
Am 74. Tag seiner Amtszeit hob Merz hervor, die schwarz-rote Koalition unter seiner Führung stehe trotz der jüngsten Streitigkeiten über die gescheiterte Wahl von Verfassungsrichtern und die Senkungen der Stromsteuer "auf einem soliden Fundament" und sei handlungsfähig. Gelegentliche Rückschläge gehörten zu einer Koalition genauso dazu wie Höhen und Erfolge. "Aber damit gehen wir fair und partnerschaftlich um", sagte Merz.
Zuversichtlich äußerte sich der Regierungschef über den Kurs der deutschen Wirtschaft. Diese aus der Rezession zu holen, sei seine "erste Priorität". Die von Union und SPD beschlossenen Maßnahmen zeigten schon Wirkung und die "Wende zum Besseren" sei eingeleitet, bekräftigte der Kanzler. Dabei verwies er unter anderem auf beschlossene steuerliche Entlastungen von Firmen. Der CDU-Chef fügte hinzu, die Stimmung in der Wirtschaft verbessere sich bereits und erste Institute änderten ihre Prognosen nach oben. Außerdem sei das Interesse am Standort Deutschland deutlich gestiegen.
Merz sieht nach eigenen Angaben alledings keine Möglichkeit mehr, dass der Handelskonflikt zwischen den USA und der EU mit einem Zoll-Verzicht endet. US-Präsident Trump brauche die Einnahmen, um Steuersenkungen gegenfinanzieren zu können, sagte Merz. Er unterstütze die EU-Kommission deshalb in ihren Bemühungen um einen vernünftigen Kompromiss. Nach Angaben des Kanzlers befinden sich die Gespräche mit Washington in der Schlussphase. Je niedriger die Zölle am Ende ausfielen, desto besser sei es für beide Seiten.
Höhere Anstrengungen für Alters- und Gesundheitsvorsorge
Zudem stimmte Merz die Menschen in Deutschland auf größere finanzielle Belastungen ein. Die Bevölkerung müsse wissen, dass für Altersvorsorge, Gesundheitsvorsorge und Pflegebedürftigkeit im Alter höhere Anstrengungen von allen unternommen werden müssten. Dies sei nicht alleine mit Geld vom Staat zu leisten. Die Gesellschaft müsse sich darüber verständigen, wie das verfügbare Einkommen in Zukunft verwendet werde, betonte Merz. Details nannte der Kanzler nicht. Er verteidigte die geplante Bürgergeldreform. Diese sei nötig, um falsche Anreize zu vermeiden, so Merz.
Grenzkontrollen nur auf Zeit
Die Verschärfungen der deutschen Migrationspolitik verteidigte Merz und betonte zugleich deren vorübergehenden Charakter. "Wir sind uns einig, dass wir unsere Städte und Gemeinden, unsere Gesellschaft insgesamt mit irregulärer Migration nicht weiter überfordern dürfen, deswegen haben wir Korrekturen auf den Weg gebracht", bekräftigte er. "Was wir zurzeit in Deutschland machen, geht nur auf Zeit, das wissen wir, das weiß auch der Bundesinnenminister." Es müsse aber passieren, "solange es nicht in Europa einen besseren Schutz der Außengrenzen gibt". Langfristig werde das Problem der irregulären Migration indes nur in der Europäischen Union gemeinsam gelöst werden können.
Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) hatte Anfang Mai verstärkte Kontrollen und die Zurückweisung von Asylsuchenden an deutschen Grenzen angeordnet. Polen kritisierte dies und führte als Reaktion darauf seinerseits vorübergehende Grenzkontrollen ein.
Unterstützung für Israel - und Kritik
Der israelischen Regierung unter Ministerpräsident Netanjahu sicherte Bundeskanzler Merz die Unterstützung Deutschlands zu. Zugleich kritisierte er jedoch das israelische Vorgehen im Gazastreifen und im Westjordanland als "nicht akzeptabel". Es sei klar, dass Deutschland an der Seite Israels stehe, das eine Demokratie sei. Aber die deutsche Hilfe werde konditioniert, die Menschen im Gazastreifen müssten umfassend unterstützt werden, betonte Merz.
Diese Nachricht wurde am 18.07.2025 im Programm Deutschlandfunk gesendet.