernisierung des Arbeitsumfeld nötig. Die Lehrerausbildung müsse sich dazu neuen Standards anpassen. Stark-Watzinger nannte das auf künstlicher Intelligenz basierende Textprogramm "ChatGPT". So etwas werde den Bildungsbereich verändern. In Zukunft werde seien daher andere Kompetenzen nötig.
    Mit Blick auf die deutsche Schul-Politik in der Corona-Pandemie zog Stark-Watzinger eine negative Bilanz. Sie kritisierte vor allem die Länge der Schulschließungen: „Das darf nie wieder passieren, die Folgen sind gravierend“. Und sie fügte hinzu: „Die Kinder mussten zu viel Rücksicht nehmen.“

    Vorgehen gegen prekäre Arbeitsverhältnisse in Forschung

    In ihrer Funktion als Bundesforschungsministerin warnte sie vor zu hohen Erwartungen bei der geplanten Reform zur Verbesserung von Arbeits- und Karrieremöglichkeiten junger Forschenden gewarnt. Der Bund könne mit dem Wissenschafts-Zeitvertragsgesetz zwar die arbeitsrechtlichen Rahmenbedingen schaffen, man könne damit aber nicht alles regeln.
    Wichtiger seien generell mehr Arbeitsplätze ohne zeitliche Befristungen. Wenn man mit Mitte Vierzig immer noch auf befristeten Drittmittel-Verträgen sitze, sei das keine Perspektive, führte Stark-Watzinger aus.
    Ihr Haus hatte jüngst die Reform-Eckpunkte vorgestellt. Sie sehen unter anderem Mindestlaufzeiten für die Anstellung von Studierenden und Doktoranden vor. Gegen die Ausgestaltung gab es aus fast allen Hochschulbereichen heftigen Protest. Nun will das Ministerium noch einmal mit den Betroffenen in einen Dialog gehen. Seit Jahrzehnten werden prekäre Beschäftigungsverhältnisse und mangelnde Perspektiven junger Forscher im deutschen Wissenschaftssystem beklagt. Viele thematisieren das auch in Sozialen Medien unter Hashtags wie #IchbinHanna.

    Positive Bilanz der Taiwan-Reise

    Stark-Watzinger zog darüber hinaus eine positive Bilanz ihrer Taiwan-Reise vergangene Woche. Das Land sei ein Wertepartner Deutschlands und sehr innovationsstark, bekräftigte sie. Gerade im Bereich der Halbleiter-Industrie könne man mit Taiwan zusammenarbeiten. Bemerkenswert sei auch die Mentalität der Einwohner. So seien die Taiwaner sehr schnell dabei, neue Technologien auszuprobieren.
    Stark-Watzinger hatte mit der Regierung in Taipeh unter anderem einen Rahmenvertrag unterzeichnet, der die Kooperation in den Bereichen Batterieforschung, Halbleiter-Entwicklung und grünem Wasserstoff voranbringen soll.
    Sie war nach 26 Jahren das erste Mitglied der Bundesregierung, das die Insel besucht hat. Die Reise wurde von deutlicher Kritik Chinas begleitet, das Taiwan als abtrünnige Provinz betrachtet und Besuche internatinaler Politiker stets mit Argwohn betrachtet.
    Diese Nachricht wurde am 25.03.2023 im Programm Deutschlandfunk gesendet.