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Bundesrechnungshof kritisiert gelockerte Vergabepraxis

Das Konjunkurpaket II war mit 50 Milliarden Euro die größte fiskalische Finanzspritze der Geschichte der Bundesrepublik. Jetzt gibt es Kritik vom Bundesrechnungshof, denn bis zu einem bestimmten Betrag durften diese Aufträge "freihändig" - das heißt ohne Ausschreibung – vergeben werden.

Von Dirk-Oliver Heckmann |
    Das Urteil des Bundesrechungshofes BRH lässt an Klarheit nichts zu wünschen übrig: Die Lockerungen beim Vergaberecht hätten zu Einschränkungen des Wettbewerbs und der Transparenz geführt, die – Zitat – "in keinem angemessenen Verhältnis zu ihren wenigen Vorteilen" stünden. Ein Sprecher des Bundesrechnungshofes bestätigte gegenüber dem Deutschlandradio-Hauptstadtstudio einen entsprechenden Bericht des "Handelsblatts".

    Der Sprecher betonte allerdings zugleich, dass es nicht zu größeren Wettbewerbsverzerrungen gekommen sei. So gebe es keine Anhaltspunkte für konkrete Korruptionsfälle oder erhöhte Beschaffungspreise. Die Vorteile, die man sich von der Lockerung der Vergaberegeln versprochen hatte, hätten sich allerdings als überschaubar herausgestellt.

    Die damalige Große Koalition unter Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte im Januar 2009 ein zweites Konjunkturpaket auf den Weg gebracht, um die Auswirkungen der weltweiten Finanzkrise auf die Realwirtschaft in Deutschland abzufedern. Ziel war, die Mittel in Höhe von 50 Milliarden Euro möglichst schnell und unbürokratisch in den Wirtschaftskreislauf zu geben. Aus diesem Grund wurden zugleich die Vergaberichtlinien für öffentliche Aufträge gelockert. Bund, Ländern und Kommunen war es damit erlaubt, Bauaufträge bis zu einer bestimmten Höhe "freihändig" – das heißt ohne jede öffentliche Ausschreibung – zu vergeben oder nur eine beschränkte Ausschreibung durchzuführen. Das gleiche galt für Liefer- und Dienstleistungsaufträge.

    Der Bundesrechnungshof hat sich für sein Gutachten für den Rechnungsprüfungsausschuss des Deutschen Bundestags die Auftragsvergabe bei Dienstleistungen und Lieferungen näher angeschaut und kommt zu dem Ergebnis, dass hier mehr als 80 Prozent der Aufträge freihändig vergeben wurden. Eine Zeitersparnis sei mit dieser Praxis aber nicht verbunden gewesen. Deshalb hält es der BRH für richtig, dass der Bund die Vergaberechtslockerungen nicht verlängert hat. Auf Bundesebene lief die entsprechende Regelung Ende 2010 aus.

    Doch eine ganze Reihe von Bundesländern setzt weiterhin auf die gelockerte Vergabepraxis. NRW hat die entsprechende Regelung gerade erst verlängert und darüber hinaus die Schwellenwerte angehoben, ab denen eine Ausschreibung vorgeschrieben ist. Auch Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und die Kommunen in Bayern haben bereits verlängert. Hessen wird in den nächsten Wochen entscheiden.

    Der Vergaberechtsexperte und Betreiber des "Vergabeblogs", Marco Junk, sieht darin Anlass für Kritik. Die Bundesländer hätten gut daran getan, zunächst eine entsprechende Evaluation abzuwarten. Das Bundeswirtschaftsministerium habe ein Gutachten in Auftrag gegeben, das offenbar in den nächsten Wochen veröffentlicht werden soll, so Junk gegenüber dem Deutschlandradio Hauptstadtstudio.

    "Aber letztendlich muss man sich fragen, ob man nicht am völlig falschen Symptom kuriert. Die Verlängerungen sind Ausdruck einer Nicht-Praxis-Tauglichkeit des deutschen Vergaberechts. Und hier müsste eigentlich Hand angelegt werden, um gar nicht erst eine Motivation zu schaffen, solche Ausnahmetatbestände zu schaffen und zu verlängern."