Freitag, 17. Mai 2024

Archiv

Bundesligakommentar
Die bayerische Übermacht

Die 53. Bundesligasaison ist Geschichte. Und wieder einmal sicherte sich Serienmeister FC Bayern München den Titel. "Nicht nur die sportliche Einseitigkeit macht die Liga langweilig, sondern auch die Gleichförmigkeit der Protagonisten", kommentiert Jonas Reese im DLF.

Von Jonas Reese | 14.05.2016
    Spieler des FC Bayern München feiern den Titelgewinn
    Spieler des FC Bayern München feiern den Titelgewinn (DPA/Picture Alliance/)
    Vielleicht ist Eugen Polanski schuld. Wenn der Hoffenheimer am 2. Spieltag seinen Elfmeter gegen die Bayern nicht gegen den Pfosten geschoben hätte, dann wäre vielleicht alles anders gekommen. Dann hätte es vielleicht keinen neuen Startrekord der Bayern gegeben. Dann wäre es vielleicht doch noch eine spannende Saison geworden.
    Nein, allein Polanski die Schuld zu geben, das wäre nicht fair. Denn offensichtlich hatte sich die gesamte Liga schon vor Saisonstart mit der bayrischen Übermacht abgefunden. Echte Gegenwehr gab es kaum. Und genau deshalb war diese 53. Spielzeit so langweilig. Sie wird kaum in Erinnerung bleiben.
    Wie sonst lässt sich erklären, dass Spiele gegen die Bayern als willkommener Anlass gelten, um Gelb-Sperren abzusitzen oder etablierten Stammkräften mal eine Auszeit zu gönnen. Wie sonst ist es zu erklären, dass den Bayern es sogar genügte, mit einer Abwehrreihe aus Mittelfeldspielern aufzulaufen. Sie konnten es sich sogar erlauben, Plätze auf ihrer Ersatzbank leer zu lassen, so wie am 16. Spieltag gegen Ingolstadt. An dem Tag machten sie ihre Herbstmeisterschaft perfekt.
    Selbstaufgabe und Beschaulichkeit
    So weit die sportliche Selbstaufgabe der Liga. Aber auch abseits des Platzes haben die Bayern-Konkurrenten erbärmlich gekuscht. Keine einzige Verbalattacke in Richtung München, keine rhetorischen Giftpfeile, um etwas Unruhe in die beschauliche Wohlfühlwelt an der Säbener Straße zu bringen. Einziger Aufreger war das Wintertrainingslager der Bayern in Katar. Da hätten die Konkurrenten doch mal was draus machen können.
    Was waren das noch für Zeiten, als auch noch vor den Mikrophonen und aus der Ferne miteinander gerangelt wurde. Allofs, Sammer, Watzke – alle gegen die Bayern. Lange her: Allofs muss sich nun zurückhalten, weil sonst wahrscheinlich das Image seines Geldgebers und gleichzeitig Bayern-Sponsors VW beschmutzt würde. Sammer hat sowieso die Fronten gewechselt und Watzke, da hat man das Gefühl, auch er habe sich mit der Rolle des Verfolgers und Talentzulieferers abgefunden.
    Typen gesucht
    Wo sind nur die echten Typen hin in der Liga? Typen, die mal 'ne dicke Lippe riskieren, die sagen was sie denken und nicht aus Angst vor einem Shitstorm nur Allerwelts-Floskeln absondern. Nicht die sportliche Einseitigkeit macht die Liga langweilig, sondern die Gleichförmigkeit der Protagonisten. Keiner tanzt aus der Reihe. Alle sind durchgestyled und gleichgemacht. Nicht nur die Spieler werden immer jünger, auch die Trainer. Von einem Julian Nagelsmann kann man verbale Aufmüpfigkeit wohl noch nicht erwarten.
    Fu
    Der Vorstandsvorsitzende von Eintracht Frankfurt, Heribert Bruchhagen (r), und Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke unterhalten sich (DPA/Pictue Alliance/Ronald Wittek)
    Also müssen es die Alten richten: Aber selbst Rudi Völler, der normalerweise verlässliche Nörgler aus Leverkusen, war ein Ausfall in dieser Saison. In seiner größten Verbalattacke nannte er den Manager des Zweitligisten St. Pauli "Schweinchen schlau". Mit solch Gymnasial-Rhetorik lässt sich keine Meisterschaft gewinnen.
    Hoffen auf Freiburg und Leipzig?
    Etwas Hoffnung gibt da der Blick auf die kommende Saison. Mit Freiburgs Trainer Christian Streich kehrt ein wortgewandter Klartexter in die Liga zurück. Und auch von den größenwahnsinnigen Leipzigern kann man sich einigen verbalen Zündstoff erhoffen.
    Oder: vielleicht verwandelt Eugen Polanski einfach den nächsten Elfmeter gegen die Bayern.