Partei in der Krise
Linke will ein politisches Comeback schaffen

Schlechte Umfragewerte, eine Serie von Wahlniederlagen, dazu der Abgang von Sahra Wagenknecht: Die Linke kämpft um ihr politisches Überleben. Eine neue Führung und ein Oldie-Projekt sollen dabei helfen, es 2025 wieder in den Bundestag zu schaffen.

    Gregor Gysi (l-r) unterhält sich mit Ines Schwerdtner und Jan van Aken, neuen Vorsitzende der Partei Die Linke, auf dem Bundesparteitag der Linken. Auf dem dreitägigen Parteitag wählten die Delegierten einen neuen Vorstand.
    Mit neuem Personal, aber auch alten Köpfen will die Linke wieder stärker werden. Gregor Gysi (l) und das neue Führungsduo Ines Schwerdtner und Jan van Aken. (picture alliance / dpa / Hendrik Schmidt)
    Laut Umfragen könnte die Bundestagswahl 2025 für die Linke zum politischen Existenzkampf werden, denn sie liegt nur noch bei zwei bis vier Prozent. Bereits bei den vergangenen Landtagswahlen hatte die Partei teils schwere Verluste hinnehmen müssen. In Brandenburg schied sie zudem erstmals seit Gründung der PDS aus einem Ost-Landtag aus.
    Hinzu kommt der Abgang von Sahra Wagenknecht, die mit dem nach ihr benannten Bündnis gerade auch im Osten erfolgreich um Ex-Linken-Wähler wirbt. Nun versucht die Linke nach Jahren des Streits und des Niedergangs einen Neustart, um ihre Dauerkrise zu überwinden.

    Inhalt

    Wofür steht die neue Linken-Parteiführung?

    Ines Schwerdtner (35) und Jan van Aken (63) haben die Chefposten bei der Linken auf dem Bundesparteitag im Oktober in Halle übernommen. Sie folgen auf Janine Wissler und Martin Schirdewan, die nach zahlreichen Wahlniederlagen der Partei nicht wieder als Ko-Vorsitzende angetreten waren.
    Van Aken sieht sich als ehemaliger Greenpeace-Campaigner bestens vorbereitet für den Bundestagswahlkampf. Der ehemalige Bundestagsabgeordnete hatte sich zuletzt aus der aktiven Politik zurückgezogen, war aber medial durchaus präsent – so hat er vor kurzem ein Buch über die friedliche Beilegung von internationalen Konflikten veröffentlicht. Schwerdtner ist erst seit einem Jahr in der Partei. Sie ist Publizistin und ehemalige Chefin des deutschen „Jacobin“-Magazins.
    Das neue Führungsduo will die soziale Frage in den Vordergrund stellen und mit ein oder zwei Kernthemen in den Wahlkampf ziehen. Dazu könnten neben der Mietenfrage die Rente, die Lohnpolitik oder die Gesundheitsversorgung gehören.
    "Ich finde, es sollte keine Milliardäre geben", sagt van Aken. Schwerdtner sagt: „Das Kindergeld, das Wohngeld, alle Versicherungen, die wir brauchen, die Menschen Schutz gewähren, diese müssen wir beschützen.“ Die Linke sei „die Verteidigerin des Sozialstaat“.

    Wie will die Linke wieder an Popularität gewinnen?

    Neben der Sozial- und Umverteilungspolitik will die neue Parteiführung offenbar auch mit einem neuen Stil überzeugen: Schwerdtner und Jan van Aken wollen nach eigenen Angaben freiwillig auf etwa die Hälfte ihres Vorsitzendengehalts verzichten. Ihr Einkommen soll dem statistischen Durchschnitt von 2.850 Euro entsprechen. Alles, was darüber hinausgehe, soll in einen Solidaritätsfonds fließen, der Hilfe für Menschen in Not sowie Projekte zur Sozialberatung finanziert.
    Schwerdtner kündigte zudem an, persönlich Sozialsprechstunden für alle interessierten Bürgerinnen und Bürger in Not in der Berliner Parteizentrale anzubieten. "Kein Anliegen ist uns zu klein", sagt Schwerdtner. "Wir wollen die Türen des Karl-Liebknecht-Hauses öffnen für alle, die Hilfe brauchen."
    Die Linke bekommt derweil selbst Hilfe: Auf dem Parteitag war die ehemalige Vorsitzende der Jungen Grünen, Sarah-Lee Heinrich, als Überraschungsgast aufgetreten. Hier deuten sich möglicherweise Anknüpfungspunkte zwischen den Linken und jungen (Ex-)Grünen an. Heinrich machte aber vor allem Werbung für ihr eigenes Projekt. Sie positionierte sich klar links und sprach von Klassenkampf. Die Linke sieht sie allerdings noch nicht in der Verfassung, die gesellschaftlichen Verhältnisse zu verändern.
    Bei der Grünen-Jugend gibt es derzeit zahlreiche Austritte. Geplant ist eine neue linke Jugendorganisation. Der Jugendverband Solid, der der Linke nahesteht, zeigte sich pikiert und wies darauf hin, dass man selbst der maßgebliche Ansprechpartner sei. 

