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Bundesregierung dementiert
"Es gibt keine Distanzierung von der Armenier-Resolution"

Die Bundesregierung distanziert sich nicht von der Armenier-Resolution des Bundestags. "Davon kann überhaupt keine Rede sein", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Zuvor hatte Spiegel Online berichtet, dass die Bundesregierung auf Distanz zu der Resolution gehen wolle, damit deutsche Abgeordnete die in Incirlik stationierten Bundeswehr-Soldaten wieder besuchen dürfen.

    Bundeskanzlerin Angela Merkel und der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan am 23.05.2016 in Istanbul
    Bundeskanzlerin Angela Merkel und der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan am 23.05.2016 in Istanbul (dpa / picture-alliance / Michael Kappeler)
    Seibert sprach von einer "fälschlichen" Behauptung. Der Bundestag habe das Recht, sich zu jedem Thema zu äußern. "Die Bundesregierung unterstützt und verteidigt dieses souverände Recht der deutschen Volksvertretung. Es steht der Bundesregierung nicht zu, sich in die Zuständigkeiten eines anderen Verfassungsorgans einzumischen und sich wertend zu äußern." Er wies allerdings darauf hin, dass die Entschließung des Parlaments keine rechtlich bindende Wirkung habe, was auch die Auffassung des Bundestags selbst sei. Seibert wies auf Nachfragen darauf hin, auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) persönlich stehe hinter der Armenier-Resolution des Bundestags. Merkel habe zwar ebenso wie andere Regierungsmitglieder an der Abstimmung im Bundestag nicht teilgenommen, zuvor aber in der Unionsfraktion für die Resolution gestimmt.
    CDU-Generalsekretär: "Resolution war und ist richtig"
    Auch CDU-Generalsekretär Peter Tauber hatte zuvor wie Unionsfraktionschef Volker Kauder den Bericht zurückgewiesen. "Es gibt keine Distanzierung von der Resolution des Deutschen Bundestages zum Völkermord an den Armeniern im Osmanischen Reich", schrieb Tauber am Freitag bei Facebook. "Denn die Resolution war und ist richtig." Als CDU-Generalsekretär, als Bundestagsabgeordneter und auch als Historiker stehe er voll und ganz dahinter.
    "Die aktuell kursierende Meldung von Spiegel online ist falsch", betonte Tauber. Die Türkei sei ein wichtiger Partner bei vielen Themen. Aber gerade als Partner müsse man es aushalten, dass man solche Fragen offen diskutiert. "Das haben wir mit unserer Resolution im Bundestag getan", schrieb Tauber weiter.
    Steinmeier: "Resolution rechtlich nicht bindend"
    Spiegel Online hatte zuvor berichtet, dass sich das Auswärtige Amt und das Kanzleramt sich darauf geeinigt hätten, dass Regierungssprecher Steffen Seibert vor die Presse treten und sich im Namen der Regierung von der Armenier-Resolution des Bundestages distanzieren solle. Demnach sollte Seibert verkünden, dass die Resolution des Bundestags keinerlei bindende Wirkung für die deutsche Regierung habe: Es handele sich um eine politische Erklärung des Bundestags ohne jede juristische Bedeutung.
    In diese Richtung argumentierte Außenminister Frank-Walter Steinmeier noch am Freitag. Er betonte, dass die Resolution keine rechtliche Wirkung habe. "Der deutsche Bundestag hat natürlich jedes Recht und die Freiheit, sich zu politischen Fragen zu äußern", sagte er in Berlin. "Der Bundestag sagt aber auch selbst, dass nicht jeder Resolution eine rechtliche Bindewirkung zugrunde liegt", fügte Steinmeier hinzu. Steinmeier vermied stets, die Massaker an den Armeniern als Völkermord zu bezeichnen. Merkel hatte an der Abstimmung ebenso wenig teilgenommen wie Vizekanzler Sigmar Gabriel und Steinmeier. Merkel verteidigte das Votum des Parlaments gegenüber Erdogan aber mit klaren Worten.
    Armenier-Resolution und Incirlik

    Am 2. Juni hat der Bundestag die ab 1915 im damaligen Osmanischen Reich an den Armeniern begangenen Massaker als Völkermord eingestuft. Auf den Internetseiten des Bundestags ist der Antrag nachzulesen (pdf). Die Türkei verweigert deutschen Abgeordneten seitdem den Besuch bei den auf der türkischen Nato-Basis Incirlik stationierten Bundeswehrsoldaten. Sogar der türkische Botschafter wurde aus Berlin abberufen.

    Die Bundeswehr hat in Incirlik im Süden der Türkei mehr als 200 Soldaten sowie sechs Tornado-Aufklärungsjets und ein Tankflugzeug stationiert. Sie sollen den Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) unterstützen. Die Regierung in Ankara hatte bereits einem Staatssekretär und mehreren Abgeordneten den Besuch der deutschen Soldaten in Incirlik untersagt.
    In den vergangenen Wochen bemühten sich laut Spiegel Online Außenstaatssekretär Martin Ederer und der Leiter der Politischen Abteilung im Auswärtigen Amt, Andreas Michaelis, in Ankara um die Beilegung des Streits. Ihnen sei dabei unmissverständlich mitgeteilt worden, dass die türkische Regierung eine öffentliche Distanzierung von der Völkermord-Resolution des Bundestags verlange.
    Kritik von der Opposition
    Die Linken-Abgeordnete Sevim Dagdelen kritisierte das Dementi von Seibert als "nicht glaubwürdig". Sie sagte im Deutschlandradio Kultur, die Erklärung der Bundesregierung zum jetzigen Zeitpunkt, dass die Resolution keine rechtliche Bindung habe, komme einer Distanzierung durch die Bundesregierung gleich. Auch in der Türkei werde das so aufgefasst, so die Linken-Politikerin. "Also habe ich eher die Vermutung, dass das alles so abgesprochen ist mit der türkische Seite."
    Die Grünen forderten die Bundesregierung dazu auf, gegenüber dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan den Massenmord an Armeniern vor rund 100 Jahren als Völkermord zu werten. In der Resolution des Bundestages sei eindeutig von Völkermord die Rede, sagte die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt am Freitag in Berlin. Der Beschluss sei verbindlich. "Und deswegen erwarte ich von dieser Bundesregierung auch gegenüber Herrn Erdogan deutlich zu machen, dass wir das in Deutschland so sehen."
    (nch/cvo/adi)