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Bundesliga
Kooperation oder Kontrolle?

Eigenes Vereins-TV statt fremde Fernsehbilder, Gruppengespräche anstelle von Einzelinterviews. Bundesligavereine üben verstärkt Kontrolle darüber aus, welches Image von ihnen in der Öffentlichkeit entsteht. Klassische Journalisten werden an den Rand gedrängt und verlieren ihre eigentliche Aufgabe.

Von Daniel Bouhs | 16.08.2014
    Christoph Grimmer hat sich viel Arbeit gemacht. Der Wissenschaftler, der an der Universität Tübingen die Präsenz des Sports in der Öffentlichkeit untersucht, hat alle Vereine der Bundesliga besucht und sich mit ihren Sprecher unterhalten, dazu eine Umfrage unter Journalisten - Grundlage für seine einmalig aufwändige Studie "Kooperation oder Kontrolle" zur Medienarbeit der Bundesliga. 414 Seiten und ein Fazit: "Die Fußball-Bundesliga ist einfach medial, gesellschaftlich und ökonomisch inzwischen so relevant geworden, dass die Vereine in einer entsprechend starken Position sind, vieles bestimmen zu können."
    Also mehr Kontrolle denn Kooperation und das hat seinen Grund: Spieler und Vereine - die Protagonisten des Sports - haben heute ihre eigenen Bühnen, im Internet. "Durch die neuen Medien, fällt die Zwischenzielgruppe der Journalisten weg und der Verein hat die Möglichkeit, mit seinen Fans direkt in Kontakt zu treten. Bei Vereinen, die so eine große Nachfrage haben wie der FC Bayern oder Borussia Dortmund führt das auch dazu, dass sie die Spieler, man spricht dabei von verknappen, also verknappen müssen: Es gibt Pool-Interviews beziehungsweise beim FC Bayern eine Pressekonferenz am Tag. Und da kommen dann alle Journalisten hin und die haben dann am Ende auch die gleichen Aussagen."
    Mediales Paralleluniversum der Vereine
    Gruppengespräch statt Einzelinterviews - die Vereine haben so immer stärker im Griff, wer sich wann äußert und vor allem: wie. Dazu kommt ein mediales Paralleluniversum. Eigene Sender, aber auch eigene Nachrichtenportale und Vereinsmagazine die stärker glänzen denn je. Die Vereine betreiben dafür einen teils gigantischer Aufwand. Die Münchner etwa betreiben ihre Internetseite auf neun Sprachen - bayerisch inklusive. Dazu kommt ein Fanportal, MyFCB. "Beim FC Bayern arbeiten inzwischen über 20, 25 Leute an der Außendarstellung des Vereins und die Mehrheit beschäftigt sich da mit den eigenen Kommunikationskanälen und die Minderheit mit Presseanfragen."
    Eigene Medien, die ziehen langsam aber sicher auch bei den etwas kleineren Vereinen ein. Auch der Hamburger Bundesligist bedient sich dieser Instrumente. HSV-Sprecher Jörn Wolf: "Wenn du merkst, dass die Resonanz darauf positiv ist und du auch die Möglichkeit hast, in diesem medialen Geflecht, in diesem Dschungel eine Form der Deutungshoheit zu bewahren, dann nutzt Du diese Formate natürlich verstärkt. Dass wir das auch weiter forcieren werden und ausbauen, das ist auch klar. Aber das machen wir für uns und nicht, um irgendjemandem einen Streich zu spielen."
    Wolf spricht schon seit mehr als zehn Jahren für den HSV. Er hat viele Spieler und Funktionäre kommen und gehen sehen. Er selbst sagt, er würde Journalisten gerne so viele Zugänge wie möglich legen, aber die Zeiten hätten sich nun mal geändert. Mit der Digitalisierung habe auch der Sportjournalismus einen regelrechten Boom erfahren: Immer mehr Redaktionen wünschten sich Exklusives, stellten aber dieselben Fragen wie ihre Kollegen. Die Spieler seien dazu oft nicht mehr bereit.
    In Konkurrenz zu Facebook und Twitter
    "Es ist schon schwerer geworden, muss man sagen, Spieler dazu zu überzeugen, sich auch zur Verfügung zu stellen, weil sie auch die Möglichkeit haben, das über ihre eigenen Medien zu machen. Vor sieben, acht Jahren war das noch anders. Wenn da 'Bild'-Zeitung oder 'Kicker' kamen und sagten, ich möchte jetzt ein Interview mit Dir machen, dann hast Du am nächsten Morgen die Zeitung aufgeschlagen, dann hatte das noch ein bisschen mehr Aussage und Gewicht als wenn Du Dich jetzt auf irgendeiner Online-Plattform oder in einem sozialen Netzwerk abgebildet hast. Und das hat sich schon ein bisschen verschoben."
    Immer weniger klassische Medienarbeit, immer mehr eigenes Marketing, der Versuch, das makellose Bild abzugeben - das wertet den traditionellen Journalismus ab. Nils Kaben ist seit bald 25 Jahren für das ZDF in der Bundesliga unterwegs. Früher, da habe noch eine Nachfrage beim Trainer gereicht. "Wenn der gesagt hat 'Jawohl, das machen wir!' - der Spieler hat dann nicht mehr so richtig viel zu murren gehabt. Und heute müssen Trainer, Pressesprecher, der persönliche Berater des Spielers und der Spieler selbst einverstanden sein und es muss noch irgendeinen Nutzen bringen für den Spieler, also es muss noch irgendwie besser sein, als es alleine auf der eigenen Homepage, Facebook-Seite, Twitter-Account und so weiter zu publizieren. Und das macht die Sache natürlich - wie man sich denken kann - nicht gerade leichter."
    Die Klubs haben die Hoheit über die Bilder
    Anders als etwa in Großbritannien seien Einzelgespräche in der Bundesliga aber auch heute noch eher die Regel als die Ausnahme. Hier sei noch immer viel möglich, wenn man sich bemühe. Doch die Tendenz sei klar erkennbar, sagt der ZDF-Journalist: strengere Restriktionen. Sorge bereitet ihm nicht zuletzt die Praxis der Vereine, Sendern Einblicke zu verwehren und sie mit den Bildern der Hauskanäle zu versorgen - vor allem vom inneren Geschehen, aus der Kabine, von Partys.
    "Was da wirklich für eine Stimmung war, kann ich ja nur sagen, wenn ich es selbst erlebt habe oder wenn mein Kameramann zurück kommt und sagt 'Weißt Du, ich habe gesehen, die haben alle gefeiert wie verrückt, nur der Schulze, der stand da in der Ecke, den haben sie gar nicht angeguckt. Das wäre ja dann die Neuigkeit. Und das kriegen wir halt nicht mehr hin. Wenn das Schule macht, dann sind das irgendwann nicht mehr nur die Kabinenbilder, dann sind es auch die Interviews, dann sind es die Bilder aus dem Trainingslager und, und, und. Dann fragst Du Dich: Wo bleibt da unsere Kompetenz?"
    Kooperation oder Kontrolle - die Medienarbeit der Vereine ist zweifellos professioneller geworden. Das geht allerdings zulasten der Journalisten. Sie sind immer häufiger zweite Wahl.