    Was planen Gysi, Ramelow und Bartsch?

    Auf dem Parteitag kündigte der 76-jährige Gregor Gysi die „Aktion Silberlocke“ an. Dabei geht es darum, dass altgediente Linken-Politiker Direktmandate erringen sollen, um den Wiedereinzug der Linken in den Bundestag auf diese Weise abzusichern.
    Bei den „älteren Herren“ handelt es sich um Gysi, den ehemaligen Fraktionschef Dietmar Bartsch sowie den abgewählten Thüringer Ministerpräsidenten Bodo Ramelow. Gysi hat bereits ein Direktmandat. Ramelow hätte in Erfurt gute Chancen. Ein Leipziger Direktmandat gilt als sicher. Bartsch (Wahlkreis Rostock) ist bisher über die Landesliste in den Bundestag eingezogen.
    Wenn eine Partei drei Direktmandate erreicht, darf sie nach geltendem Wahlrecht in Fraktionsstärke in den Bundestag einziehen – selbst wenn sie bei den Zweitstimmen an der Fünf-Prozent-Hürde scheitert. Bereits bei der Bundestagswahl 2021 hatte die Partei nur 4,9 Prozent geholt, aber die nötigen drei Wahlkreisegewonnen - nämlich Gysi und Gesine Lötzsch in Berlin und Sören Pellmann in Leipzig.
    Eine endgültige Entscheidung über die „Aktion Silberlocke“ ist noch nicht gefallen – sie soll davon abhängen, ob man der Linken wirklich den Aufbruch zutraut. Allerdings hat Gysi mit seiner öffentlichen Ankündigung Erwartungen geweckt.

    Welche Konflikte gibt es derzeit in der Linken?

    Beim Ukraine-Krieg ist sich die Partei weniger einig als etwa beim Kampf gegen Armut oder höheren Steuern für Reiche. Auch zum internen Streitthema Bedingungsloses Grundeinkommen gab es beim Parteitag keinen Konsens. Letztlich wurde das Thema auf unbestimmte Zeit vertagt.
    Dass es innerhalb der Linke weiterhin erhebliche Differenzen gibt, zeigen auch zwei Parteiaustritte. Der frühere Pankower Bezirksbürgermeister Sören Benn teilte mit: „Die Partei ist strategieunfähig. Sie ist kein Gestaltungsprojekt sondern ein Identitätsprojekt.“ Die Linke mutiere „zu den Zeugen Jehovas der Politik“.
    Die Linken-Landtagsabgeordnete Henriette Quade aus Sachsen-Anhalt verließ die Partei aus Protest gegen den Umgang mit Antisemitismus. Quade war 24 Jahre Mitglied der Linken und saß seit 2011 für die Partei als Abgeordnete im Landtag von Sachsen-Anhalt.
    Letzter Auslöser für ihre Abwendung von der Linkspartei war nach ihren Angaben ein auf dem jüngsten Bundesparteitag in Halle beschlossener Antrag zum Nahost-Krieg, in dem unter anderem ein sofortiger Waffenstillstand und die Freilassung der von der Hamas verschleppten israelischen Geiseln gefordert, zugleich aber auch auf "Völkerrechtsverbrechen" der israelischen Armee verwiesen wird. Quade kritisierte, der Antrag habe "mit keinem einzigen Satz den mörderischen Antisemitismus" erwähnt, der seit dem ersten Tag des Bestehens des Staates Israel auf dessen Vernichtung dränge.

    joku, tei