Montag, 06. Mai 2024

30 Jahre nach Brandanschlag in Solingen
Steinmeier: "Deutschland glaubte zu lange, es seien Einzeltäter"

In Solingen ist an den rassistischen Brandanschlag vor 30 Jahren erinnert worden. Bundespräsident Steinmeier las bei der zentralen Gedenkveranstaltung in der nordrhein-westfälischen Stadt die Namen der fünf Mädchen und Frauen vor, die damals ermordet worden waren. Der Rechtsextremismus bleibe ein drängendes Problem, so Steinmeier.

29.05.2023
    Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (rechts) schreibt ins Goldene Buch der Stadt Solingen. Neben ihm steht Solingens Bürgermeister Tim Kurzbach.
    Gedenken der Opfer des Brandanschlags 1993 (AFP / ROBERTO PFEIL)
    Steinmeier kritisierte, viel zu lange seien die Deutschen der Behauptung aufgesessen, es handele sich bei Taten Rechtsextremer um verblendete Einzeltäter. Die Strukturen und Ideologien dahinter seien übersehen, ignoriert und teils auch verdrängt worden.
    Steinmeier erinnerte auch an die Mutter beziehungsweise Großmutter und Tante der Opfer, Mevlüde Genc, die im vergangenen Oktober im Alter von 79 Jahren starb. Sie hatte sich trotz des Verlustes ihrer Angehörigen jahrelang für Verständigung, Versöhnung und gesellschaftlichen Zusammenhalt eingesetzt. Ein Platz neben dem Rathaus der Stadt wurde gestern feierlich als "Mevlüde-Genc-Platz" eingeweiht.
    Oberbürgermeister Kurzbach erinnerte an die Worte von Mevlüde Genç und zitierte sie wie folgt: "Der Tod meiner Kinder soll uns dafür öffnen, Freunde zu werden". An der Feier nahmen unter anderen auch Ministerpräsident Wüst, Bundestagspräsidentin Bas sowie Hinterbliebene teil.

    Bundeskanzler Scholz: rechtsextreme Morde als Mahnung

    Bundeskanzler Scholz twitterte, die rechtsextremen Morde mahnten uns, alle zu schützen, die hier lebten, die Verbrechen zu ahnden und Opfern zu helfen. Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Mazyek, sprach in der "Neuen Osnabrücker Zeitung" von einer Zeitenwende im negativen Sinne. Hassverbrechen und antimuslimische Straftaten seien sprunghaft angestiegen und erreichten bis heute ein hohes Niveau. Die Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes, Ataman, bezeichnete den Anschlag in Solingen auf "Zeit Online" als kollektives Trauma.
    Am 29. Mai 1993 hatten vier Rechtsextreme aus Solingen das Haus der türkischen Familie Genc angezündet. Die Täter wurden 1995 wegen fünffachen Mordes verurteilt. Der Anschlag gilt als eines der schwersten rassistischen Verbrechen in der Geschichte der Bundesrepublik.
    Diese Nachricht wurde am 29.05.2023 im Programm Deutschlandfunk gesendet.