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Bundestag
Abgeordnete auf Zeit?

Sollte die Zeit für Abgeordnete im Bundestag auf acht Jahre begrenzt werden? Jan van Aken macht sich dafür stark. Der Linken-Politiker will 2017 selbst nach zwei Legislaturperioden aus dem Parlament scheiden. Sein Vorschlag stößt auf Interesse - realistisch ist er aber wohl nicht.

Von Michael Borgers | 05.07.2016
    Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) spricht am 29.04.2016 in Berlin im Bundestag zu den Abgeordneten.
    Aktuell sitzen im Bundestag insgesamt 630 Parlamentarier. (picture alliance/dpa/Sophia Kembowski)
    Als Hans-Christian Ströbele 1985 in den Bonner Bundestag einzog, war für ihn klar, dass es ein Abschnitt auf Zeit würde. Zwei Jahre. So sah es damals das bei den Grünen angewandte Rotationsprinzip vor, nach dem alle Parteiämter in turnusmäßigen Abständen neu besetzt wurden. Er sei damals ein großer Verfechter des Verfahrens gewesen, erinnert sich Ströbele im Gespräch mit dem Deutschlandfunk, habe aber schnell dessen Probleme erkannt: Zwei Jahre seien einfach zu kurz für ordentliche Parlamentsarbeit. Aber acht Jahre, wie sie der außenpolitischer Sprecher der Linksfraktion Jan van Aken gefordert hat? Diese Idee gefalle ihm, sagt Ströbele.
    Der Bundestagsabgeordnete der Grünen, Hans-Christian Ströbele
    Hans-Christian Ströbele: seit 1998 wieder für die Grünen im Bundestag (picture alliance / dpa/ Soeren Stache)
    "Irgendwas läuft richtig schief", hatte van Aken in der "taz" auf die Frage geantwortet, warum er nach acht Jahren im Bundestag aufhöre. "Da sitzen viele Leute, bei denen ich mich frage, was machen die da." Durch eine Begrenzung auf acht Jahre könne man die Arbeit im Bundestag "vielleicht verbessern". Er habe Ähnliches beobachtet, sagt Ströbele zu den Darstellungen van Akens: Bei einigen Abgeordneten kehre nach zwei Legislaturperioden ein "täglicher Schlendrian" ein, viele nähmen ihre Aufgabe "nicht mehr so ernst" wie bis dahin. Grundsätzlich verändere das Amt die Menschen. Vor allem mit Blick auf jüngere Parlamentarier hält der 77-Jährige das für problematisch, denn die könnten sich irgendwann nichts mehr anderes vorstellen.
    "Professionalität der Macht"
    Für den Friedrichshafener Politikwissenschaftler Joachim Behnke stellt Hans-Christian Ströbele eine Ausnahme im deutschen Politikbetrieb dar. Als erster und bis heute einziger Grünen-Politiker habe es Ströbele über ein Direktmandat in den Bundestag geschafft - im Gegensatz zu den anderen, denen der Sprung nur über einen Listenplatz gelungen sei. Auch Behnke teilt den kritischen Blick van Akens auf die Berliner Parlamentsarbeit. Vielen der sogenannten Hinterbänkler in den Parteien sei vor allem das Wohlwollen ihrer jeweiligen Spitzen und die Wiederwahl per Listenplatz wichtig, dies habe ein "wenig konfliktfreudiges" und stattdessen "konformes" Verhalten zur Folge.
    Jan van Aken, außenpolitischer Sprecher der Linksfraktion
    Jan van Aken, außenpolitischer Sprecher der Linksfraktion (imago/Müller-Stauffenberg)
    Doch van Aken unterschätze die Bedeutung der "Professionalisierungstendenzen" innerhalb der Parteien. Acht Jahre seien "wenig, Zeit, bestimmte Fähigkeiten zu erwerben, gerade was den innerparteilichen Wettbewerb anbelangt". Es gebe eine "Professionalität der Macht", sagt Behnke. Politiker wie Wolfgang Schäuble hätten ihr Gewicht durch die Länge ihrer Zugehörigkeit erhalten, das sei "nicht nur schlecht". Und grundsätzlich spreche nichts dagegen, Berufspolitiker werden zu wollen, meint der Politikprofessor von der Zeppelin-Universität.
    Um die Abgeordneten etwas unabhängiger vom Wohlwollen ihrer Parteiführung zu machen, plädiert Behnke dafür, dass die Parteien die Reihenfolge ihrer Landeslistenplätze zumindest teilweise offener gestalten; Bayern und Baden-Württemberg mit ihren Wahlsystemen könnten hierzu als Vorbild dienen.
    In einem Bereich spricht Behnke zufolge allerdings viel dafür, etwas zu ändern: Die Unbegrenztheit der Dauer des Kanzleramt habe "durchaus ihre problematischen Seiten". Politiker wie Willy Brandt in Deutschland oder Michail Gorbatschow in der Sowjetunion hätten gezeigt, dass man in nur wenigen Jahren "große Spuren hinterlassen kann"; in den USA gelte die zweite Amtszeit als die, in denen es Präsidenten "mehr um das Vermächtnis als um persönliche Interessen geht". Den Glauben in Deutschland an unersetzbare Politiker hält der Politologe - nach Adenauer, Kohl und jetzt Merkel - für ein CDU-geprägtes Phänomen.
    Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU, l-r), Altbundeskanzler Helmut Kohl und seine Frau Maike Richter-Kohl sitzen am 27.09.2012 im Deutschen Historischen Museum in Berlin. Die Politiker nahmen zum 30. Jahrestag der Wahl von Helmut Kohl zum Bundeskanzler an einer Festveranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung teil.
    Bundeskanzlerin Angela Merkel und Altbundeskanzler Helmut Kohl: CDU-geprägte Vorstellung (picture alliance / dpa / Wolfgang Kumm. )
    Ströbele ist für eine Begrenzung
    Auch Hans-Christian Ströbele würde die Amtsdauer für deutsche Regierungschefs begrenzen. Ob auf acht oder zwölf Jahre - das hänge vom politischen Weg und der jeweiligen Erfahrung des Politikers auf Bundesebene ab. Auch eine Begrenzung für einfache Abgeordnete hält er für richtig.
    Für sich selbst - nach insgesamt bald 18 Jahren im Bundestag - nimmt Ströbele zwar in Anspruch, seine Aufgabe noch immer ernst zu nehmen und Spaß an ihr zu haben. Doch wenn sich alle auf zwei Legislaturperioden einigten, "wäre das gut so". Denn unterm Strich überwiegen laut Ströbele die Nachteile einer Professionalisierung der Politik. So richte sich schon jetzt alles auf die nächste Bundestagswahl in mehr als einem Jahr. Ob er selbst 2017 wieder antreten will, lässt Ströbele offen. Bis dahin wolle er auf jeden Fall weiterhin viel bewirken.