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Bundespräsident würdigt Berthold Beitz als "Jahrhundertmann"

Bei einer bewegenden Trauerfeier in der Villa Hügel erweisen Gäste aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Sport dem verstorbenen Krupp-Patriarchen Berthold Beitz die letzte Ehre. Bundespräsident Gauck würdigt ihn als Vorbild auch für die junge Generation.

Von Andreas Kolbe |
    Es muss ein Déjà-vu-Erlebnis gewesen sein für viele Besucher: dieselbe Musik, derselbe Saal … Und doch war alles anders: Vor zwei Jahren noch haben Gäste aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft in der Villa Hügel gemeinsam mit Berthold Beitz das 200-jährige Krupp-Jubiläum gefeiert. Nun sind sie zusammengekommen, um einem Jahrhundertmann zu gedenken:

    "Keine leichte Aufgabe, " sagt Bundespräsident Joachim Gauck in seiner Rede.

    "Dieser Jahrhundertmann war doch so vieles: Patriarch und Philanthrop. Diplomat und Visionär. Ikone und vor allem Mensch."

    99 Jahre alt ist Berthold Beitz geworden. 60 Jahre davon stand er im Dienste "seiner Firma". Von 1953 an, als ihn Alfried Krupp zum Generalbevollmächtigten ernannt hat, bis zu seinem Tod im Juli dieses Jahres hat Beitz von der Villa Hügel aus die Fäden gezogen im Krupp-Konzern, bei ThyssenKrupp und darüber hinaus.

    "Ich glaube, dass sich alle, die ihm hier begegnet sind, eine Villa Hügel ohne Berthold Beitz noch gar nicht vorstellen können."

    Sagt Hannelore Kraft, die NRW-Ministerpräsidentin. Und sie spricht wohl vielen der etwa 400 geladenen Gästen damit aus der Seele. Die Worte Mut und Verantwortungsbereitschaft fallen immer wieder, Disziplin und Liebe zur Freiheit.

    Berthold Beitz galt als der letzte Patriarch an Rhein und Ruhr, dessen Führungsstil durchaus streitbar gewesen sei, erinnert sich Joachim Gauck. Seine Wertschätzung für den Verstorbenen schmälere das jedoch nicht. Im Gegenteil:

    "Berthold Beitz gehört für mich zu einer Generation, die Widerspruch und Reibung gewagt hat. Die Mut und die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, nicht in Führungsseminaren, sondern in einem Leben der Brüche, der Katastrophe und der Umbrüche hat lernen müssen."

    Denn Berthold Beitz war viel mehr, als nur einer der wichtigsten Wirtschaftslenker der deutschen Nachkriegsgeschichte. Berthold Beitz wird als Förderer von Wissenschaft und Forschung in Erinnerung bleiben, als Mäzen in Kunst und Musik, als jemandem, dem das Wohl der Menschen im Ruhrgebiet ebenso am Herzen lag, wie der gesamtwirtschaftliche Erfolg "seiner Firma".

    Vor allem aber werden seine Verdienste in der Zeit des Nationalsozialismus das Bild von Berthold Beitz prägen: Als junger Ölmanager im besetzten Polen rettete er Hunderten verfolgten Juden das Leben. Seit 1973 werden Berthold Beitz und seine Frau Else als "Gerechte unter den Völkern" in der israelischen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem geführt.

    "Die Geschichte des jungen Paares von damals berührt uns alle heute. Wohl kein Nachruf, in dem der Mut der frühen Jahre unerwähnt geblieben wäre. Und dieser Mut wird in der Geschichtsschreibung immer groß und erwähnenswert bleiben, weil es eben nur so wenige Menschen gab – und ich füge hinzu: gibt –, die ihn aufzubringen vermögen."

    "Als leitender Direktor, damals in Boryslaw, kannte Berthold Beitz nicht alle. Aber wir alle kannten ihn."

    Erinnert sich Jurek Rotenberg. Als der 84-jährige Holocaust-Überlebende die Bühne betritt, bekommen die Verdienste von Beitz ein Gesicht.

    "Ich war damals 14 Jahre alt und ich arbeitete als Zwangsarbeiter in der Beskiden-Erdöl GmbH in Boryslaw. Und Herr Beitz kümmerte sich um mich und meine Kollegen. Er stattete uns mit den notwendigen Papieren aus. Und er rettete somit auch mein Leben."

    Minutenlanger Applaus für den Überlebenden, dazu Musik von Stardirigent Daniel Barenboim. Es ist der bewegende Höhepunkt einer festlichen, aber auch nachdenklichen Trauerfeier – in der Joachim Gauck dazu aufruft, das Erbe von Beitz zu bewahren. Mut, sagt er, sei die Voraussetzung für Freiheit und Glück.

    "Ich wünsche jungen Führungskräften in der Wirtschaft wie in der Politik mehr Mut, mehr Verantwortungsbereitschaft, mehr Beitz."