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Bundestag
Abgeordnete debattieren über NSU-Terror

Vor drei Jahren wurde die Mordserie der rechtsextremen Terrorzelle NSU aufgedeckt. Der Bundestag zog eine Bilanz der bisherigen Aufarbeitung - die Politiker der Regierungsfraktionen und der Opposition kamen dabei aber zu unterschiedlichen Ergebnissen.

Von Katharina Hamberger | 05.11.2014
    Eine Kombo aus Reproduktionen der Ostthüringer Zeitung aus dem Jahr 1998 zeigt Fahndungsbilder von Beate Zschäpe (v.l.), Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos.
    Eine Kombo aus Reproduktionen der Ostthüringer Zeitung aus dem Jahr 1998 zeigt Fahndungsbilder von Beate Zschäpe (v.l.), Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos. (picture alliance / dpa / Frank Doebert / Ostthüringer Zeitung)
    In einem Punkt herrschte quer durch alle Parteien Einigkeit bei der Debatte anlässlich des dritten Jahrestages der Aufdeckung der NSU-Morde: Dass Menschen ermordet werden, nur weil sie nicht in Deutschland geboren sind, darf nie wieder passieren. Bundesinnenminister Thomas de Maizière, CDU, sprach von einem Versagen des Staates und vielleicht auch der Gesellschaft insgesamt. Die Behörden hätten in die falsche Richtung ermittelt und damit den Angehörigen der Opfer - de Maizière spricht von "unbeabsichtigt" - weiteres Leid zugefügt. Zu dem Versagen hätten aber auch die vorhandenen Strukturen bei den ermittelnden Behörden geführt:
    "Unser Staat hat mit diesem Versagen Schuld auf sich geladen. Diese Schuld und das, was wir den Opfern und ihren Familien damit angetan haben, können wir nicht ungeschehen machen."
    Umsetzung laufe auf Hochtouren
    Die erste Pflicht sei es nun, die Verbrechen weiter aufzuklären. De Maizière spricht aber auch davon, dass die Umsetzung der Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses auf Hochtouren laufe. Bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus und des Terrorismus habe sich in den vergangenen drei Jahren sehr viel verändert. Dem kann Petra Pau von der Linken, selbst Mitglied im NSU-Untersuchungsausschuss nicht zustimmen. Ihr Fazit, seit dem der Abschlussbericht des Ausschusses vergangenen Sommer vorgelegt worden ist:
    "Die Fragezeichen sind nicht weniger, sondern mehr geworden. Der Aufklärungswille der Behörden verharrt weiterhin nahe null. Und von den beschlossenen Veränderungen ist so gut wie nichts tatsächlich schon abschließend umgesetzt.
    Sie plädiert dafür, die Angehörigen der Opfer mehr ins Zentrum zu rücken. Deren Vertrauen in den Rechtsstaat sei nach wie vor erschüttert - denn im Zuge der Ermittlungen der Mordserie, die vor dem Auffliegen des NSU-Trios in vielen Medien als "Döner-Morde" bezeichnet worden war, waren die Angehörigen verdächtigt worden. Die Ermittler gingen von organisierter Kriminalität aus - ein rechtsterroristischer Hintergrund wurde erst gar nicht in Erwägung gezogen.
    Pau fordert mehr Präventionsarbeit
    Pau mahnte außerdem an, die Prävention gegen Rechts besser zu fördern. Im Moment aber werde hier zugunsten der schwarzen Null im Haushalt gespart. Die Linke fordert außerdem nach wie vor die Auflösung der Verfassungsschutzämter und die Abschaffung des V-Leute-Systems. Auch Grünen-Chef Cem Özdemir stellte die Folgen bei den Behörden in den Mittelpunkt. Es habe an der Spitze zwar personelle Konsequenzen gegeben, aber das reicht aus seiner Sicht nicht:
    "Wo sind denn die strafrechtlichen Ermittlungen? Wo gibt es ein Disziplinarverfahren? Dass Leute umgesetzt werden, ok, aber reicht uns das wirklich? Kann das ein freigewähltes Parlament zufriedenstellen?"
    Bundesjustizminister Heiko Maas, SPD, und zuständig für Änderungen im Strafrecht als Konsequenz der NSU-Verbrechen, verwies darauf, dass rechte Gewalt nicht Geschichte sei:
    "Herr de Maizière hat es ja bereits angesprochen, rechte Hooligans und militante Neonazis haben das kürzlich mitten in Deutschland deutlich gemacht."
    De Maizière hatte zuvor gesagt, solche der Staat müsse hier härter agieren und sprach auch davon, auch das Verbot einer Demonstration zu erwägen. Das lehnt Justizminister Maas ab.