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Bundeskongress der Medizinstudierenden
Allgemeinmedizin für alle?

Medizin ist ein beliebtes Studienfach, was vor allem an den Besonderheiten des Berufs und den späteren guten Karrierechancen liegen dürfte, weniger am Studium selbst. Denn das gilt gerade in den ersten Jahren als knüppelhart und insgesamt als stark verschult. Mit dem Masterplan Medizin soll das Studium nun bis 2020 wieder einmal reformiert werden.

Von Bastian Brandau | 07.12.2015
    Operationsbesteck während eines chirurgischen Eingriffs.
    Die Studierenden treibt vielmehr ein Thema um, das ihnen und ihrem Geldbeutel näher ist: die miese Bezahlung im Praktischen Jahr.In manchen Kliniken liegt der Stundenlohn unter zwei Euro. (picture alliance / dpa / Jan-Peter Kasper)
    Umfrage:
    "Ich finde, man sollte den Praxisteil noch verbessern. Also ich bin jetzt im fünften Semester und gerade in der Vorklinik ist alles sehr sehr theoretisch."
    "Wir werden mit einem Wust an Wissen konfrontiert und können das überhaupt nicht bändigen und bekommen auch keine Möglichkeiten angeboten. Wir lernen nicht zu unterscheiden, sondern lernen nur was in den Klausuren abgefragt wird."
    "Ich bin der Meinung, dass die Praxisnähe fehlt. Also es wird sehr viel theoretisch abgefragt, es fehlt die Verknüpfung in den Klinikalltag."
    "Das wissenschaftliche Arbeiten sollte man ändern. Weil es jetzt noch zu kurz kommt . Wir haben da keine einheitliche Qualität für Doktorarbeiten, Habilitationen."
    Studieren bis der Arzt kommt – unter diesem Motto waren in Leipzig rund 600 Nachwuchsmediziner zusammengekommen. Durchaus ihres Privilegs bewusst, sich diesem begehrten Studium widmen zu können. Aber eben auch mit dem Blick darauf, dass das Studium viele Schwachstellen hat. Naomi Lämmlin aus Freiburg, die in diesem Jahr die Präsidentin der Bundesvertretung der Medizinstudierenden ist, legt da gleich den Finger in die Wunde: Wir müssen also wahnsinnig viel lernen und es wird selten evaluiert, ob wir das dann auch können.
    Die Studierenden fragen sich tatsächlich manchmal so ein bisschen, ob man tatsächlich das lernt, was man was man als Arzt später braucht, weil man dann doch hört von Kommilitonen, die anfangen zu arbeiten, dass man dann absolut schwimmt.
    Auch deshalb wollen Politik und Universitäten das Studium verändern. Es soll wissenschaftlicher werden, weil viele Doktorarbeiten in der Medizin als Schmalspur-Dissertationen gelten. Und bei der Zulassung Masterplan Medizin 2020, unter diesem Titel wollen Politik und Universitäten unter anderem die Zulassung und die Wissenschaftlichkeit des Studiums verändern.
    Integrierte Curricula
    Und auch den Zugang dazu: Soll der NC weiterhin maßgeblich sein? Es gibt konkrete Ideen zur Einführung eines Testverfahrens, das verstärkt auch medizinische Vorbildung oder die Persönlichkeit berücksichtigen sollwn. Der Masterplan Medizin, auf dem Leipziger Treffen ein viel diskutiertes Thema, unter anderem bei einer gut besuchten Podiumsdiskussion mit Dekanen und Ärzten am Samstagabend.
    Mit auf dem Podium Raffael Konietzko aus der AG Medizinische Ausbildung. Der Studierendenvertreter aus Erlangen hat klare Vorstellungen davon, was sich ändern muss.
    "Frühansiedlung von klinisch-praktischem Unterricht im Curriculum, man nennt es integrierte Curricula. Wir wollen weiter die Wissenschaftlichkeit in einer festen Struktur implementiert sehen als wissenschaftliche Arbeit, die für alle verpflichtend ist. Wir wollen die weiterhin neben dem Studium auch durch Kurse gefördert sehen, das könnte dann Methodik sein oder wissenschaftliches Schreiben."
    Nur so, glaubt Konietzko, können die Mediziner auf Dauer Zugang zu dem immer größeren medizinischen Wissen erhalten. Konietzko träumt von interprofessionalen Lernzentren, wo alle medizinischen Berufe zusammen ausgebildet werden. Und er wünscht sich mehr Anreize für eine gute Lehre.
    Allgemeinmedizin als Pflichtteil
    Die allerdings wird eines der drängendsten gesundheitspolitischen Probleme nicht lösen: den Landarztmangel. Weil auch die wenigsten der jungen Mediziner auf diesem Kongress sich ein Leben als Landärzte vorstellen können, würden einige Politiker gerne die Allgemeinmedizin als Pflichtteil im Praktischen letzten Studienjahr verankern. Konietzko ist dagegen, die Medizinstudierenden so zu gängeln.
    "Es ist einfach so, dass der Nutzen nicht bewiesen ist, es ist unserer Meinung nach schon aktionistisch. Man macht etwas und weiß aber gar nicht, was am Ende bei rauskommt. Nichtsdestotrotz sprechen wir von einer qualitativen Stärkung der Allgemeinmedizin. Wir sehen ein, dass sie gestärkt werden muss, aber eben nicht quantitativ, sondern qualitativ."
    Für die Allgemeinmedizin als Pflichtteil des PJs gibt es praktisch keine Zustimmung unter den Studierenden auf dem Leipziger Bundeskongress. Die Studierenden treibt vielmehr ein Thema um, das ihnen und ihrem Geldbeutel näher ist: die miese Bezahlung im Praktischen Jahr.In manchen Kliniken liegt der Stundenlohn unter zwei Euro. Dagegen sind für diese Woche sind in mehreren Städten Demonstrationen geplant.